Wir können zwischen real und Schein unterscheiden. Diese Fähigkeit hat ein jeder von uns. Sie hilft uns Dinge einzuschätzen. Aber was wenn Realität Schein und Schein Realität ist? Was kannst du dann noch glauben? Was kann dir dann noch helfen?
Ich stehe schon seit Stunden vor der Fahrstuhltür in der Hoffnung, dass er gleich wieder hinaus aus dieser Tür kommt. Doch ich hätte mir schon vorhin sagen können, er wird so schnell nicht wiederkommen. Was habe ich mir auch dabei gedacht, dass er für zwei Sekunden weg ist und dann wiederkommt? – Das wäre blanker Unsinn.
Hier zu sitzen und gedankenverloren zu grübeln bringt mich und auch niemanden anderen weiter. Aber schließlich habe ich keinen Anhaltspunkt, wo Tobias ist oder was er vorhat. Also beschließe ich einfach aufzustehen und zurück in den Schlafsaal zu gehen. Vielleicht, ja vielleicht, kommt er dort noch einmal hin.
Als ich vor der großen Flügeltür stehe, höre ich laute Schreie aus dem Raum. Ich bleibe ruhig stehen und horche, wer es ist.
„Nein, das hat nichts damit zu tun!", schreit ein älterer Mann. Es muss Marcus sein.
„Oh, lüg mich nicht an! Ich weiß von dem Serum, von Thomas, von Mum, ich weiß alles! Also lüg mich verdammt nochmal nicht an!" Das ist Tobias.
„Four, nein!", eine verzweifelte Frauenstimme.
Ich trete verunsichert in den Saal und urplötzlich verstummen die Schreie und alle Augenpaare sind auf mich gerichtet. Tobias. Marcus. Christina. Uriah. Maja. Ich schaue verwirrt zu Tobias. Sein ganzer Körper zittert vor Wut und seine Knöchel sind schon weiß vom Anspannen. Als ich zu Marcus blicke, erkenne ich, wie seine Nase blutet und an seiner Faust schon getrocknetes Blut ist. Als ich dann wieder zu Tobias hinüberschaue, sehe ich, wie an seiner Wange blaue Flecken sind. Mein Blick wandert immer weiter hinauf, bis ich sein Auge erblicke. Es ist tiefschwarz und unaufhörlich quillt Blut und Tränenflüssigkeit hinaus. Ich muss mein Würgen gerade noch unterdrücken.
Während ich langsam auf Tobias zugehe, tritt Marcus immer weiter weg. Als ich direkt vor ihm stehe, sehe ich, dass seine andere Gesichtshälfte ebenfalls tiefschwarz von Blutergüssen ist. Geschockte halte ich mir meine Hand vor den Mund.
„Was ist hier passiert?", frage ich vollkommen entsetzt.
„Nichts! Geh wieder, Luc. Du kannst hier nichts machen außer mich noch mehr zu entstellen!", ich schaue direkt in Tobias wütende Miene. Wieso sagt er so etwas, er ist doch nie so forsch? Langsam hebe ich meine Hand und halte sie an seine verletzte Wange. Er zuckt schmerzerfüllt zusammen.
„Du irrst dich.", antworte ich sanft.
„Luc! Hör auf, du kannst nichts ändern! Lass mich endlich in Ruhe!", seine Stimme wird mit jedem Wort lauter, doch ich bleibe weiter ruhig.
„Du irrst dich erneut.", antworte ich abermals entspannt. Nun lege ich meine andere Hand auf seine andere Wange, erneut zuckt er gepeinigt zusammen. „Ich kann Dinge ändern. Ob ins Schlechte.", ich drücke meine Hände ein wenig zusammen, er schreit laut auf, „Oder ins Gute.", Zärtlich küsse ich seine Stirn, „Das allein kann ich entscheiden, dass allein kann ich verändern." Tobias schaut mich verwirrt an.
„Was willst du damit sagen?", fragt er vorsichtig. Daraufhin lasse ich ihn los und schaue mich einmal komplett um. Sie alle schauen erwartungsvoll zu mir.
„Es wird Zeit, dass ich aufhöre selbstsüchtig zu handeln. Ihr alle seid hier, weil ich es wollte. Doch bringen, tut es euch nichts."
„Wir sind hier, weil Four uns gebeten hat!", ruft Uriah in die Menge. „Nun, das mag sein. Aber wieso ist wohl Four hier?" Er schaut einsichtig zu mir. Sie alle tun es. „Das Beste wäre, ihr würdet mich nicht kennen, das habe ich festgestellt. Ich weiß, dass wenn ich niemals zu den Ferox gegangen wäre, dann werd ihr alle noch unversehrt. Dann würde Four nicht so leiden, dann hätte Eric niemals Verrat begehen müssen. Dann hätte er seinen Vater noch." Ich hole tief Luft. „Ich weiß, dass ich an dem Leid in dieser Welt Schuld trage. Ich trage Schuld am Leid derer, die mir etwas bedeuten. Ich wünschte so sehr, dass ich damals gestorben wäre." Ich spüre wie die Tränen mein ganzes Gesicht hinab rinnen. Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Alle. Sie erwarten, dass ich etwas ändere. Doch vielleicht muss ich mir selbst eingestehen, dass das unmöglich ist.
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Die Bestimmung - Verhängnisvolle Liebe
FanfictionDas ist eine FF und spielt nach dem dritten Teil der Divergent-Reihe. Doch statt, dass das Fraktionssystem abgeschafft wurde, ist Tris gestorben und das Fraktionensystem wieder in Kraft gesetzt worden. Eric wurde nicht erschossen und ist wieder eine...