Ein Teil von dir

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Lip saß am Küchentisch und Ian holte ein Bier und eine Cola aus dem Kühlschrank. Er setzte sich und sah auf den Tisch. Sie rauchten und es dauerte eine Weile bis jemand die Stille brach. Es war Lip der anfing zu sprechen „Du siehst beschissen aus Buddy“ Ian grinste und sah seinen Bruder an. „Du hast Babykotze auf der Schulter“ beide lachten.
„Mickey ist wieder da.“
Lip zog die Augenbrauen nach oben. „Ausgebrochen?“
„Nein, er ist heute raus gekommen.“
„Und das ist schlecht, weil?“ Lip suchte den Blick seines Bruders. „Spucks aus. Was ist?“
„Scheiße Lip. Ich weiß nicht ob ich es dir erzählen darf oder soll.“
Sie schwiegen wieder eine Weile. Ian entschied sich dazu nichts zu erzählen. Zumindest nicht alles. „Er ist anders Lip.“ Lip schwieg. Er wusste, Ian war noch nicht fertig. „Er hat Dinge im Knast erlebt… er hat sich verändert. Er… Ich weiß nicht… Lip, ich weiß nicht ob er wieder der alte Mickey wird.“
Lip sah ihn an. „Manchmal ist Veränderung gut, Ian“ er nippte an der Cola. „Lip, er ist gebrochen. Irgendwas oder irgendjemand hat ihn da drin gebrochen. Ich weiß nicht, ob ich ihn reparieren kann“
„Ian, was hast du zu ihm gesagt, als du die Diagnose bekommen hast.“
„Ich bin nicht kaputt, also muss mich niemand reparieren“
„Und was hat er gesagt?“
„Ich liebe dich“ Ian zog die Augenbrauen zusammen.
„Ian, wenn du Mickey liebst, dann reicht das. Gib ihm Zeit. Du hast auch Zeit gebraucht. Gib ihm die Zeit die er braucht und sei für ihn da. Du liebst ihn doch oder?“
„Natürlich liebe ich ihn. Aber… Ich hab Angst Lip. Ich hab Angst, dass ihn das so verändert hat… dass er nie wieder der alte sein wird.“
Lip legte eine Hand auf Ians. „Was genau liebst du an ihm?“
Ian überlegte einen Moment, wie er alles in Worte fassen sollte und merkte dass es eine Frage war, die sich nicht in einem Satz beantworten ließ. „Ich… Alles… Ich liebe alles an ihm. Anfangs waren es seine Augen, in die ich mich verliebt hatte. Nach einer ganzen Zeit, hab ich jede Kleinigkeit an ihm geliebt. Jede Ecke, jede Kante, jedes kleinste Teil seiner Seele. Scheiße, klingt das kitschig.“ Beide kicherten. Lip sah ihm in die Augen. „Das, was er erlebt hat. Das ist jetzt auch ein Teil von ihm. Es gehört zu ihm. So wie deine Krankheit zu dir gehört. So gehört dieser Teil jetzt auch zu ihm. Mickey hat gelernt, mit deiner Krankheit umzugehen, weil sie zu dir gehört und er dich liebt, so wie du bist. Du musst lernen, mit diesem Teil umzugehen, weil er zu ihm gehört und du ihn liebst. So wie er ist. Verstehst du, was ich sagen will?“ Ian nickte. Er trank den letzten schluck Bier und klopfte ihm auf die Schulter „Danke“ Sagte er und sie saßen noch eine Weile schweigend da. Ian in seinen Gedanken vertieft. „Ich geh mal ins Bett, Buddy“ Sagte Ian und schlurfte die Treppen nach oben. Er zog sich bis auf seine Shorts aus und legte sich zu mickey unter die Decke. Er legte eine Hand um seinen Mann und atmete seinen Duft ein. Den Duft, den er so vermisst hatte. Der Duft der ihn in seinen dunklen Zeiten über Wasser gehalten hat. Er grübelte noch lange über Lips Worte. Ein Teil von ihm... Kann er das? Kann er ihn lieben, obwohl er… obwohl er von so vielen Männern… er schüttelte den Gedanken ab und schlief irgendwann ein.

„Du denkst, es hat mir keinen Spaß gemacht?“ Mickeys Augen sahen mich an. Herausfordernd. Er lachte. „Du denkst, ich hab es nicht genossen jeden Tag so viele Schwänze in mir zu haben, wie ich wollte?“ Er lachte wieder. Er lachte mich aus. „Es hat mir gefallen. Sie haben mich hart und gut gefickt und ich mochte es. Es hat Spaß gemacht und ich hab keinen Augenblick an dich gedacht.“ Er drehte sich um. Mir stiegen Tränen auf und ich versuchte ihn festzuhalten, doch meine Arme bewegten sich nicht. Ich war wie eingefroren. Er öffnete die Tür. Wir waren im Wohnzimmer des Milkovich Hauses. „Verschwinde Ian. Ich brauch dich nicht mehr.“ Sagte er kalt und stand in der Tür. Er sah hinter mich. Ich drehte mich langsam um. Dort stand ein dunkelhäutiger, großer Mann mit kräftigen Muskeln und dreckigem Grinsen. „Deryl kann mit dem Teil von mir umgehen. Du nicht. Ich liebe jetzt ihn. Verschwinde Ian. Komm ja nicht mehr her. Ich will dich nie wieder sehen.“ Meine Beine bewegten sich richtung Tür und sobald ich draußen war und Mickey die Tür hinter mir geschlossen hatte, änderte sich das Bild. Wir waren im Gallagher Haus in unserem Schlafzimmer. Mickey lag mit dem Gesicht zur Wand im Bett. Die Vorhänge waren zugezogen. Ein schmerzlich vertrautes Bild. Ich stand in der Tür und hatte eine Tablettendose und ein Glas Wasser in der Hand. MIKHAILO MILKOVICH ANTIDEPRESSIVA.
„Mick. Du musst deine Tabletten nehmen.“ Sagte ich leise. Keine Reaktion. Schmerzlich vertraut. Ich wusste wie er sich fühlt. „Du hast dich entschieden, mit dem Teil in seinem Leben klar zu kommen. Hab nicht gesagt, es wird einfach“ Ich drehte mich um und Lip stand in der gegenüberliegenden Tür und grinste. Er drehte sich um und schloss die Tür. Das Bild änderte sich wieder.
Ich war in einem fremden Haus. Ich saß auf dem Sofa. Die Haustür ging auf und Mickey kam herein. Er grinste mich an, kam auf mich zu und küsste mich innig. „Wie war euer Tag?“ Fragte er und aus der Küche kam ein kleines Mädchen gelaufen „Pops! Pops! Daddy und ich haben heute einen Kuchen gebacken. Für deinen Geburtstag morgen“ sie rannte auf ihn zu und er wirbelte sie durch die Luft. „Toll Kathie! Ich hab morgen frei. Spiel noch ein bisschen, bis wir zu Abend essen. Pops muss duschen.“ Er setzte sie auf den Boden und grinste mich an. Er kam wieder zu mir und küsste mich leidenschaftlich, dann flüsterte er „Wenn sie im Bett ist, will ich Geburtstagssex.“ Er grinste „Du hast erst morgen Geburtstag“ erwiderte ich. „Ich will trotzdem Sex“ grinste er. Dann wandte er sich zum Gehen. Er stieg die Treppe hinauf und zog sein T-Shirt aus. Sein ganzer Körper übersäht von Narben. Eine stach mir ins Auge. Ein D auf seinem unteren Rücken.

„Ian? IAN!“ weckte ihn eine Stimme. Mickeys Stimme. Draußen war es schon hell und Mickey saß neben ihm im Bett. „Alles okay? Du bist schweißgebadet und murmelst die ganze Zeit was von ‚ein Teil von ihm‘. Alles okay? Schlecht geträumt?“ Er legte sich wieder neben Ian und strich mit der Hand über seine Wange. „Ian, ich… ich werde mich anstrengen, ja? Ich werde wieder der Mann den du liebst. Ich versuche es.“ Er hatte Tränen in den Augen. „Mick. Es ist jetzt ein Teil von dir. Ich bleibe. Ich… Ich liebe dich und ich werde auch mit diesem Teil von dir leben können. Ich… ich liebe dich und… ich bleibe. Nimm dir die Zeit, die du brauchst und stoß mich nicht weg ja?“ auch Ian hatte Tränen in den Augen und Mickey legte sich näher zu ihm. Ian legte eine Hand über ihn und hielt ihn. Er hielt ihn und hoffte, sein Mann würde dadurch schneller heilen.



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