Was machst du, wenn dein gesamtes Leben eine Lüge ist, wenn es von deiner Mutter, die eigentlich deine Schwester ist, gestaltet wurde? Alle Erinnerungen, egal ob schlecht der gut, keine ist wahr. Doch eine Frage habe ich noch. Eine klitzekleine Frage, bevor ich sie für immer verlassen werde.
„Was ist mit meinen angeblichen Geschwistern?“, frage ich zögerlich, meine Hände habe ich immer noch vor dem Gesicht.
„Sie sind Menschen von außerhalb, die ihre Erinnerungen freiwillig aufgegeben haben und zu unseren Kindern gemacht worden. Wir wurden ebenfalls eingeschleust. Denn man sieht, dass wir noch zu jung aussehen, also manipulierte man die Erinnerungen von den Menschen hier. Lässt sie denken, wir wären schon alt, nur jung geblieben.“, erklärt sie. Ihre Stimme ist bruchhaft, kaum merkbar.
Ich stehe auf, sehe sie an. Sehe die Trauer, Verzweiflung und das Misstrauen in ihren tränenunterlaufenen, blauen Augen. Ich bin bereit. Bereit alles hinter mir zu lassen und endlich mit offenen Karten zu spielen.
„Falls ihr dachtet, dass ich euch jemals auch nur irgendwas verzeihen werde, dann habt ihr euch gewaltig geirrt.“, bringe ich beschwerlich und mit den Tränen kämpfend hervor, „Egal, ob wir das gleiche Blut in uns tragen. Du bist nicht meine Schwester, warst es noch nie. Wir sind komplett verschieden. In allem. Und deswegen wirst du auch nie nur ein Fünkchen so viel Würde und Stolz haben wie ich. Denn ich hätte nie deine Erinnerungen an deine verstorbenen Eltern gelöscht. Die einzigen Erinnerungen, die ich von ihnen hatte, hast du mir gestohlen!“
Zaghaft nehme ich Erics Hand in meine und ziehe ihn mit aus der Wohnung. Er hat in der Zeit kaum etwas gesagt. Er hat mir beigestanden, ohne was zu sagen. Seine Anwesenheit hat mir genug Kraft gegeben. Und jetzt wird sie mir Kraft geben, zu gehen und ihnen nie mehr in die Augen zu sehen.
Auf den Amite-Feldern sind immer noch Menschen am Lachen. Diese niederträchtige Sippschaft. Ich mochte sie noch nie.
Als wir wieder am Tor sind bleibt Eric stehen, sieht mich bemitleidend an, hat aber einen leicht verärgerten Blick. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass die Wachen hier sind. Einige Meter vor dem Tor hat er mich los gelassen. Und mir ist klar geworden. Es wird kein „uns“ geben. Es gibt weiterhin nur „er“ und „ich“. All das wird geheim bleiben. Ich kann Maja nicht sagen, was heute passiert ist, niemanden. Ich muss wie so häufig alleine damit klar kommen. Niemand, der mir Halt gibt. Denn hinter diesem Zaun gelten andere Spielregeln. Eric ist wieder der gemeine Anführer und ich wieder die schwache Initiantin, die unter die rote Linie rutschen wird und dann für immer fraktionslos ist.
Ich gehe einfach weiter, ohne darauf zu achten, ob Eric mir folgt. Ich gehe einfach in Richtung Zug und springe hinein, als er kommt.
Erst, als ich sehe, wie Eric ebenfalls hinein springt, sehe ich, dass er mir gefolgt ist. Er stellt sich zu mir, doch ich wehre mich gegen den Drang, bei ihm zu sein, seine Hand zu halten und gehe ans andere Ende des Zugs. Er steht wie angewurzelt da und schaut mir nach. Das Leben ist mein Schlimmster Feind. Nein, die Liebe ist es. Eine einzige Träne läuft mein Gesicht hinunter und ich wische sie weg. Schon von klein auf habe ich gelernt, Dinge loszulassen, aber eigentlich wollte ich es nie, denn es zu lernen ist eine Sache, es zu wollen eine andere. Denn wir leben zwar weiter, das schließt aber nicht aus, dass wir es wollen – Und ich möchte es eindeutig nicht.
Ich liege verzweifelt auf meinem Bett.
Nachdem ich aus dem Zug gesprungen bin, kam Eric noch bis zur Tür mit mir, dann nahm er einen anderen Weg, damit es nicht auffiel, dass wir zusammen unterwegs waren. Ich war am bodenzerstört, ich bin es noch.
DU LIEST GERADE
Die Bestimmung - Verhängnisvolle Liebe
FanfictionDas ist eine FF und spielt nach dem dritten Teil der Divergent-Reihe. Doch statt, dass das Fraktionssystem abgeschafft wurde, ist Tris gestorben und das Fraktionensystem wieder in Kraft gesetzt worden. Eric wurde nicht erschossen und ist wieder eine...