Broken Birds

Thirty-Two

Minho

Auch wenn es mich oft verletzt, dass die Menschen um mich herum von mir eingeschüchtert sind, hat dies die Situation heute deutlich vereinfacht. Nachdem Sungie in meinen Armen eingeschlafen ist und fast von Changbin wieder geweckt wurde, war es an mir, meinen Freund nach Hause zu bringen – ohne seinen Schlaf zu unterbrechen. Also hab ich das gemacht, was jeder gute Freund gemacht hätte – alle finster angeschaut und Todesdrohungen um mich geworfen. Selbst Seungmin hat seine Klappe gehalten und ist dann schnell in sein Zimmer verschwunden.

Behutsam lege ich Sungie auf unser Bett. Letzte Woche haben wir die Zimmerordnung umgestellt und ein Doppelbett gekauft, da Ji meinte, dass wenn er schon mit mir im selben Raum schläft, er auch richtig mit mir kuscheln möchte, ohne Angst haben zu müssen, von Bett zu fallen. Mein Freund dreht sich auf die Seite und murmelt etwas vor sich hin. Seelig lächelnd streiche ich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn und fange an ihn vorsichtig umzuziehen – in Jeans möchte ich ihn nicht schlafen lassen.

Als das auch erledigt ist, stehe ich einfach nur da und betrachte meinen Freund. Ich habe so ein Glück mit ihm. Er sieht aus wie ein Baby, mein Baby. Es ist mir schon ein-, zweimal passiert, dass ich morgens aufgewacht bin und gedacht habe, dass ich das alles nur geträumt habe.

Ich beuge mich zu ihm runter und küsse seine Stirn. «Ich bin gleich wieder da, Jagie. Geh nur schnell einen Schluck trinken.»

In Jogginghose und einfachem T-Shirt betrete ich die Küche. Ich bin fix und fertig, wie nach jedem Konzert, wenn das Adrenalin verebbt ist. Gähnend befülle ich mir ein Glas mit Wasser und trinke es. Ich will nur noch ins Bett zu meinem Klammeräffchen, doch das Geräusch von tapsenden Füßen lässt mich aufsehen. Channie Hyung steht Türrahmen.

Ich seufze. «Hyung, ab ins Bett. Du kippst mir noch um, so wie du hin und her schwankst. Das dir das Konzert nicht den Rest gegeben hat, wundert mich ja.» Ich schüttle meinen Kopf. So langsam mache ich mir Sorgen, er kann nicht für immer ohne Schlaf auskommen. Vielleicht sollten wir das mit den Schlaftabletten noch mal versuchen.

«Ist nicht so, dass ich mir das freiwillig ausgesucht habe, Min», grummelt mein Hyung. «Hast du in letzter Zeit überhaupt geschlafen?»

«Naja, wenn ich nieße, schließen sich meine Augen.» Verlegen kratzt er sich am Nacken. Ich muss auflachen, werde dann aber wieder ernst. «Das ist kein Schlafen.»

«Zählt blinzeln dann?»

«Nein.»

«Damn it.»

Die Müdigkeit ist ihm deutlich anzusehen. «Setzt dich. Ich mache dir eine warme Milch und wenn das auch nicht hilft, müssen wir uns die Tage mal zusammen setzen und eine Lösung für deinen Schlafmangel finden. So kann das nicht weiter gehen. Vielleicht solltest du die Schlaftabletten-» «Davon bekomme ich Albträume», unterbricht er mich hastig. Ich schaue ihn mitfühlend an «Wir finden schon einen Weg.»

«Ich habe das mit den Zimtstangen ausprobiert. Aber ich glaube nicht, dass die helfen.»

Schmunzelnd mache ich meinen Hyung seine Milch und sitze dann mit ihm am Tisch. Für eine Weile schweigen wir uns einfach an – was für andere vielleicht unangenehm ist, genieße ich. Keine erzwungenen Gespräche, geheuchelte Höflichkeiten oder sonstigen Bullshit.  Sich einfach nur am Dasein des anderen erfeuen.

«Wie geht es Han?», fragt Chan nach minutenlangem Schweigen. «Besser, er schläft oben im Bett.» Ich weiß nicht, wie viel ich unserem Leader über Jisungs Situation erzählen kann, weshalb ich ihm schlicht antworte. «Ich bin froh, dass es ihm besser geht, er hat mir eine Heidenangst eingejagt», Chans Griff um die Tasse verstärkt sich. Ein Klumpen bildet sich in meinem Magen, ich weiß, wovon er spricht. «Das verstehe ich – mir ging es nicht anders – aber ihm geht es wieder besser und dass ist ja die Hauptsache, oder etwa nicht?», ich mustere unser ältestes Gruppenmitglied eingehend. Die dunklen Augenringe unter seinen Augen werden von Tag zu Tag größer und dunkler, die Wangen sind eingefallen und die Altbekannte Müdigkeit zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Ich weiß nicht, wie lange er diesen Zustand noch aushält und wann der Tag kommt, an dem er komplett zusammenbricht.