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Mit einem bedrückenden und enttäuschenden Gefühl verlassen wir das Polizeirevier. Ich habe es geahnt! Sie werden uns nicht helfen. Neben mir ertönt ein klirrendes Geräusch. Jungkook hat vor Wut eine leere Dose weggetreten und rauft sich nun die Haare. "Das kann doch nicht wahr sein! Sowas nennt sich Polizist? Man macht eine ernsthafte Anschuldigung und sobald man den Namen sagt, ziehen sie ängstlich den Schwanz ein!"

Beruhigend lege ich ihm meine Hand auf die Schulter und schüttle den Kopf. "Das bringt alles nichts", sage ich leise, bemüht, meine Enttäuschung zu verbergen. "Sie werden nichts gegen ihn unternehmen. Sein Vater hat leider zu viel Einfluss. Selbst mit Beweisen würden sie diese nur vernichten. Da hätte das Video auch nichts gebracht."

Geschockt weiten sich seine Augen, und die Farbe weicht aus seinem Gesicht. "Welches Video?"

"Kevin, einer der Mobber, der am Ende nicht bei der Tat auf dem Dach war, soll angeblich ins Direktorat eingebrochen sein, um die Videos, das Beweismaterial, zu löschen. Bevor er sie am Computer gelöscht hat, hat er sie auf einem USB-Stick kopiert", erkläre ich ihm und beobachte verwirrt, wie seine Augen noch größer werden.

"Und wo ist der USB-STICK jetzt?"

"Den hat jetzt Herr Müller."

"Herr Müller? Einer deiner Lehrer?", fragt er irritiert, was ich ihm nickend bestätige. "Wir müssen mit ihm sprechen! Wir brauchen den Stick dringend!"

Unter meiner Hand spüre ich, wie sich sein Körper anspannt. Seine Muskeln verhärten sich, als würde er sich auf einen Kampf vorbereiten.

"Das Video auf dem Stick wird nicht mehr als Beweismittel fungieren können. Ein Virus hat es gelöscht."

Ich beobachte, wie die Anspannung von ihm abfällt, und sein Körper entspannt sich merklich. "Das ist gut."

"Wieso?" frage ich verwirrt und denke an Kevins seltsame Worte. "Hatte Kevin doch recht mit seiner Aussage? Stimmt es etwa, dass man Dämonen nicht auf Kamera sehen kann?"

Schnell dreht sich Jungkook zu mir um und legt seinen Zeigefinger sanft auf meine Lippen. "Psst, nicht so laut," flüstert er eindringlich. Dann greift er nach meiner Hand und zieht mich hinter sich her, weg vom belebten Bereich des Polizeireviers, wo kaum jemand steht.

Wir gehen einige Schritte, bis wir an einer ruhigeren Stelle stehen, abseits der neugierigen Blicke. Jungkook sieht sich noch einmal um, um sicherzustellen, dass uns niemand hört, bevor er spricht. "Die Info darf nicht an die Öffentlichkeit geraten, dass Dämonen existieren! Und bist du sicher, dass dieser Kevin das Video nicht anderswo gespeichert hat?"

"Also hatte er recht?", wiederhole ich meine Frage erneut, mit einer gewissen Neugier. Mein Gegenüber nickt, und einige seiner Ponysträhnen fallen ihm in die Stirn und über die Augen. Automatisch hebe ich meine Hand, um sie ihm zurückzustreichen, doch auf halbem Weg stoppe ich und ziehe sie wieder zurück.

"Ja, er hatte recht," bestätigt Jungkook leise, seine Augen fixiert auf den Boden. "Normalerweise kann man Dämonen nicht auf Kamera aufnehmen. Man sieht sie schlicht und ergreifend nicht darauf."

"Ich verstehe es nicht ganz," sage ich verwirrt und runzle die Stirn. "Was ist, wenn jemand jetzt ein Video mit einer Kamera von uns aufnimmt? Wäre das dann nicht für denjenigen unheimlich? Die Person kann dich zwar sehen, aber kann kein Video oder Foto von dir machen, weil du nicht darauf zu sehen bist. Am Ende denken sie noch, sie wären verrückt ..." Ich pausiere kurz, bevor ich meine Überlegung fortsetze: "Müsstet ihr in diesem Fall nicht schon längst aufgeflogen sein? Ich meine, heutzutage wird doch fast alles hier in Korea überwacht."

Jungkook blickt auf und schmunzelt. "Normalerweise können die Sterblichen uns nicht sehen. Wir sind für ihr Auge unsichtbar, es sei denn, wir wollen uns ihnen zeigen," erklärt er und denkt am Ende laut: "Und ich habe mich schon etwas zu oft gezeigt und in ihre Handlungen eingegriffen. Ich hoffe, dass das keine Konsequenzen nach sich zieht."

"Handlungen eingegriffen?"

"Ja, um dir zu helfen." Bei diesen Worten erinnere ich mich und verstehe direkt was er meint. Der Aufenthalt im Krankenhaus, das Beschützen vor meinen Mobbern, mein Suizidversuch. Auch wenn ich ihm dankbar bin, fühle ich mich schuldig ihm gegenüber.

"Danke, dass du für mich da bist, aber warum machst du das für mich, wenn du dafür Konsequenzen haben kannst?"

"Weil du mir wichtig bist." Jungkook schaut mir in die Augen, seine Stimme ist ernst und aufrichtig. "Ich konnte nicht einfach zusehen, wie du leidest. Dein Leben ist mir wichtig, und ich würde alles tun, um dich zu beschützen."

Meine Augen füllen sich mit Tränen. ,,Ich bin dir wichtig? Warum?"

Sanft streicht er mir die Tränen von den Wangen, während er antwortet: "Ich spüre eine tiefgründige Verbindung zu dir. Es ist, als wenn unsere Seelen zusammengehören. Außerdem ist deine Seele rein und gutherzig, und du verdienst jemanden, der für dich da ist. Ich möchte so jemand für dich sein.“

Mit großen, wässrigen Augen blicke ich den Größeren an und werde von ihm kommentarlos in seine Arme gezogen. Seine Umarmung ist warm und tröstlich, und ich lasse mich einfach in dem Moment versinken. Mehr Tränen fließen meine Wange hinab, doch es sind keine Tränen der Trauer, sondern des Glücks und der Erleichterung.

Nachdem ich mich beruhigt habe, löse ich mich sanft aus der Umarmung und lächle ihn sanft an. "Danke, dass du für mich da bist." Ich bemerke die nasse Stelle auf seinem T-Shirt, die ich durch meine Tränen hinterlassen habe, und ziehe eine entschuldigende Miene.

Jungkook lächelt warm und winkt ab. "Mach dir keine Sorgen. Es ist nur ein T-Shirt. Für deine Tränen brauchst du dich nicht zu schämen. Sie sind ein Ausdruck deiner Gefühle."

"Trotzdem", sage ich leise, "ich wollte nicht, dass du wegen mir dein T-Shirt ruinierst."

Er winkt erneut ab und grinst leicht. "Mach dir darum keinen Kopf, und die Sonne wird die Stelle schnell trocknen."
Verlegen schaue ich mit einem kribbelnden und warmen Gefühl im Magen zur Seite.

"Aber eine Frage habe ich noch."

"Ja?"

"Wenn die Menschen euch nicht sehen können, es sei denn, ihr wollt es, und ihr euch an einem beliebigen Ort hin teleportieren könnt..." Ich denke zurück, als Jin und Namjoon auf dem Dach erschienen sind oder an dem Moment, als Jungkook mich für die Haustür teleportiert hat und Taehyung ebenfalls dort aufgetaucht ist. "Wieso besitzt du dann ein Auto?"

"Das ist eine gute Frage.“ Jungkook wirkt nachdenklich. "Ich denke, es ist praktisch. Beispielsweise, wenn du dich teleportieren möchtest, musst du den Ort kennen, an den du dich bewegen willst. An Orten, die du nicht kennst, ist es schwieriger, und da ist ein Auto hilfreich.“

"Verstehe", murmele ich.

"Okay, schluss jetzt mit dem Thema, hast du Lust, mit mir eine Runde durch den Park zu spazieren?", fragt er und hält mir auffordernd seine Hand hin.

"Was ist mit Kevin und dem Video?", hake ich zögerlich nach und betrachte die mir angebotene Hand.

Der Größere seufzt: "Mach dir darum keinen Kopf. Ich werde mich darum kümmern."

Ich lege vorsichtig meine Hand in seine, und sofort verschränken wir unsere Finger ineinander. Das wohlige, kribbelige Gefühl verstärkt sich, und mir wird es im ganzen Körper warm. Automatisch legt sich ein Lächeln auf meine Mundwinkel.

"Du solltest öfters lächeln, das steht dir und lässt dich heller als die Sonne strahlen", bemerkt Jungkook mit einem sanften Blick, der mein Herz schneller schlagen lässt.

Soul Eater - JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt