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Heute ist es soweit! Endlich kann ich das Krankenhaus verlassen. Schnell laufe ich zum Ausgang des Gebäudes.

Freiheit! Jedenfalls darf ich mich endlich wieder bewegen, so wie es mir beliebt! Vielleicht wartet draußen Rafael auf mich. In den letzten Tagen ist er sowas wie mein letzter Lichtblick in meinem trostlosen Leben geworden. Ich öffne die Türen und trete ins Freie. In alle Himmelsrichtungen schaue ich mich nach ihm um, doch er ist nirgends zu sehen. Deprimiert senke ich meinen Kopf. Hat er mir gestern nicht versprochen, hier zu sein? Ich habe ihm geglaubt. Da siehst du mal wieder, dass man niemandem trauen kann.

In traurigen Gedanken vertieft, laufe ich los. Setze langsam einen Fuß vor den anderen. "Jimin", ruft jemand. "Hey, Jimin, warte!" Die Stimme kommt mir bekannt vor. Jungkook! Er ist doch gekommen!

Meine negativen Gedanken von vorhin vergessend, drehe ich mich mit freudig klopfendem Herzen um. Schnell laufe ich auf ihn zu und werfe mich in seine Arme. Du hast mich doch nicht vergessen. "Ich habe es dir doch versprochen." Oh, scheinbar habe ich laut gedacht. "So, dann wollen wir mal. Ich fahre dich nach Hause", sagt er.

Erleichtert, nicht den ganzen Weg zu Fuß gehen zu müssen, nicke ich ihm leicht lächelnd zu. Gemeinsam laufen wir zu seinem Auto, das im Parkhaus steht. Es ist ein schwarzer Mercedes Benz. Mir wird von ihm die Beifahrertür geöffnet und lässt mich einsteigen.

Ein angenehmer Duft strömt mir entgegen. Im Auto riecht es dezent nach Apfel. Sobald ich im Auto sitze, schnalle ich mich an und warte darauf, dass Jungkook einsteigt. Er startet das Auto und fährt los.

"In welcher Straße wohnst du?" frägt er. "In der Sevenstreet 37." Die Fahrt verläuft ruhig, und ich lausche der Musik. Die Fahrt vergeht zu schnell. Viel zu schnell. Angekommen, parkt er vor unserem Haus. Ich steige aus und bedanke mich freundlich bei ihm. "Keine Ursache, wenn was ist, ruf mich einfach an. Wir sehen uns später", sagt er und fährt direkt wieder los.

"Moment mal", versuche ich ihn aufzuhalten, aber das hört er nicht mehr. "Ich habe doch gar nicht deine Nummer", murmele ich im Anschluss.

Ich drehe mich um, gehe zur Haustür und betätige die Klingel. Wieder stehe ich hier. Was mich wohl erwartet? Huch? Keiner da? Ich klingele nochmal, warte einen Moment, aber es macht mir keiner auf. Vielleicht ist die Terrassentür offen? Schnell laufe ich um das Haus herum, in den Garten, und tatsächlich! Die Tür ist geöffnet. Eilig betrete ich durch die Terrassentür das Haus und gehe direkt ins Wohnzimmer.

Auf der Couch liegt mein Vater und schläft tief und fest. Vor ihm auf dem Tisch stehen mehrere Wodkaflaschen. Kein Wunder, dass er nichts gehört hat, wenn er sich die Kante gegeben hat! Verachtend schnalze ich mit der Zunge und gehe in mein Zimmer. Aus dem Kleiderschrank nehme ich frische Kleidung heraus. Danach gehe ich ins Bad, um zu duschen.

Frisch geduscht kehre ich in die Küche zurück und schiebe mir eine Pizza in den Ofen. So... noch 15 Minuten warten, dann ist sie fertig. In der Zeit setze ich mich auf einen Stuhl, der sinnlos in der Küche steht. Gelangweilt beobachte ich die digitale Stoppuhr, wie sie die Zahlen herunterzählt. Aus dem Wohnzimmer nebenan vernimme ich lautes Schnarchen.

Noch 1 Minute. Dann ist die Pizza fertig! Freudig springe ich auf und nehme schon mal einen großen Teller aus dem Küchenschrank heraus.3... 2... 1... Biep... Biep... Schnell mache ich die Alarmanlage des Ofens aus. Hoffentlich hat der Alarm meinen Vater nicht geweckt. Still lausche ich, ob ich irgendwelche Geräusche höre, bzw. ob er noch schnarcht. Und tatsächlich! Er schnarcht noch. Was für ein Glück! Denn ich möchte nicht wissen, was mein Vater gemacht hätte, wenn er wach gewesen wäre. Mit mir schimpfen?
Nach mehr Alkoholflaschen suchen und, wenn er nichts findet, mir die Schuld geben? Oder die dritte Variante, die mir von den dreien am liebsten ist, mich ignorieren.

Ich wünschte, er würde mit dem Saufen aufhören und wieder wie früher werden, als meine Mutter noch gelebt hatte. Seit ihrem tragischen Tod, es war ein Autounfall, greift er immer und immer wieder nach Alkohol. Sein Charakter hat sich dadurch komplett verändert. Und das zum Negativen.

Schnell nehme ich die Pizza heraus, lege sie auf den Teller und schneide sie mit einer Schere in vier Hälften. Mit dem Teller in der Hand schleiche ich mich in mein Zimmer, setze mich auf mein Bett und schalte mit der Fernbedienung den Fernseher an. Den restlichen Tag verbringe ich mit einem Serienmarathon. Gegen 22 Uhr schalte ich den Fernseher aus, ziehe mir fix meinen Schlafanzug an und lege mich schlafen.Jedoch kann ich nicht so schnell einschlafen. Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um den morgigen Tag, und ich male mir geistig aus, was alles passieren könnte. Bilder erscheinen, wie zum Beispiel: Ich stehe mitten auf dem Schulhof. Um mich herum stehen im Kreis viele Schüler. Sie schubsen, bespucken und beleidigen mich auf übelste Weise. Und keiner hilft mir. Tränen treten in meine Augen. Doch dann erscheint mir Jungkook vor dem geistigen Auge. Wie er die Hand zu mir ausstreckt und sagt: "Ich bin für dich da. Vertraue mir. Denn ich biep, biep, biep...Biep?"

Was zur Hölle?! Verwirrt öffne ich meine Augen. Desorientiert schaue ich mich um. Dann macht es Klick. Das Piepen kommt von meinem Wecker. Na toll, es ist schon 7 Uhr. Was? Schon so früh? Ich muss wohl eingeschlafen sein. "Ich möchte nicht aufstehen und auch nicht zur Schule", grummel ich in Gedanken. Doch ich muss! Lustlos stehe ich auf und mache mich für den Schultag fertig. Gerade als ich aus dem Haus gehen will, kommt mein Vater aus dem Wohnzimmer getorkelt. Seine Alkoholfahne rieche ich schon von weitem.

"Du bist ja wieder hier. Wo ist das Bier?" Mit diesen Worten begrüßt er mich. Toller Vater! Er interessiert sich nur für sein Bier und sieht noch nicht einmal, dass ich die letzten Tage im Krankenhaus war. Im Moment durchwühlt er den Kühlschrank auf der Suche nach Alkohol. Schnell verlasse ich die Wohnung, um mir das nicht länger ansehen zu müssen. Mein Vater öffnet hinter mir die Tür und schreit mir hinterher: "Vergiss nach der Schule nicht, mir eine Flasche Vodka zu kaufen!"Dass ich noch minderjährig bin, scheint er vergessen zu haben. Und dass ich für ihn erst recht keinen Alkohol kaufe, geschweige denn klaue, ist unter meiner Würde. Das würde nur seinen Alkoholkonsum unterstützen. Never! In Gedanken vertieft übersehe ich die für Fußgänger rote Ampel.

Plötzlich schreit eine Frau. Hmm? Warum schreit sie? Dann höre ich ein Auto hupen und Autoreifen quietschen. Starr vor Schreck sehe ich nun, dass ich mitten auf der Straße stehe, und sehe nur noch gelbe Autolichter auf mich zukommen. Das letzte, was ich denke, ist nur noch "Shit" und ich schließe die Augen.

Soul Eater - JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt