Kapitel 17

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Als wir aus dem Schädelfeld hinaus auf die Lichtung traten, erblickten wir vor dem Osttor Minho, der in seine Dehnübungen vertieft war. Dann ging er zum Tor und hob etwas auf. Es war der Teil der Stange mit dem Lederhalsband daran. Minho schien dem weiter keine Bedeutung zu schenken und ward ihn einem der anderen Läufer zu, der ihn zurück in den Werkzeugschuppen im Garten brachte.
Thomas drehte sich verständnislos zu Newt um. Wie konnte Minho so tun, als wäre nichts gewesen? In Thomas Blick erkannte ich, dass er noch immer Ben klar und deutlich vor sich am Osttor stehen sah. Diese Erinnerung würde sich wohl für immer in sein Gedächtnis eingemeiselt haben.
"Was zum -?"

"Ich habe auch erst drei Verbannung miterlebt, Tommy. Waren alle so abartig wie die gestern Abend. Und jedes verdammte Mal lassen die Griever das Halsband bei uns vor der Tür liegen. Absolut gruselig."

Newts Antwort ließ mich auftutzen. Drei Verbannung, also? Wer waren nochmal die anderen drei gewesen? Hatte James Dashner sie überhaupt einmal erwähnt? Ich versuchte mich an das Buch >Phase Null< zurück zu erinnern, wo er die Anfänge der Lichter im Labyrinth beschrieben hatte. Unteranderem war dort der Tod von dem einen Jungen beschrieben, der versucht hatte die Box als sie herunter gefahren war hinunter zu klettern und dementsprechend in zwei Teile zerstückelt wurde. Seine Überreste fand man nun als Wanmahl auf dem Friedhof. Aber wer war es nochmal gewesen?
George? Nein, dass war nur in der Film Version angedeutet worden, aber hier geschah alles mehr Buch getreu! Was war nochmal mit ihm im Buch geschehen?...
Stephen! ploppte plötzlich der Name in meinen Gedanken auf. Und die Ironie dahinter war ekelerregend! Stephen war der Junge, der in der Box durchteilt wurde und Thomas richtigen Namen tragen durfte. Die Erinnerungen daran, wie der Mitarbeiter Randel von WCKED bzw. ANGST den kleinen 4 Jahre alten Thomas mit Stromschlägen gefoltert hatte, seinen alten Namen aufzugeben und den neuen anzunehmen, tauchten wieder vor meinem inneren Auge auf und brachen mir fast das Herz!
Ich versuchte nicht länger darüber nachzudenken, sondern mich auf die Namen der Verbannten zu kontaktieren. Wie hießen sie noch gleich?
Fieberhaft strengte ich mich an, bis ich mich zumindest daran erinnern konnte das George im Buch der 1. der Lichter gewesen war, die von einen Griever gestochen worden waren, nachdem er mit einem Jungen names Nick, der dafür bekannt war in der Nase zu pobeln, durchs Labyrinth gerannt war. George hatte Nick, seinen besten Freund, daraufhin angegriffen und Alby hatte ihn mit einem improvisierten Speer mit voller Wucht furchtbar den Nacken gestochen, um Nick unter ihm das Leben zu retten.
Zählte das schon als Verbannung?
Wenn ja, macht das also schon mal eine Verbannung...
Wer waren dann aber die anderen zwei noch gleich gewesen? Waren sie überhaupt erwähnt worden? War dieser Nick nach dem Verlust seines besten Freundes nochmal auf jemanden los gegangen und wurde dann daraufhin ebenfalls verbannt? Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern und ich wagte es nicht, genauer nachzufragen.

"Was machen sie bloß mit den Jungen, die sie erwischen?" riss mich Thomas Neugier wieder aus meinen Gedanken heraus. Newt zuckte nur die Achseln, was allerdings nicht sehr überzeugend wirkte. Wahrscheinlich wollte er nicht darüber reden.

"Erzähl mir etwas über die Läufer." wechselte Thomas also das Thema, was Newt zu verwirren schien.

"Die Läufer? Warum?"

"Nur so."

Newt warf ihm einen misstrauischen Blick zu.
"Sind die Besten, die Jungs. Die Allerbesten. Müssen sie auch sein. Alles hängt von ihnen ab."
Er hob einen Kiesel hoch und ließ ihn über die Steinplatten springen. Gedankenverloren sah er ihm hinterher.

"Und warum bist du dann keiner?" fragte Thomas interessiert.
Erschrocken über diese Frage war ich stehen geblieben und fing mein Herz an schneller in meiner Brust zu klopfen. Unbewusst starrte ich augenblicklich auf Newts kaputten Knöchel hinunter. Doch versuchte schnell wieder wegzusehen. Mit einem Ruck blickte Newt zurück zu Thomas. Auch er war stehen geblieben und Thomas folgte nun seinem Beispiel.

"Was ich doch, bis ich mich vor'n paar Monaten am Fuß verletzt habe. Läuft sich nicht mehr so gut seitdem." Geistesabwesend rieb er sich den rechten Fußknöchel, wobei sich sein Gesicht kurz vor Schmerz verzerrte. Aber er machte eher den Eindruck als das es sich weniger um körperliche Schmerzen dabei handelte, sondern eher um die verbundenen Erinnerungen daran.

"Und wie ist das passiert?" fragte Thomas weiter.

"Beim Wegrennen vor den Arschgrievern natürlich, wie sonst? Hätten mich um ein Haar gekriegt." Er machte eine Pause. "Mir wird immer noch ganz mulmig, wenn ich mir vorstelle, dass ich beinahe durch die Verwandlung durchgemusst hätte."

Er lügt!

Kam es mir sofort in den Sinn. Doch ich schwieg. Meine Hedz klopfte so laut, dass ich befürchtete, die anderen beiden würden es hören können und meine Kehle war staubtrocken, sodass ich keinen Ton herausbekam. Ich spürte, wie meine Augen langsam wieder gläsrig wurden und ich konnte nicht fassen, was für ein genialer Lüger und Schauspieler er in Wirklichkeit war. Wieso war mir das zuvor nie wirklich bewusst gewesen und aufgefallen?
Ich fing mich an zu fragen, wie oft er wohl bereits in den Geschichten von James Dashner Lügen erzählt hatte, die nie aufgedeckt worden waren.

"Was ist das überhaupt? Was verwandelt sich denn da? Drehen alle so ab wie Ben und versuchen andere abzumurksen?" hinterfragte Thomas, der endlich seine Chancen auf mehr Infos zu erhalten sah. Ich blieb weiterhin still. Thomas tat alle Arbeit, ich konnte mich entspannt zurücklehnen und ihn für mich alles hinterfragen lassen. Schließlich wusste ich ohnehin bereits alles und noch mehr.

"Bei Ben war's schlimmer als bei den meisten anderen. Aber ich dachte, du wolltest über die Läufer reden." Newts Tonfall warnte ihn die Verwandlung nicht mehr zu erwähnen und damit setzte er sich wieder in Bewegung und wie folgten ihm.

Ich lauschte weiter, wie Thomas und Newt sich über den Job als Läufer unterhielten und der einstige Frischling sich dem blonden Jungen aufdrängte, unbedingt einer von ihnen werden zu wollen. Diese berühmten Zitate, die einer nach dem andere hin und her geworfen wurden, kannte ich bereits in und auswendig und musste mich beherrschen sie nicht still und heimlich nach zu sprechen. Am Ende einigten sie sich darauf, dass Newt Thomas auf die Läuferliste setzten würde, wenn er verspräche brav die Klappe zu halten und damit gab sich Thomas dann grummelnd zufrieden. Schließlich blieb ihm ja keine andere Wahl.

An diesem Morgen war es nicht nur für Thomas, sondern auch für mich die erste wirkliche Begegnung, mit dem berühmten Bratpfanne, auch wenn dies nur von weiten aus geschah. Der Brusche hatte alle Hände voll zu tun, eine Armee ausgehungerter Lichter zu füttern. Er konnte nicht älter als sechzehn, was mich beinahe etwas erschrecken ließ, den sein Schauspieler wirkte durchaus etwas älter als er selbst. So, wie alle Schauspieler aus dem Film eigentlich die wichtigste Charaktere aus der Geschichte verkörperten. Ich bemerkte, wie Thomas Bartpfannes schmutziges auftreten mit einem widerlichen Gesichtsausdruck musterte und ich musste schmunzeln, bei dem Gedanken, dass er sein Essen vermutlich gleich auf schwarze Härchen untersuchen würde.
Ich setzte mich mit den beiden zu Chuck an einen Picknicktisch, der direkt vor der Küche stand.
Unsicher blickte ich über meine Schulter zu Minho hinüber.
Gleich würde er aufbrechen, um nach dem toten Griever zu sehen und Alby würde ihn statt Bens Stelle begleiten. Alby würde anschließend vom vermeintlich toten Griever gestochen werden und daraufhin deinen Verstand verlieren durch die Verwandlung, was unweigerlich zu seinen eigenen Tod führen würde.
Das war einer Seits schlecht und das durfte keinesfalls geschehen, andererseits war es Thomas Eintrittskarte Läufer zu werden und diese Chance durfte ich ihm einfach nicht verbauen!
Ich konnte vielleicht Ben nicht retten, aber Alby würde ich dennoch irgendwie vor seinem Schicksal beschützen, dass schwor ich mir!

Newt bemerkte meinen besorgten Blick und folgte ihm, bis er auf Minho hängen blieb.

"Ist alles in Ordnung?" fragte er mich.
Chuck musterte mich eindringlich und schien zu versuchen die Situation zu analysieren und auszuwerten. Doch noch bevor ich etwas antworten konnte, unterbrach eine strenge Stimme unser Gespräch.

"Dachte ich mir's doch, dass ich dich hier finde."

Bloody inspiredWo Geschichten leben. Entdecke jetzt