Teil 1

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"Und bitte bleib heute brav", ich Strich meinem Bruder über sein Haar. "Aber Abla ich kann nichts dafür..", Baran senkte seinen Kopf und setzte seinen unschuldigsten Blick auf. "Wenn du so weitermachst wirst du keine Freunde finden", ich lächelte ihn an, strich ihm mit beiden Händen über seine Wangen und stellte mich gerade hin. Er folgte mir mit seinen Blicken und blickte dementsprechend nun nach oben: "du hast doch gesagt, dass ich nur noch zwei Jahre hier habe", er sah nachdenklich auf die Seite, "und außerdem nervt es mich, wenn sie mich auslachen, dass ich nur dich habe.." Kinder konnten so verletzend sein.
Ohne ihm in die Augen schauen zu müssen, wusste ich, dass mein mittlerweile vier jähriger Bruder Tränen in den Augen hatte und damit kämpfte sie auf jeden Fall zurückzuhalten.
"Die sind doch nur eifersüchtig, weil sie nicht so eine schlaue große Schwester haben", ich kniete mich zu dem Sinn meines Lebens und drehte sein Gesicht zu mir: "und was habe ich dir beigebracht?"
"Dass Gewalt keine Lösung ist", nuschelte er kaum hörbar. "Ich habe dich nicht verstanden. Was hast du gesagt?", nun blickte er mir genervt in die Augen. "Dass Gewalt keine Lösung ist, Abla", wiederholte er sich diesmal viel lauter. "Genau. Ein Mann braucht keine Fäuste um sich zu verteidigen", bei dem Wort 'Mann' fingen seine Augen an zu strahlen. "und ich will nie wieder einen Anruf von deiner Erzieherin kriegen, dass du andere Kinder geschlagen hast, haben wir uns verstanden?", setzte ich meinen Satz fort. "Ja ok", er legte seine Straßenschuhe in das dafür vorgesehene Regal, zog seine Hausschuhe raus, schlüpfte in diese und schlang seine kurzen Arme um meinen Hals. "Musst du nicht zur Arbeit ?" , ich winkelte meinen linken Arm hoch um einen Blick auf meine Uhr zu erhaschen und stellte fest, dass es wirklich Zeit war zu gehen. "Ja, ich gehe jetzt und komme dich um Punkt 5 Uhr wieder abholen.", er nickte mir zu und ging in Richtung seines Zimmers, "ach und Baran", er drehte sich wieder um, "ich liebe dich mein Schatz". "Ich dich auch, Abla. Bis später", er winkte mir noch zu bevor er im Zimmer verschwand und mich im Gang seines Kindergartens zurückließ.

"Kumsal, kannst du die Bestellung für Tisch 3 übernehmen? Max verspätet sich sicherlich wieder", sprach mich eine Mitarbeiterin Linda an. "Ja klar, meine Seite ist sowieso schon bedient. Max sollte vor dem Chef kommen, sonst rastet dieser wieder aus.", den zweiten Satz flüsterte ich ihr zu, während ich mir den kleinen Block mit dem Stift aus meiner Schürze zog und mich anschließend auf den Weg zu Tisch 3 begab. "Guten Tag, was kann ich euch bringen", ich setzte ein Lächeln auf. "Wieso hat es so lange gedauert um endlich bedient zu werden?", ein blondes Mädchen blickte mich mit einem wütenden Blick an. "Es tut uns leid, aber der Kellner, der für diesen Bereich zuständig ist, musste sich um die Getränke im Lager kümmern", ich versuchte mein Lächeln aufrecht zu erhalten. "Cansu, ist doch gut jetzt.", einer der Jungs, die mit ihr am Tisch saßen, blickte ihr mahnend in die Augen. "Nein, nichts ist gut. Wir sitzen seit 10 Minuten hier und sie will mir weiss machen, dass wir so lange warten mussten, weil einer der Kellner im Lager ist. Sag mal wofür bezahlen sie dich eigentlich?", alle Blicke waren auf mich gerichtet. Noch bevor ich antworten konnte kam Max angerannt, entschuldigte sich mit seinem draufgängerischen Lächeln und nahm die Bestellungen auf.
"Was hatte die denn für ein Problem?", Linda legte das Essen vom Tresen auf ein Tablett. "Sie saßen 10 Minuten da und wurden nicht bedient, da wäre jeder Gast genervt", zuckte ich mit den Schultern und nahm einen Schluck von meinem Wasser. "Wieso stört dich sowas nie, Kumsal?", sie sah mich fragend an. "Ich erwarte einfach nichts Gutes von den Menschen um mich herum, solltest du vielleicht auch nicht.", ich blickte ihr kurz in die Augen und widmete mich danach wieder meinem Wasser zu. "Kumsal, du bist so pessimistisch. Ich finde es gut immer optimistisch zu sein. Es ist ein gutes Gefühl das Leben von der guten Seite aus zu sehen.", sie sah mir stolz in die Augen. Wahrscheinlich dachte sie, dass das, was sie von sich gegeben hat, mich beeindruckt. "Wenn ich optimistisch wäre würde das Leben mich immer und immer wieder enttäuschen. Also warum sollte ich mir jeden Tag aufs neue Hoffnung auf gutes machen um dann vom Gegenteil überzeugt zu werden?", ich stellte mein Glas in die Spüle. "Manchmal frage ich mich was in deinem Leben passiert ist, dass du so denkst", flüsterte sie vor sich hin. Ich wusste, dass sie darauf keine Antwort erwartete, so wie sie wusste, dass sie keine Antwort von mir erhalten würde. Wie konnte sie ein Gespräch jeden Tag so leiten, dass wir immer über dasselbe redeten ? "Erde an Frau Kara, ihr Handy klingelt.", Max wedelte mit seinen Händen vor meinem Gesicht rum, "und sorry, dass du die unfreundlichen Gäste bedienen musstest. Du hast was gut bei mir". Ich nickte ihm nur leicht lächelnd zu und sah auf meinen Handybildschirm. "Frau Obst", ging ich ans Telefon. "Frau Kara, ich würde sie bitten so schnell wie möglich zum Kindergarten zu kommen. Ihr Bruder ist von der Kletterwand gefallen und wird gleich von einem Krankenwagen abgeholt.", das Handy fiel mir aus der Hand, während meine zweite Hand ihren Platz auf meinem Mund fand. Ich sammelte mich schnell wieder, versuchte aufkommende Tränen zurückzuhalten und bückte mich nach meinem Handy. "Welches Krankenhaus?", sprach ich mit zitternder Stimme ins Telefon.

Das Lächeln meines HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt