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Der Bildschirm ist erst schwarz. Mit großen Augen beobachte ich, wie das Video anfängt abzuspielen. "Nein!", schreie ich innerlich. Ich will nicht, dass andere das Video sehen, aus zwei Gründen.

Grund Nummer eins ist: Ich finde es erschreckend, wie wenig ihm ein Leben, mein Leben, wert ist, und dass er bereit ist, ein Mordversuchvideo öffentlich zu teilen und es sogar noch gut zu finden. Dieser Typ brauch definitiv einen Psychiater! Zudem fürchte ich die potenziellen Auswirkungen, die das Teilen dieses Videos haben könnte, sowohl auf mich als Opfer als auch auf andere Menschen, die möglicherweise ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es könnte zu einer Reviktimisierung führen oder sogar weitere Gewalttaten inspirieren.

Und Grund Nummer zwei ist: Ich möchte nicht, dass andere von der Existenz der Dämonen erfahren, auch wenn sie denken, dass es Geister seien, weil man sie auf Video nicht sehen kann. Es könnte Panik und Angst auslösen und Menschen dazu verleiten, sich mit gefährlichen oder unverantwortlichen Methoden mit dem Übernatürlichen auseinanderzusetzen.

Andererseits denken vielleicht viele, dass dieses Video gefälscht wurde. An diese Hoffnung halte ich fest.

Auf dem Video kann ich das Dach sehen. "Kevin!", ruft der Lehrer dazwischen. "Das ist nicht die Präsentation!"

"Herr Müller, warten Sie ab. Es wird jetzt erst spannend. Die Präsentation zeige ich direkt danach. Sie werden..."

"Was zum Teufel!", schreit Herr Müller entsetzt, und alle, wirklich alle, starren auf die Leinwand.

Das anfängliche Video wird schwarz, und kurz darauf ist ein Totenkopf mit einer Rose im Mund zu sehen. Aus dem Computer ertönt eine verzerrte Stimme, die dreimal "Ha Ha Ha" sagt, während der Totenkopf einem zuzwinkert. Dann sind nur noch gruselige Geräusche aus dem Monitor zu hören.

Panik breitet sich im Klassenzimmer aus, als sie erkennen, dass Kevin statt das Video ein Virus auf dem Computer geladen hat. Herr Müller ist in Rekordzeit am Computer, hämmert auf die Tasten und versucht verzweifelt, seinen Computer noch irgendwie zu retten. Doch es ist zu spät. Resigniert beobachtet er den Untergang seines Computers und zieht schließlich den Stecker. Der Bildschirm wird schwarz.

Die Stille ist förmlich greifbar im Klassenzimmer. Herr Müller ringt um Fassung, während Kevin noch immer starr die Leinwand anstarrt, sein ganzer Körper angespannt. Langsam wendet er sich unserem Biologielehrer zu. "E-es tut mir leid, das war so nicht geplant", entschuldigt er sich, und seine Stimme überschlägt sich fast vor Angst. Kevin fürchtet Her Müllers Reaktion, zeigt jedoch keine Reue wegen des Viruses.

Auch wenn das eine beschissene Situation für Herr Müller ist, kommt mir das ganz gelegen und jubele innerlich. Somit kann das Video zum Glück nicht mehr verbreitet werden.

"Wenn ich kein Lehrer wäre, würde ich dir den Laptop um die Ohren hauen!", wird Kevin angeschrien, und ich finde es spannend zu sehen, wie Kevin immer kleiner wird. Währenddessen bricht Tumult im Klassenzimmer aus, und alle reden miteinander über das gerade Erlebte. Einige unter ihnen fragen sich eher, was mit Minho und den anderen beiden los ist, und scheinen ehrlich besorgt zu sein.

Traurig ballen sich meine Hände unter dem Tisch. Es ist frustrierend zu sehen, dass alle um sie besorgt sind, aber, wenn jemand gemobbt wird, demjenigen oft nicht geholfen wird...wie in meinem Fall.

Aber ich muss diese schreckliche Schule nicht mehr lange aushalten. Dann werde ich die Schüler, besonders meine Mobber, nie mehr wiedersehen müssen. Noch zwei Wochen bis zu meinem Geburtstag und meiner Wandlung. Ich hoffe, dass ich danach nicht mehr hierher zurückkehren muss und bei Jungkook bleiben kann. Er hat sich erstaunlich schnell in mein Herz geschlichen.

Ich bekomme mit, wie Kevin zum Direktor geschickt wird, und er mich beim Verlassen des Raumes vernichtend ansieht.

Der restliche Schultag bis 15 Uhr vergeht ausnahmsweise mal ruhig. Keiner versucht, mir den Tag auf irgendeine Art und Weise zu verderben. Den ganzen Tag hänge ich mit meinen Gedanken bei Jungkook.

Was mag er wohl gerade machen? Ist das Problem, weshalb er gestern so schnell aufbrechen musste, behoben? Denkt er auch an mich? Ich grüble über so vieles nach. Wenn ich an ihn denke, fühle ich mich glücklich und verspüre eine Sehnsucht nach seiner Nähe. Während ich meinen Gedanken nachhänge, stelle ich fest: Ich mag ihn wirklich!

Schnell verlasse ich das Schulgebäude und hoffe darauf, von ihm abgeholt zu werden. Auf dem Schulhof blicke ich mich um und entdecke ihn am Schulrand an einem Zaun angelehnt. Um ihn herum stehen vereinzelt ein paar Mädchen, die ihn mit schmachtenden Blicken ansehen.

Die Mädchen ignoriert er gekonnt, und ich eile zu ihm. Als sich unsere Blicke treffen, breitet sich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht aus, das ich automatisch erwidere.

"Hey", begrüße ich ihn und bemerke, wie einige Mädchen mich ungläubig und mit arroganten Blicken betrachten, weshalb auch immer...
Ich versuche, sie zu ignorieren, und konzentriere mich nun voll und ganz auf meinen Gegenüber.

"Hallo", erwidert er mit einem sanften Lächeln. "Ist alles okay bei dir?"
Ich nicke. "Ja, alles gut. Ich habe den Tag einfach nur damit verbracht, an dich zu denken."

Seine Augen funkeln leicht, und er legt sanft eine Hand auf meine Schulter. "Ich habe auch an dich gedacht, die ganze Zeit."

Ein glückliches Gefühl durchströmt mich und ich senke verlegen meinen Kopf.

Er legt behutsam seine Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf leicht an. Unsere Augen treffen sich erneut. In ihnen kann ich, wenn ich mich nicht täusche, Zuneigung lesen. Doch warum?

"Versteck dein schönes Gesicht nicht vor mir", sagt er sanft.

Ich reiße meine Augen weit auf vor Unglauben und bin nicht sicher, ob er das wirklich gesagt hat. "Du findest mich schön?"

Ein sanfter Windhauch streicht über mein Gesicht und wirbelt eine zarte Strähne vor meine Augen.

"Ja, ich finde dich wunderschön", haucht er leise, seine Augen voller aufrichtiger Bewunderung. Dabei schiebt er liebevoll die Strähne hinter mein Ohr.

Mein Herz schlägt schneller und ich verliere mich in seinen wunderschönen Augen, die mich tief in seinen Bann ziehen. Die Welt um uns herum scheint zu verblassen.

Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, bricht Jungkook den Blickkontakt ab und wendet sich langsam ab.

Ein Gefühl der Verwirrung und Enttäuschung fließt durch meinen Körper. Doch das Gefühl schüttle ich schnell von mir und beginne darüber nachzudenken, was zwischen uns ist. Denn ich kann es nicht leugnen: Irgendwas ist da, das eine starke Anziehungskraft auf mich hat.

"...Kommst du?" Auffordernd sieht er mir erneut in die Augen und reißt mich aus meinen Gedanken, in die ich wieder drohte abzudriften.

"Wohin?" frage ich, als ich bemerke, dass ich nicht aufgepasst habe.

Er lacht kurz. "Du hast mir scheinbar nicht zugehört, Kleiner." Seine Miene wird ernst. "Wir hatten doch vor, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten."

Ich nicke zustimmend. "Stimmt! Aber ob das ohne Beweise klappen wird, ist die andere Frage", teile ich ihm sofort meine Bedenken mit. "Dennoch müssen wir diesen Vorfall melden."

Soul Eater - JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt