Thirty-Six

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Minho

Ein lauter Knall ... Schreie ... «Das ist alles deine Schuld, Minho!» Zitternd hebe ich meine Hände schützend vor meinen Körper. «Nein, Eomma ... bitte ... ich»
»Nenn mich nicht so!« Schrill hallen ihre Worte in meinen Ohren wider und ...

Schweißgebadet wache ich auf. Mein Atem geht hektisch und unruhig, während ich meinen Blick nervös durchs Zimmer schweifen lasse. Sie ist nicht da.

«Hey, Minho, Baby», ich werde vorsichtig in eine Umarmung gezogen. Jisung.

«Alles ist gut. Du bist in Sicherheit. Sie ist nicht hier. Niemand wird dir wehtun.»

Mein Herz rast in meiner Brust, klopft kräftig gegen meine Rippen, so als ob es hinausbrechen möchte. Schweiß rinnt meinen Körper hinunter, alles zittert und ich habe das Gefühl, den Boden unter den Füsse verloren zu haben.

Doch die Arme um meinen Körper holen mich ein wenig zurück ins Hier, in dem ich mich auf die Berührung konzentriere und ein Gefühl von Geborgenheit durchflutet meine Venen.

Mein zu Hause.

Alles entspannt sich in mir, mein Kopf sinkt gegen seine Schulter und ich spüre, wie ein fester Kloss in meinem Hals sitz. Ich kann nichts gegen das Wasser in meinen Augen unternehmen, nichts gegen das leise Schluchzen, welches meine Kehle durchdringt, und schon gar nicht als heisse Tränen meine Wangen runterlaufen und ich ein Häufchen Elend werde.

«Shh, alles gut, Baby, ich hab dich», gehauchte Worte, von der Person auf dieser Welt, die ich am meisten Liebe.

Ich zittere, als mich einen Weinkrampf nach dem nächsten durchschüttelt. Und ich lasse es geschehen, lasse den Schmerz, die Wut, aber vor allem die Trauer zu. Die Trauer, die mich jahrelang verfolgt, mich in meinen Träumen heimgesucht und den Schlaf geraubt hat. Ich war so lange stark, musste soo lange alles in der hintersten Ecke meines Gehirns verbergen, durfte mein Erlebtes niemandem zeigen, außer jetzt.

Den Jisung ist hier, drückt sich gegen mich, streichelt sanft meinen Rücken, murmelt leise, beruhigende Worte in mein Ohr und gibt mir das Gefühl, dass es okay ist, nicht immer okay zu sein.  

Das es okay ist, sich fallen zu lassen, weil er hier ist und mich auffängt. Und erst jetzt merke ich, wie sehr ich diesen jungen Mann liebe, wie sehr ich ihn brauche, wie viel Macht er über mich hat. Er könnte mich einzig und allein mit einem Wort zerstören, doch er ist hier und hilft mir. Er ist hier und bleibt, anders als meine Mutter. Er ist hier und hilft mir durch diese schwierige Phase, bei welcher ich all die erlebten Erlebnisse der vergangenen Jahren wie eine Diashow vor meinem inneren Auge sehe:

Das warme Lächeln meines Vaters, als er mir stolz über den Kopf wuschelte, wie wir gemeinsam nach Hause fuhren und miteinander lautstark sangen.

Wie sich unser Auto überschlug, überall Blut war, seinen geschundenen Körper der leblos im Autositz lag, einzig und allein durch den Gurt quer über seiner Brust am Platz gehalten. Dieser Schmerz, Eommas Schrei, als sie den Tod ihres Mannes erfuhr, den Hass in ihren Augen, die Gürtelschläge, ihre Worte, die sich in mein Gedächtnis ein brandeten wie ein Brandzeichen.   

Ich schluchze laut auf, drehe mich in Sungies Armen und ziehe ihn in eine haltsuchende Umarmung, klammere mich an ihn wie an einen Rettungsring, der mich vom Tod rettet. «Shh, alles ist gut, Baby. Ich bin hier, sie ist nicht da. Sie kann dir nichts mehr antun, dafür sorge ich.»

«Es tut so weh, bitte mach, dass es aufhört», bettle ich meinen Freund an, vergrabe meinen Kopf in seiner Halsbeuge und benetzte die sanfte Haut mit meinen Tränen.

«Ich kann nicht mehr. Wieso lässt es mich nicht los? Wieso jagt es mich immer noch in meinen Träumen? Wieso jagt sie mich immer noch in meinen Träumen? Ich will doch nur mein Leben leben ... es ist die Vergangenheit, also bitte Sungie...» ein herzzerreissender Schluchzer entweicht meiner Brust.

Broken BirdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt