Kapitel 2

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Ares Aetos ist wahrscheinlich der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Er ist groß, hat braune Haare und braune Augen, ausdrucksstarke Augenbrauen, einen Dreitagebart und gebräunte Haut.

Nach der ersten Woche dieses Semesters habe ich ihn online gestalkt. Wie könnte ich nicht? Ich war...interessiert. Er hat in Griechenland gelebt, bis er sechs war. Dann ist er mit seinen Eltern hierher ausgewandert. Er ging mit Neunzehn an die Journalistenschule und wurde freischaffender Journalist. Für seine investigativen Berichte hat er schon zahlreiche Preise gewonnen und ist ein Star in unserer Szene.

Und nun ist er mein Professor für Investigativen Journalismus. Leider ist er schon achtunddreißig, was einen Altersunterschied von sechzehn Jahren ergibt. Und er ist mein Professor, verdammt. Es ist so falsch, diese Anziehung zu spüren, aber er ist einfach toll.

In diesem Moment sieht er mich und winkt mir lässig zu. Ich werde augenblicklich rot. Nur wenige Menschen können mich nervös machen, aber er ist definitiv einer von ihnen. Schüchtern winke ich zurück und lasse meine Haare in mein Gesicht fallen, um meine roten Wangen zu verbergen.

Mich wundert, dass er mich erkannt hat. Ich habe bisher noch nie alleine mit ihm geredet. Aber ich muss ihm in der Vorlesung aufgefallen sein, was mich...naja, glücklich macht. Klar, ich habe ein paar mal eine Frage beantwortet, aber er erinnert sich an mich.

Während des ganzen Abends werfe ich unauffällig Blicke auf seinen Tisch, aber er schaut nie zu mir rüber.

Zum Glück gibt es tatsächlich ein Buffet und ich kann meinen Hunger stillen.

Nach dem offiziellen Teil gehe ich von Tisch zu Tisch und führe ein paar Interviews, wobei ich einen Tisch wie die Pest vermeide.

Ich interviewe gerade eine ältere Philanthropin, die zu meinem Entsetzen unglaublich unsympathisch ist. Ja, obwohl die Frau ihr Leben einer guten Sache verschrieben hat, kann ich sie nicht ausstehen.

Sie sagt Dinge wie: „Jeder Mensch, der nicht spendet, ist von Grund auf schlecht. Egal, wie wenig Geld man hat, man sollte immer spenden. Es gehört zu den guten Sitten."

Ich nicke, aber denke mir nur Wtf. Es gibt so viele Menschen, die Probleme haben, für ihr eigenes Leben aufzukommen. Ihre Ansicht ist so privilegiert.

Da werde ich sanft am Ellenbogen angefasst. „Jillian, kann ich Frau König kurz entführen?"

Ich schaue auf und traue meinen Augen nicht. Ares steht neben mir und berührt mich. Kreisch.

„Natürlich, Ares.", erwidert sie.

Froh, der unangenehmen Situation mit der alten Hexe zu entfliehen, stehe ich auf und lasse mich von meinem Professor an seinen Tisch führen. Ich schalte mein Diktiergerät aus.

„Danke für die Rettung.", seufze ich.

Ares mustert mich schmunzelnd. „Ich dachte, sie könnten meine Hilfe gebrauchen. Jillian ist unausstehlich." Er nimmt ein Glas Champagner von einem vorbeilaufenden Kellner und stellt es vor mich. „Außerdem haben sie jetzt fast alle in diesem Raum interviewt außer mich."

„Ja...also...", stammle ich.

„Gehen sie mir aus dem Weg?"

Ich lache nervös. „Nein, natürlich nicht. Das beste kommt zum Schluss, oder?"

Oh Gott. Flirte ich gerade etwa mit meinem Professor?

Er lacht. Ich mag sein Lachen. „Das ist wahr. Also, na los, bombardieren sie mich mit Fragen. Was wollten sie schon immer über ihren Professor wissen?"

„Sind sie single?"

Oh. Mein. Fucking. Gott. Zara.

Er lächelt locker. „Warum wollen sie das wissen?"

Schnell, Zara, denk dir eine Erklärung aus, die nicht beinhaltet, dass du ihn heiß findest.

„Ich...naja, sie sind ein heiß begehrter Mann. Unsere älteren Leser interessiert es sicher, ob sie noch zu haben sind...aber sie müssen nicht antworten. Das war eine unangebrachte Frage...Oh, Gott..."

Er unterbricht mein Stammeln, indem er antwortet. „Ja, ich bin single."

Laut meiner Recherche über ihn ist er geschieden. Er war sieben Jahre mit seiner Frau Jessica verheiratet. Wunderschöne Frau. Wow. Nun ist er seit zwei Jahren von ihr getrennt und scheinbar noch single oder wieder single.

„Es tut mir leid, dass ich gefragt habe. Es wird nicht im Artikel vorkommen, Professor Aetos.", sage ich mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck.

„Alles in Ordnung, Frau König. Haben sie noch andere Fragen?"

Ich denke nach, aber mein Kopf ist leer. Ich schwöre, ich bin eigentlich eine bessere Interviewerin. Es ist sogar meine Spezialität.

„Ich könnte ihnen erzählen, warum ich hier bin.", schlägt er mir auf mein Schweigen hin vor.

Erleichtert nicke ich und nehme einen Schluck von meinem Champagner, um mir Mut anzutrinken.

„Macht es ihnen was aus, wenn ich unser Gespräch aufnehme?", frage ich.

„Nein, gar nicht."

Darauf schalte ich das Diktiergerät wieder ein.

Er lehnt sich näher zu mir und ich rieche sein maskulines Parfüm. „Also, das weiß noch niemand, aber ich bin Mitbegründer der Organisation, für die bei dieser Gala gespendet wird."

Ich atme überrascht ein. „Sie sind Mitbegründer von Elephant Club?"

Die Organisation gibt es seit zehn Jahren. Sie retten Elefanten in Afrika vor Wilderei und bringen sie in Naturschutzgebiete. Sie haben auch schon eigene Naturschutzgebiete gegründet.

„Ja, ich hatte noch nicht vor, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, aber warum nicht? Außerdem ist es bestimmt eine super Story für sie.", sagt er.

„Wow, danke.", gebe ich von mir. „Warum haben sie die Organisation gegründet?"

Er ist kurz still. „Ich wollte etwas Gutes tun und um ehrlich zu sein, finde ich Elefanten einfach toll. Auf meinen Reisen habe ich mich außerdem in die Natur und Kultur Afrikas verliebt."

Interessiert schaue ich ihn an. „Das ist wundervoll. Wie oft im Jahr reisen sie nach Afrika?"

„Vier bis sechs mal im Jahr würde ich sagen."

Wir unterhalten uns weiter, bis die meisten Gäste schon gegangen sind. Es ist einfach, sich mit ihm zu unterhalten. Er ist wahnsinnig sympathisch und interessant. Das ist nicht gut für den kleinen Crush, den ich in den letzten Wochen für ihn entwickelt habe.

Irgendwann erhebe ich mich und sage: „Danke für das Gespräch. Ich muss mir jetzt ein Taxi sichern."

Er steht ebenfalls auf. „Ich kann sie nach Hause fahren. Keine Sorge, ich habe nicht getrunken."

Ich will sofort einwilligen, aber ich habe heute schon genug Grenzen überschritten. „Danke, aber ich habe kein Problem damit, mit dem Taxi zu fahren."

Wir gehen beide nach draußen und zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass alle Taxis bereits weg sind.

„Mein Angebot steht."

Ich wende mich Ares zu und nage unsicher auf meiner Lippe herum. Dann nicke ich. „Okay, danke."

Das wirst du bereuen, Zara.

TabuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt