Kapitel 16

80 8 0
                                    

Ein Arzt trat vor mich und versuchte, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Min Yoongi, richtig?" Ich nickte stumm. "Ich bin Dr. Lee. Wir werden uns um Ihre Verletzungen kümmern und sicherstellen, dass Sie die notwendige Hilfe erhalten."

Ich nickte nur abwesend, während der Arzt meinen Pullover auszog. Darunter kamen die blutgetränkten Verbände zum Vorschein, die mir der Sanitäter im Krankenwagen angelegt hatte.

"Wie ist es dazu gekommen?" fragte Dr. Lee mit sanfter Stimme, während er weiterarbeitete.

Ich zögerte einen Moment, bevor ich antwortete. "Ich bin gestolpert und habe mich an einer Glasscherbe geschnitten", log ich schließlich, wie ich es auch dem Sanitäter erzählt hatte.

"Wenn Sie Schmerzen verspüren, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid", sagte er ruhig und konzentrierte sich weiter auf seine Aufgabe.

Ich nickte stumm und biss mir auf die Lippen, um den Schmerz zu unterdrücken, der durch die Berührung meiner verletzten Haut verursacht wurde.

Nachdem er die Wunden sorgfältig gereinigt hatte, begann Dr. Lee mit dem Nähen. Jeder Stich war schmerzhaft. Doch ich hielt still, unfähig zu sprechen oder mich zu bewegen, während die Nadel durch meine Haut glitt.

Während der Prozedur versuchte ich, mich auf die gegenüberliegende Wand zu konzentrieren und nicht auf den Anblick meiner eigenen Verletzungen. Es war schwer, die Tränen zurückzuhalten, die in meinen Augen brannten, aber ich zwang mich, stark zu bleiben.

Schließlich war die Behandlung abgeschlossen und Dr. Lee befestigte saubere Verbände um meine Wunden. Er betrachtete mich mit einem nachdenklichen Blick, als er sprach: "Es ist wichtig, dass Sie auf sich selbst aufpassen, Min Yoongi. Es wird etwas dauern, bis Ihre Verletzungen geheilt sind."

Ich nickte, obwohl ich nicht sicher war, ob ich seine Worte wirklich verinnerlichte.

"Sie werden jetzt in ein Krankenzimmer gebracht, wo Sie sich ausruhen können. Wir werden Ihre Vitalzeichen überwachen und sicherstellen, dass Sie sich erholen", erklärte Dr. Lee, während er mir half, mich aufzurichten. "Ihre Freunde warten übrigens auf Sie."

Ich sah ihn verwirrt an, doch dann betraten wir ein Zimmer und dort sah ich alle sechs Mitglieder sitzen, die hochschreckten, als sich die Tür öffnete.

Da es mitten in der Nacht war, waren Jungkook und Taehyung schon eingeschlafen.

"Yoongi, wie geht es dir?", fragte Seokjin besorgt, während er auf mich zukam.

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, ein gezwungenes Lächeln aufzusetzen. "Bin in einem Stück, wie man sieht." Dann drehte ich mich zu dem Arzt, der neben mir stand. "Wann darf ich entlassen werden?"

"Yoongi!", mahnte Seokjin.

Dr. Lee trat vor und erklärte geduldig: "Mr. Min, wir müssen sicherstellen, dass Sie stabil sind, bevor wir über eine Entlassung sprechen können. Ihre Verletzungen sind nicht allzu schwerwiegend, aber Ihr emotionaler Zustand bereitet uns Sorgen. Wir möchten sicherstellen, dass Sie in den kommenden Tagen ausreichend Betreuung erhalten."

Ich starrte ihn an, die Worte trafen mich wie ein Schlag. Betreuung? Als ob ich Hilfe bräuchte. Ich konnte mich doch selbst im Griff haben.

Seokjin legte besorgt eine Hand auf meine Schulter. "Yoongi, du kannst nicht einfach weitermachen, als wäre nichts passiert. Wir sind hier, um dir zu helfen. Lass uns für dich da sein."

Ich zog mich von seiner Berührung zurück und blickte auf den Boden. "Ich... Ich brauche keine Hilfe. Ich werde schon klar kommen."

Hoseok trat vor, seine Miene ausdruckslos. "Yoongi, wir sehen, dass du leidest. Wir können nicht zulassen, dass du das alleine durchstehst. Du bist nicht schwach, wenn du Hilfe annimmst."

Ich fühlte mich wie in die Enge getrieben. "Ich kann das selbst managen. Ich muss einfach nur wieder arbeiten."

"Das ist nicht die Lösung, Yoongi", warf Namjoon ein. "Du musst dich erholen, bevor du wieder voll einsteigst. Die Arbeit kann warten."

Ein leiser Schrei der Frustration entfuhr mir. "Ihr könnt das nicht verstehen! Ihr seid nicht in meiner Haut!"

Jimin trat vor und legte mir sanft die Hand auf die Wange. "Wir können vielleicht nicht alles nachvollziehen, aber wir lieben dich und wollen nicht, dass du dich quälst. Lass uns dir helfen."

Ich stieß einen bitteren Lacher aus. "Liebe? Ihr wisst nicht, was es bedeutet, so zu sein wie ich. Ihr habt keine Ahnung, wie es ist, sich selbst zu hassen und zu denken, dass man nichts wert ist."

Hoseok versuchte, mich festzuhalten, aber ich riss mich los. "Lasst mich einfach allein. Ich brauche keine Hilfe. Ich werde das auf meine Weise regeln." Mit diesen Worten stürmte ich aus dem Krankenhauszimmer und ließ sie mit ratlosen Blicken zurück.

Ich war ein erwachsener Mann. Ich konnte selber entscheiden, was ich tun wollte.

Die kalte Nachtluft schlug mir ins Gesicht, als ich das Krankenhaus verließ. Meine Gedanken wirbelten wild in meinem Kopf und ich versuchte, die Stimmen in meinem zu ignorieren. Der Schmerz an meinem Arm pulsierte im gleichen Rhythmus wie mein Herz.

Ich wanderte durch die nächtlichen Straßen ohne ein klares Ziel vor Augen. Meine Füße führten mich zu einem Park, in dem ich mich auf eine der Bänke setzte. Der Mondschein tauchte die Umgebung in ein silbriges Licht.

"Ich bin es nicht wert", flüsterte ich leise zu mir selbst. "Ich verdiene diese Liebe nicht. Ich verdiene nichts."

Mein Handy vibrierte in meiner Tasche, aber ich ignorierte es. Es war wohl einer von den anderen, der versuchte, mich zu erreichen. Was konnten sie schon tun? Ich wollte kein Mitleid, keine falschen Trostworte. Ich wollte einfach nur allein sein.

Langsam strich ich mit den Fingern über die frischen Wunden an meinem Arm, die jetzt verbunden waren. Der Schmerz war ein Gefühl, das mich daran erinnerte, dass ich lebte.

"Hyung?" Ich drehte mich erschrocken um und blickte direkt in Hoseoks Gesicht, der plötzlich hinter mir aufgetaucht war.

"Hoseok...", murmelte ich und senkte meinen Blick. Ich fühlte mich ertappt, als hätte er meine intimsten Gedanken und Gefühle entdeckt. Hoseok setzte sich vorsichtig neben mich auf die Bank.

Ich zog meine Hand zurück als wäre sie von Feuer berührt worden. Hoseok betrachtete meinen verbundenen Arm schweigend. Die Stille zwischen uns war erdrückend und ich konnte nicht in seine Augen sehen. Ich schämte mich, fühlte mich schuldig für das, was ich getan hatte.

"Hast du Hunger?" fragte er dann plötzlich und ich hob den Kopf, überrascht von der Frage.

Hoseok sah mich ernst an. "Ich weiß, dass du nichts gegessen hast. Lass uns zusammen etwas essen, okay?"

"Aber es ist ... mitten in der Nacht?", stellte ich verwirrt fest.

"Es ist nie zu spät zum Essen, Yoon."

»𝐁𝐥𝐮𝐫𝐫𝐞𝐝« ˢᵒᵖᵉ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt