Die Frage

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„Wir gehen zu Fuß, Freckles" sagte Mickey, als Ian ins Auto einsteigen wollte. „Is nich weit, komm schon. Oder bist du so fertig vom Schwimmen?" Mickey grinste. Ian holte Mickeys Vorsprung auf und sie gingen nebeneinander her. Sie waren nie so ein Paar, das sich in der Öffentlichkeit zeigte. Wenn man nicht wusste, dass die beiden ein Paar waren, hätte man auch sagen können, sie wären beste Freunde. Doch Ian wollte das nicht mehr. Ian wollte, dass alle wussten, sie sind ein Paar. Auch Mickey hatte damit kein Problem mehr, offen zuzugeben, dass er schwul war und Ian liebte. Es war nur so, dass die beiden nie wirklich über sowas gesprochen hatten. Für Mickey war es immer noch schwierig solche Themen anzusprechen und Ian hatte zu viel angst vor Zurückweisung gehabt. Als es mit ihnen begonnen hat, hat Mickey Ian so oft zurückgewiesen, dass er mit diesen Themen gar nicht erst anfangen wollte. Das war zumindest früher so. Jetzt, als nicht richtig klar war, ob sie noch ein Paar waren, hatte Ian zwar immer noch Angst vor Zurückweisung, aber er hatte sich vorgenommen, all die unangenehmen Themen die unausgesprochen zwischen ihnen standen zu klären. Heute. Jetzt.

Er beschloss, damit zu beginnen, Mickeys Hand zu nehmen. Die Berührung elektrisierte sie beide und keiner von ihnen schreckte zurück. Mickey lächelte leicht, als Ian seine Hand nahm und seine Finger mit den eigenen verschränkte. „Okay?" fragte Ian und Mickey grinste breit als Antwort. In Mickeys Kopf drehten sich die Gedanken. 'Er war hier, bei mir. Nimmt meine Hand. Ich mag das.' Dachte er während sie auf das Restaurant zugingen. Als der Kellner sie zu ihrem Tisch brachte und eine Kerze anzündete, musste Ian schmunzeln, bei dem Gedanken, dass sie nach fast 8 Jahren mehr-oder-weniger-Beziehung ihr erstes Date hatten. Ein richtiges Date. Mit Besteck. Mickey lächelte, als ihm ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Wenn man die beiden so ansah, hätte man meinen können, sie wären frisch verliebt. Aber das war nicht so. Also beschloss Ian etwas ernster zu werden und all die Fragen zu stellen, die er brauchte um zu wissen, ob es hier für ihn eine Zukunft geben würde. Eine Zukunft mit Mick.

„Also, erzähl mal. Mit was verdienst du deine Brötchen?"

„Hm. Willst du das wirklich wissen?"

„Hätte ich sonst gefragt?" Ian sah ihn an und spürte, dass da etwas illegales im spiel war.

„Mal dies, mal das"

Ian wurde wütend. Glaubte er, er würde sich mit sowas zufrieden geben?

„Mickey. Spuck's schon aus."

„Ich hab eine zeit lang für ein Drogenkartell gearbeitet. Davon ist noch einiges übrig. Gerade im Moment habe ich keinen Job. Brauche nicht viel. Lebe sehr sparsam" flüsterte er über den Tisch. Ian verdrehte die Augen.

„Glaubst du, du bist hart genug für einen Mexikanischen Knast?" flüsterte Ian ebenfalls

„Was hätte ich machen sollen? Mir mit gefälschtem Pass einen Job besorgen für einen Hungerlohn? Und dann? Alle 3 Wochen was anderes, damit mich die Einwanderungsbehörde nicht schnappt?" Jetzt wurde Mickey sauer. Dachte er wirklich, es war so einfach? „Ich bin hier in Mexiko einigermaßen sicher, aber trotzdem auf der Flucht. Ian. Denkst du, ich wollte wieder etwas kriminelles machen? Ich hatte keine Wahl." Sagte Mickey und Ian verstand. Er nickte. Einen kurzen Moment schwiegen sie und Ian ließ sich seine Worte nochmals durch den Kopf gehen. Er wäre mit ihm auf der Flucht. Er hatte es zwar schon eine ganze Zeit im Hinterkopf, aber jetzt wo Mickey es direkt ausgesprochen hatte, war es präsent. Könnte er das? Ein Leben auf der Flucht?

„Wie sieht dein Leben aus? Also ich meine, wo schläfst du? Wann weißt du, wann du weiter ziehen musst?"

„Naja. Ich schlafe meistens bei Freunden oder alten Kollegen aus dem Kartell. Ich beteilige mich ein bisschen an der Miete und sie verpfeifen mich dafür nicht. Nach zwei oder drei Wochen zieh ich weiter. Je nachdem ob mir der andere auf den Sack geht. Hab mal 3 Monate bei einer Lady gewohnt. Die konnte kochen man. Alleinerziehend mit 2 Kindern. Hab ihnen ein bisschen Englisch beigebracht. Das war toll. Vielleicht können wir sie mal zusammen besuchen. Sie wohnt ganz im Süden Mexicos." Mickey sah Ian hoffnungsvoll an. Als er so von seinem Leben erzählte, hätte Ian fast geglaubt, er hätte es sich so ausgesucht. Als wolle er es so.

„War es schon mal knapp? Also bist du schon mal fast erwischt worden?" fragte Ian und versuchte ernst zu bleiben

„Nein. Nicht wirklich. Einmal, da ist die Einwanderungsbehörde im Nachbarhaus gewesen. Ich bin immer vorsichtig" Ian nickte. Hörte sich nicht so schlimm an. Sie schwiegen, bis das Essen kam und redeten auch während dem Essen nicht viel.

„Wie geht's Mandy? Was von ihr gehört?" Fragte Mickey als er sich den Mund abwischte. Ian nickte. „Hab letzte Woche mit ihr telefoniert. Soll dir schöne grüße ausrichten, wenn ich dich sehe. Es geht ihr gut." Mickey nickte und bestellte den Kellner um zu zahlen. Er stand auf und sie verließen das Restaurant. „Gehen wir noch ein Stück?" Fragte Ian. Mickey nickte wieder.

„Mickey, wir..." begann Ian aber Mickey schüttelte den Kopf. „Jetzt bin ich dran, Gallagher" Er atmete tief durch. Ian wusste, wie viel Überwindung es ihn kostete und schwieg. „Ian, es tut mir leid. Ich hätte dich nicht fragen sollen, ob du mitkommst. Ich hätte... Ich hätte nicht aus dem Knast ausbrechen sollen. Ich hätte deine Schwester nicht versuchen sollen umzubringen. Dann wäre es alles nicht so weit gekommen" Er atmete tief ein und Ian konnte in der Dunkelheit erkennen, dass er mit den Tränen kämpfte. „Aber so ist es jetzt" sagte Ian leise. Sie schwiegen kurz. „Und jetzt bist du hier. Und ich bin hier." Stellte Mickey fest. Sie schwiegen wieder. In beiden Köpfen schwirrte die Frage. Die Frage, die sich beide gestellt haben, seit Ian heute Morgen vor Mickey stand. Die Frage, vor denen beide angst hatten, sie zu stellen. Die Frage, die beantwortet werden musste, um Gewissheit zu haben. Wer hatte mehr Mut sie zu stellen? Ian. Ian hatte den Mut. Er hatte nichts zu verlieren. Und er glaubte die Antwort zu kennen, wenn Mickey sie zurückgab. Er griff nach Mickeys Hand, ohne stehenzubleiben oder ihn anzusehen.

„Sind wir..." Ian atmete tief aus und sein Herz klopfte. Es klopfte unnatürlich und ungesund in seiner Brust. Er hatte Angst. Mickey blieb stehen und sah ihn jetzt an und er konnte ebenfalls die Angst in seinen Augen sehen. In diesen Blauen Augen, die er so vermisst hatte. „Mickey, liebst du mich noch?" fragte Ian ernst. Mickey sah in diese grünen Augen, die im Mondschein leuchteten. In diese grünen Augen, in die er sich so verliebt hatte als sie jünger waren. Mickey lächelte sein schiefes lächeln und antwortete „Natürlich Freckles" Auch Ian lächelte jetzt. „Und du?" Fragte Mickey leise. Ian nickte „Ja". Erleichterung machte sich in Mickeys Brust breit. Das letzte Mal, als Mickey sagte, dass er ihn liebt hatte Ian geantwortet 'Was soll das überhaupt bedeuten'. Er hatte angst gehabt, diese Frage zu stellen und eine ähnliche Antwort zu bekommen. An der Grenze hatte Ian ihm das erste mal gesagt, dass er ihn liebt. Das erste mal Face to Face. Aber es hatte nicht gereicht. Ians liebe zu ihm hatte damals nicht gereicht um mit ihm mitzukommen. Doch jetzt war er hier.

„Und wird es diesmal reichen? Ist es diesmal genug?" fragte Mickey. Ian sah zu ihm herab. Er löste seine Hand aus Mickeys, legte beide Hände an seine Wangen und zog ihn näher zu sich. Bevor sie sich küssten, sahen sie sich lange in die Augen. Ian flüsterte „Ja Mick. Diesmal reicht es". Er beugte sich zu ihm runter und legte seine Lippen vorsichtig auf Mickeys. Mickey vergrub seine Hände in Ians roten Haaren und zog ihn noch näher zu sich heran. Ians Mund öffnete sich und ihre Zungen tanzten und liebten sich. Es war ein intensiver Kuss. Ein Kuss der Gewissheit. Mickeys Herz schlug unregelmäßig und er atmete schwer. Er lächelte in den Kuss hinein und Ian tat es ebenfalls. Nach kurzer zeit ließen sie voneinander ab und Mickey fragte „Und jetzt?" Ian beugte sich zu ihm herunter und hauchte in sein Ohr „Jetzt gehen wir ins Motel und dann... dann werde ich dich die ganze Nacht Ficken Milkovich"

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