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Kian

Ich schlief so gut wie nie. Nur ab und an fielen mir vor Erschöpfung die Augen zu. Doch ich wachte immer relativ schnell wieder auf. Hier war es kalt und der Boden war hart. Mein Gesäß fühlte sich schon seit längerer Zeit taub an. Oder waren es mittlerweile Tage? Ich wusste es nicht. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Und als wäre das nicht schon genug, hatte ich unglaublichen Durst. Meine Lippen waren aufgesprungen und oft schmeckte ich das Blut auf meiner Zunge.
Hier unten war es staubig, sodass mir öfters der Staub in die Augen flog. Meine Augen müssten mittlerweile rot davon sein und meine Augenringe hingen mir wahrscheinlich fast bis zum Hals. Der Staub bedeckte auch meine Hände, sowie wahrscheinlich auch mein Gesicht. Außerdem musste ich durch den ganzen husten wegen dem Staub. 
Jeden Tag bekam ich nur ein Glas Wasser und ein trockenes Stück Brot zu essen. Das Wasser war Balsam für meine Kehle, das Brot jedoch bekam ich kaum runter. Aber ich wusste, dass ich zumindest versuchen musste etwas zu essen. Ich musste versuchen bei Kräften zu bleiben und ich musste versuchen hier rauszukommen. 
Denn wenn Ilay wirklich versucht mich hier rauszuholen wird er sterben und das kann ich nicht zulassen. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn er wegen mir stirbt.
Jede freie Minute in der ich Kraft hatte rieb ich meine Handgelenke gegen das raue Seil um es dünner werden zu lassen. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass es gar nichts brachte, doch mittlerweile hatte ich schon das Gefühl, dass das Seil lockerer geworden ist. Vielleicht lag es auch daran, dass ich durch das wenige Essen und Trinken dünner wurde. Aber in den paar Tagen konnte man doch nicht soviel abnehmen oder?
Es war mir auch egal. Hauptsache ich kam hier raus. Jeden Tag kam immer nur eine Person und brachte mir mein "Essen." Danach hatte ich ungefähr 24 Stunden Zeit um hier rauszukommen. Und die einzige Möglichkeit war irgendwie durch das Fenster zu entkommen.
Ich musste das einfach schaffen. Für mein Leben. Und vor allem für das Leben von Ilay.

Ilay

"Jetzt beruhig dich.", meinte Jake.
"Wie soll ich mich beruhigen?!", schrie ich ihn an. "Wir haben nichts! Wir haben keine Ahnung wo er ist!"
"Ich weiß, aber genau das will er doch. Er will dich zur Weißglut bringen. Er will, dass du nicht vernünftig denken kannst. Du musst einen ruhigen Kopf bewahren."
"Sag mir nicht was ich zu tun hab!", schrie ich ihn weiterhin an.
Ich habe keine Sekunde geschlafen, seit ich weiß, dass Kian wirklich in den Fängen von Tore ist. 
Okay, das war nicht ganz richtig. Manchmal holte sich mein Körper einfach den Schlaf und ich wachte dann zweit Stunden später vor meinem PC auf. Denn wir scannten die ganze Umgebung nach Kian ab. Aber wir hatten nicht mal einen einzigen Anhaltspunkt. Selbst Tores Leute waren wie vom Erdboden verschluckt. 
Und genau das gehörte alles zu seinem Plan. Erst bedroht er uns, wiegt uns in Sicherheit um dann, in einem unbeobachteten Moment, voll zuzuschlagen. So wie Thore und ich es bereits vermutet hatten. Und dann versteckt er seine ganzen Leute die für ihn arbeiten, damit wir nicht einen winzigen Verdacht haben wo er Kian versteckt halten könnte.
Der im Moment einzige Weg ist es sich auf Tores Deal einzulassen. Aber das kann ich nicht machen. Ich kann meine Familie, meine ganze Existenz nicht einfach über den Haufen werfen. Es muss eine andere Möglichkeit geben Kian da lebend rauszuholen. Bis jetzt gab es immer eine andere Möglichkeit und die werden wir auch dieses Mal finden. Auch, wenn sie sich schwieriger gestaltet als gedacht.
Luka und Car kamen die Treppen herunter. Sie haben in den letzten Stunden Thore geholfen weiterhin etwas über Kians Standort herauszufinden. 
"Fehlanzeige.", meinte Luka.
Fehlanzeige. Wie oft hatte ich dieses Wort in den letzten zwei Tagen gehört? Ich war kurz davor irgendwas umzuwerfen oder zu zerstören. Doch ich atmete tief durch um nicht meine ganze Einrichtung kaputt zu machen.
"Wir müssen einen Kompromiss mit Tore aushandeln.", sagte ich, weswegen die Anderen mich fragend ansahen. "Wir treffen uns mit ihm unzwar da wo er Kian gefangen hält. Er muss ihn mir mit eigenen Augen zeigen. Ich gaukel ihm vor, dass ich ihm nicht glaube."
"Und dann?", fragte Jake.
"Fuck! Keine Ahnung!"
"Ist okay, Bro.", meinte Car. "Es ist mehr als eine scheiß Situation. Und du bist im Moment nicht in der Lage klar zu denken."
Ich wollte auch ihn anschreien, was ihm einfällt mich so infrage zu stellen, doch wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, hat er schon Recht.
"Wir kommen auf deinen Plan zurück, wenn wir wirklich keinen anderen Ausweg mehr haben.", sprach er weiter. "Aber lass uns zuerst weiter recherchieren. Vielleicht finden wir einen weniger riskanten Weg. Gib uns Anweisungen. Das ist okay, aber lass uns diese Sache mitentscheiden und dich infrage stellen. Du handelst zu unüberlegt."
Ich nickte nur und ließ mich auf den Küchenstuhl fallen. "Du hast Recht. Aber wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren. Wer weiß, was dieser Dreckskerl mit Kian macht."
"Verstanden.", sagte Luka. "Gib uns noch zwei Tage. Wenn wir dann nichts herausfinden, machen wir es auf deine Weise."
"Wir haben keine zwei Tage!"
"Die brauchen wir aber.", gab Car wider. "Morgen setzen wir uns dran und sprechen über deinen Plan um diesen in der Hinterhand zu haben. Und wenn wir in zwei Tagen nichts finden, setzen wir uns mit Taro in Verbindung."
Mehr oder weniger zustimmend nickte ich den Beiden zu. "Geht in den Feierabend."
Sie verabschiedeten sich von Jake und mir. "Du auch."
Jake stand auf und legte eine Hand auf meine Schulter. "Ich bin für dich da, Bro."

Dangerous PassionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt