Der Knopfvater machte sich auf seinen Untergang gefasst. Er hatte sich darauf vorbereitet. Er hatte damit gerechnet, dass er erwischt würde. Seine Frau beobachtete Jahrzehnte lang das Leben vieler unglücklicher Kinder rein durch die Augen angenähter Knöpfe einer Puppe. Das Einzige, was klar war, war, dass Adriana aufgehalten werden musste, komme was wolle. Sie musste damit aufhören. Für die Kinder und Adriana war alles immer nur ein einziges Spiel, auch, wenn sich die Art des Spiels grundsätzlich unterschied. Doch über das, was seine Frau da wirklich tat, wollte er gar nicht nachdenken. Mehr oder minder verschleppte sie die Kinder zu sich. Sie lockte sie mit Spielen und mit einem besseren Leben. Es gab nur einen Schlüssel, damit die Kinder das Gefühl hatten, die Kontrolle zu haben. Kontrolle über das, was sie taten. Kontrolle darüber, die Welt zu aktivieren indem sie die Tür aufsperrten.
Doch trotz dieser Kontrolle, die die Kinder glaubten zu haben, merkten sie nicht, wie Adriana sie ihnen langsam aber sicher entzog.
Wenn sie ihre kleinen Racker so weit manipuliert hatte, dass sie es gar nicht mehr nötig hatten, nach Hause zurückzukehren, schloss sie die Tür ab. Damit war ihr Schicksal besiegelt.
Und dann die Knöpfe. Jedes Kind vor dem Fall Coralines machte bei dem Angebot keine großen Augen, bis es keine mehr hatte.
Und dann das Ritual. Jonathan zog sich dafür immer zurück. Das konnte er nie ansehen. Kinder bezeichneten es als das "Auffressen der Leben", Adriana sah es als "Belohnung für ihren Sieg".
All diese Gedanken schossen ihm durch seinen Kopf. Doch als er die Augen wieder öffnete stand zum Glück Pauline in der Tür.
„Pauline, erschreck uns doch nicht so", schimpfte Coraline.
„Ihr glaubt auch, dass ich mit diesen Gedanken schlafen kann? Was die andere Mutter für ein Monstrum ist?", fragte Pauline.
„Apropos", fügte sie hinzu, „Coraline, worauf warten wir noch? Die andere Mutter schläft doch!"
Jonathan seufzte. „Ja, wäre das nur nicht das Problem, dass es nur einen Schlüssel für die kleine Tür gibt. Und den hat Adriana."
Coraline machte schlagartig große Augen und sah zu ihrem Knopfvater.
„Ich weiß, was du vor hast, aber das wird nicht gehen. Der Schlüssel muss mit Instrumenten aus der echten Welt geschaffen werden. Den kannst du nicht einfach so erschaffen.", erklärte Jonathan.
„Aber...", sagte Coraline, „wieso denn nicht?"
„Nun...", Jonathan setzte zur Erklärung an, „der Schlüssel ist dafür geschaffen, die Tür zwischen realer und echter Welt zu öffnen. Klar, dass das originale Portal im Brunnen liegt, aber das über die Jahrhunderte am allermeisten verwendete Portal ist nun mal die kleine Tür, die Adriana erschaffen hat. Dinge, die mit Kräften erschaffen sind, werden sofort verpuffen, wenn du in die reale Welt zurückgehst."
„Aber Moment mal, woher kommt denn dann der erste Schlüssel? Ich dachte, Adriana hätte die Welt nie wieder verlassen? Dein Sohn als Katze schon, aber..."
Pauline machte große Augen und unterbrach Coraline mit „Wie Katze?"
Coraline warf ihr einen ernsten Blick zu. Pauline verstand und war still.
„Adriana", fuhr Coraline fort, „hat doch diese Welt nie verlassen, dein Sohn zwar schon, aber er würde ihr doch nicht im geringsten helfen?"
„Das ist ja genau das Paradoxe daran", sagte Jonathan in einem erklärenden Tonfall, „sie will nie darüber sprechen."