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Unsicher auf dem Pausenhof. Der Gong, der uns Schülern ankündigen soll, dass wir uns in das Gebäude begeben sollen, ist schon vor zwei Minuten erklungen.

Immer wieder hadere ich mit mir selbst, ob ich das Gebäude betreten oder lieber doch schwänzen soll. Will ich mich wirklich dem Schulstress und den Attacken meiner Mobber aussetzen?

Gestern haben sie mich größtenteils in Ruhe gelassen, schienen wie paralysiert. Doch traue ich ihnen dennoch nicht über den Weg. Was sie wohl in der Unterwelt zu sehen bekommen haben? "Ich bin sicher, dass Minho und seine Gang, sobald sie den Schock erst einmal überwunden haben, mir die Schuld dafür geben und die Warnung der Wächter mit Füßen treten werden", murmele ich leise vor mir her.

"Wenn sie das machen, werden wir mit ihren Seelen Pingpong spielen, bevor sie bestraft und gegebenenfalls vernichtet werden," ertönt eine tiefe Stimme hinter mir, und ich zucke erschrocken zusammen. Mit Schwung drehe ich mich zu der Person um, die gesprochen hat.

"Was?", stammle ich verwirrt und überrascht zugleich.

Mit der Person vor mir habe ich gar nicht gerechnet, geschweige denn damit, dass er samt Schulmonitor hier auftaucht.

"Was machst du hier?", frage ich schließlich und versuche, die Überraschung aus meiner Stimme zu entfernen.

"Ich werde erstmal mit dir zur Schule gehen." Die Person grinst, legt einen Arm um meine Schultern und dirigiert mich Richtung Eingang.

Verwirrt sehe ich den Dämon neben mir an, der ein kastenförmiges Lächeln zeigt.
"Warum?" frage ich skeptisch. "Seit wann müssen Dämonen zur Schule gehen?"

"Müssen wir nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass du ein bisschen Unterstützung gebrauchen könntest."

"Warum du und nicht Jungkook?" frage ich skeptisch.

"Autsch." Gespielt verletzt legt er eine Hand auf seine Brust, genau über dem Herzen, und schniefte dramatisch auf. "Das tat weh. Als ob ich nicht genauso gut wäre."

Schnell hebe ich meine Hände und schüttle überfordert den Kopf. "Nein, nein... so war das doch nicht gemeint. Ich dachte nur, du kannst mich nicht leiden..."

Taehyung lacht leise und senkt seine Hand von der Brust. "Ach, ich verstehe schon," sagt er mit einem nachsichtigen Grinsen. "Aber da irrst du dich. Es gibt viele Dinge, die ich nicht leiden kann. Zum Beispiel... wenn jemand arrogant ist und sich für etwas Besseres hält." Er verzieht kurz das Gesicht. "Oder wenn Leute nicht ehrlich sind und ständig hinter dem Rücken anderer reden. Oder wenn jemand beim Essen schmatzt." Er schüttelt leicht den Kopf, als würde allein der Gedanke ihn ärgern.

"Aber du? Du bist definitiv nicht auf dieser Liste."

"Also hasst du mich nicht?" frage ich sicherheitshalber nochmal nach, um ganz sicher zu gehen.

"Nein, ich hasse dich nicht," erklärt er mir deutlich und mit Nachdruck in der Stimme. Ich fühle mich sofort viel besser in seiner Gegenwart.

"Außerdem wollte ich schon immer mal wissen wie es ist zur Schule zu gehen", gesteht er. "Ach ja, übrigens: Jungkook holt dich nach der Schule ab. Er muss gerade arbeiten, aber später wechseln wir uns ab.“

Ich nicke. Innerlich freue ich mich darauf, nach Schulschluss Jungkook wiederzusehen. In Gedanken male ich mir aus, wie ich ihm in die Arme falle und er mich beschützerisch mit seinen Armen umschließt, bevor er mir hauchzart einen kleinen Kuss auf die Stirn gibt.

"Na dann, neuer bester Freund, lass den Spaß beginnen!“ Taehyungs Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

Überfordert von seiner positiven Energie am frühen Morgen betreten wir die Schule. Die Flure sind menschenleer. Ein Blick auf meine Handyuhr verrät mir, dass der Unterricht schon vor 10 Minuten begonnen hat.

Wir schleichen leise durch die stillen Flure, wobei meine Schritte auf dem Boden fast zu laut wirken. Taehyung scheint das Ganze weniger zu beeindrucken. Er grinst nur und sieht sich neugierig um, als wäre das hier ein Abenteuer.

Wahrscheinlich ist es auch eins für ihn...

"Zu welchen Raum musst du eigentlich? Musst du nicht noch zuvor zum Sekretariat? Ich kann dich gerne bringen." Und somit auch dem Unterricht entkommen.

"Nicht nötig, ich weiß genau, wo ich hinmuss.“ Taehyung zwinkert mir zu, seine Augen voller Schalk. "Aber danke für das Angebot.“

Ich sehe ihn skeptisch an. „Bist du sicher? Ich meine, wenn du hier neu bist, ist es manchmal nicht so einfach, den richtigen Raum zu finden…“

"Und wo musst du hin?"

"Ich bin in der selben Klasse wie du."

Überrascht blinzele ich zu ihm auf. "Echt?“

Irgendwie freut mich diese Nachricht. Dann muss ich nicht mehr alleine im Unterricht sitzen oder Gruppenarbeiten alleine erledigen, weil mich sonst niemand dabei haben möchte. Vielleicht wird die Schule mit einem Freund an meiner Seite besser – besser aushaltbar. Ein erwartungsvoll fröhliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

Taehyung klopft an die Tür und öffnet sie. Oh! Ich habe gar nicht bemerkt, dass wir schon beim Klassenzimmer angekommen sind.

Kaum haben wir den Raum betreten, spüren wir sofort die Blicke der Schüler und der Lehrerin auf uns gerichtet. Das plötzliche Schweigen und die neugierigen Augen lassen ein unangenehmes Gefühl in mir aufsteigen. Unwillkürlich versuche ich, mich kleiner zu machen, während Taehyung mit einer Mischung aus Gelassenheit und einem Hauch von Unverfrorenheit in die Runde lächelt.

Er scheint sich von der Aufmerksamkeit nicht im Geringsten stören zu lassen, im Gegensatz zu mir. Mein Magen zieht sich leicht zusammen, als die Lehrerin uns mustert und mir dann mit einem kühlen Nicken zu verstehen gibt, dass ich mich setzen soll. Zu Taehyung sagt sie: "Du bist der angekündigte neue Schüler?“

Der Angesprochene bestätigt ihre Frage mit einem höflichen Nicken.

"Auch wenn du neu bist, lege ich Wert auf Pünktlichkeit,“ sagt sie mit einem Seufzen. "Na ja, stell dich der Klasse vor und such dir dann einen freien Platz aus.“

Taehyung tritt einen Schritt nach vorne und winkt kurz in die Runde. "Hallo zusammen, ich bin Taehyung. Ich freue mich, hier zu sein und hoffe, dass wir eine gute Zeit zusammen haben werden.“

"Gut, Taehyung. Willkommen in unserer Klasse,“ sagt die Lehrerin mit einem etwas milderen Ausdruck.
"Setz dich bitte hin, und wir machen dann mit dem Unterricht weiter.“

Taehyung wirft einen schnellen Blick durch den Raum, bevor er sich entschließt, den freien Platz neben mir zu nehmen.

Kurz bevor er sich zu mir setzt, spricht Minho eine Warnung aus – eine dämliche Warnung.

"Pass auf, mit wem du dich abgibst. Mit ihm wird dein Ansehen hier nur sinken.“

Taehyung schnalzt missbilligend mit der Zunge. "Ich bin hier bei meinem Chimmie in bester Gesellschaft!“

Soul Eater - JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt