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Nach etwa siebzehn Tagen der unerträglichen Qual, die von lähmenden Schmerzen und zermürbender Ungewissheit gezeichnet waren, schien endlich wieder so etwas wie Normalität einzukehren. Ich spürte meinen gesamten Körper wieder, jedes noch so kleine Kribbeln, jeden einzelnen Herzschlag und jeden Windhauch, der wie eine sanfte Liebkosung über meine Haut strich. Die Schmerzen waren verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Endlich war ich kein Pflegefall mehr, kein hilfloses Wesen, das auf die Unterstützung anderer angewiesen war, und konnte mich wieder um mich selbst kümmern.

Die ersten drei Tage waren eine immense Herausforderung. Ich musste mich wieder an das Laufen gewöhnen, als wäre es das erste Mal in meinem Leben. Jeder Schritt war eine Überwindung, doch glücklicherweise kam ich ohne physiotherapeutische Hilfe zurecht. Es tat weh, ja, aber es war eine Art Schmerz, den ich willkommen hieß, denn sie signalisierte mir, dass ich noch am Leben war. Es fühlte sich an, als würden meine Beine beim Gehen jeden Moment einknicken, aber das wars auch schon wieder. Weitere Schäden blieben Gott sei Dank nicht.
Natürlich musste ich mich danach einer ganzen Reihe von Untersuchungen unterziehen, die mein Vater, der hoch angesehene Oberarzt, anordnete. Glücklicherweise war der vermeintliche Spezialist nicht anwesend, was mir eine kleine Atempause verschaffte. Die Ergebnisse konnten deshalb nicht sofort besprochen werden und ich konnte nach den Untersuchungen direkt nach Hause gehen.

Als es Abend wurde, zog ich mich um und aß nur eine Kleinigkeit, denn ich hatte Angst, dass es sofort wieder hochkam. "Und du bist sicher, dass du heute wieder arbeiten willst? Bis vor drei Tagen konntest du dich nicht einmal bewegen", fragte mich Jisung, der in den vergangenen zwei Wochen wortwörtlich bei mir eingezogen war. Seine Besorgnis war deutlich in seiner Stimme zu hören, und ich konnte sehen, wie seine Augen jede meiner Bewegung aufmerksam verfolgten.
In diesem Moment zog ich mir meinen Pullover über den Kopf, denn mir war seitdem unglaublich kalt, obwohl es mitten im Sommer war. Dann sah ich zu meinem mittlerweile schwarzhaarigen Freund. Er hatte sich vor einigen Tagen die Haare selbst gefärbt, während ich ihn belustigt dabei beobachtete. Ich kann mir gut vorstellen, dass er es nur tat, um mich aufzuheitern, denn dabei war wirklich ein pures Chaos entstanden. Aber es stand ihm ungewohnt, aber sehr gut.
"Ich muss endlich etwas anderes sehen als diese Wohnung und ich brauche Bewegung. Ich werde mich auch nicht überanstrengen", versicherte ich ihm und hielt ihm meine Hände hin als Zeichen, dass er sie greifen sollte. "Okay?" Meine Stimme war fest entschlossen und voller neu gewonnener Kraft.

Mit einem tiefen, von Resignation geprägten Seufzer griff er schließlich nach meinen Händen. Seine Finger schmiegten sich zart und doch fest um meine. Langsam und mühsam erhob er sich mit meiner Hilfe von der weichen Couch, auf der er zuvor noch regungslos gesessen hatte. Seine Augen, ehemals so lebendig und strahlend, waren nun von dunklen Ringen umgeben und spiegelten die Erschöpfung wider, die ihn zu übermannen drohte, da er kaum noch Schlaf fand, als ich so krank war, weil er an meiner Seite bleiben wollte.
"Ich werde dich ganz genau beobachten!", mahnte er mich mit strenger, aber besorgter Stimme, die von der Angst vor dem Ungewissen geprägt war. Ein böser Blick huschte über sein Gesicht, doch in seinen Augen konnte ich die Sorge erkennen, die er mir gegenüber empfand. "Und wenn du nur ansatzweise müde aussiehst, wirst du dich, ohne zu murren hinsetzen", fuhr er fort, während er mir mit einem Finger drohend auf die Nase tippte.
Ich konnte nicht anders, als lächelnd zu nicken und seine Sorge mit einem zustimmenden Kopfnicken zu akzeptieren. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg bereit, die letzte Woche der Nachtschicht zu überstehen.

Im Stationszimmer angekommen, fühlte ich mich schon etwas wohler. Endlich sah ich wieder etwas anderes als meine leeren, tristen, weißen Wände, die mich zusätzlich deprimierten und mir das Gefühl gaben, in einem endlosen Tunnel gefangen zu sein. "Wo ist denn Kazuha?", fragte ich und sah mich suchend um, da ich unsere neue Kollegin noch nirgends entdecken konnte. Jisung zuckte nur mit den Schultern und antwortete: "Keine Ahnung, vielleicht ist sie noch nicht da."
Ebenfalls mit einem Achselzucken setzte ich mich an den Tisch und begann, durch die Krankenakten zu blättern, um zu schauen, ob es etwas Neues gab. Dabei stellte ich fest, dass einige der Intensivpatienten uns verlassen hatten und dementsprechend auch neue dazugekommen waren. Ich sah mir an, wer während meiner Schicht als Nächstes gehen würde, und blieb an einem Namen besonders hängen.
Hyunjin.
Er verlässt das Krankenhaus in drei Tagen, nachdem er fast einen Monat hier drinnen war. Ein wenig verwunderte es mich dann doch, dass er tatsächlich hierblieb, obwohl es am Anfang solche Schwierigkeiten gab. Selbst in meiner Abwesenheit fand man nicht seinen Nachnamen oder sein Alter heraus, denn diese Felder waren noch immer offen. Ein wenig musste ich darüber schmunzeln und schloss die Akte wieder.

Ich streckte mich, die Knochen knackten leise in der Stille, bevor ich mich langsam von dem kalten, harten Stuhl erhob. Mein Blick glitt durch den Raum, der nur spärlich von dem Licht der einzelnen Lampe erhellt wurde, und fiel auf Jisung, der dabei war, sich einen Kaffee zu machen. Seine Bewegungen wirkten müde und automatisch, als ob er schon seit Stunden auf den Beinen war. "Lass mich zuerst gehen", sagte ich mit einem Grinsen, das meine Freude hier zu sein, kaum verbergen konnte. "Und bevor du etwas sagst, verspreche ich dir, dass ich mich sofort melde, wenn ich mich auch nur im Geringsten schwach fühle." Ich war so voller Energie, dass es fast schon gruselig war.
Mit zusammengekniffenen Augenbrauen sah Jisung mich an. Seine Müdigkeit schien für einen Moment zu verschwinden. Er musterte mich, als ob er versuchte, hinter meine Fassade zu blicken. Schließlich seufzte er und nickte zustimmend. Glücklich darüber, dass ich ihn überzeugen konnte, begann meine erste Runde in dieser finsteren Nacht.

Als ich schließlich am letzten Zimmer ankam, spürte ich eine seltsame Vorfreude in mir aufsteigen. Es war, als ob ich wüsste, dass etwas Ungewöhnliches auf mich wartete. Mit einem leisen Klopfen, das fast von dem lauten Pochen meines Herzens übertönt wurde, betrat ich den Raum.
Das sanfte Licht der Nachttischlampe tauchte den Raum in ein gedämpftes, fast schon unheimliches Licht, das lange Schatten an die Wände warf. Hyunjin saß mit dem Rücken zu mir gewandt da, sein Kopf lag im Nacken, als ob er erschöpft wäre. Offensichtlich hatte er mich noch nicht bemerkt, was mir einen ungestörten Blick auf die Szene vor mir ermöglichte.
Als ich nähertrat, sah ich, wie Kazuha vor ihm kniete und ihn mit Auf- und Ab Bewegungen ihres Kopfes bediente, die mich scharf die Luft einziehen ließen. Dadurch machte ich auf mich aufmerksam und er drehte langsam seinen Kopf in meine Richtung und sah mich durch halb offene Augen an. Kazuha zuckte erschrocken zusammen, doch Hyunjins Hand in ihren Haaren hielt sie davon ab, aufzuspringen, und brachte sie dazu, den Blowjob, den sie ihm gerade gab, nicht zu unterbrechen.

Mit weit aufgerissenen Augen drehte ich mich um und verließ den Raum mit hochrotem Kopf. Mein Herz raste, als ob es aus meiner Brust springen wollte. Ich brauchte einen Moment, um meinen Atem zu beruhigen und mein Herz zu beruhigen, das plötzlich wie wild angefangen hatte zu schlagen. Unsere Kollegin saß einfach vor ihm gekniet und hatte ihm tatsächlich einen geblasen.
Völlig fassungslos starrte ich auf die Tür, aus der ich gerade herausgekommen war. Die Tatsache, dass Hyunjin so ungerührt geblieben war, als wäre es das Normalste der Welt, dass ich ihm bei dieser intimen Handlung zusah, ließ mich erschaudern.
Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen und die Bilder zu verdrängen, die sich in meinem Kopf festgesetzt hatten. Doch es war, als würden sie sich in mein Gedächtnis einbrennen, unerbittlich und unheimlich. Ich spürte, wie meine Hände zitterten und mein Atem flacher wurde.

Mit einem letzten Blick auf die Tür wandte ich mich ab und schritt langsam zu Jisung zurück, der mich sofort mit besorgtem Gesicht musterte, als er meinen verstörten Blick sah. "Geht's dir gut? Du siehst so blass aus, hast du dich überanstrengt?", fragte er mich sofort besorgt und umgriff sanft meine Arme, als fürchtete er, dass ich jeden Moment umkippen könnte.
Ich winkte mit einer schwachen Handbewegung ab und entfernte seine Arme vorsichtig von mir, ehe ich ihm ein mühsames Lächeln schenkte. "Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur etwas gesehen, was ich eigentlich nicht sehen wollte", sagte ich mit zittriger Stimme und ließ mich schwer auf einen Stuhl sinken.
Ji drängte mich mit eindringlichen Blicken, ihm zu erzählen, was geschehen war, und so gab ich mit einem tiefen Seufzen nach und begann zu berichten. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, und genau in diesem Moment, als ich mit dem Erzählen fertig war, betrat besagte Person auch den Raum.

Als Kazuha mich sah, senkte sie beschämt den Blick zu Boden, als würde sie von Schuldgefühlen zerfressen werden. "Also wirklich mit einem Patienten?", warf Jisung sofort fassungslos ein, seine Stimme war vor Empörung bebend. "Du weißt schon, dass wir so etwas nicht dürfen?", fragte er schroff hinterher.
Ihr stieg die Röte noch mehr ins Gesicht und sie versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen, als wolle sie sich vor der Welt verbergen. "Bitte meldet mich nicht! Das war das erste Mal und ich werde es nie wieder tun, versprochen!", flehte sie fast schon verzweifelt, während sie uns abwechselnd mit bittenden Blicken ansah. "Als ob", begann Jisung wieder, seine Stimme triefte vor Sarkasmus. "Das glaube ich dir absolut nicht. Deswegen warst du immer so lange verschwunden, das erklärt so einiges."
Und so begann eine endlose Diskussion zwischen den beiden, in der sie stritten. Kazuha flehte Jisung an, sie nicht zu melden, während er verstärkt darauf beharrte, dass so etwas nicht ginge und unmoralisch wäre. Die Atmosphäre im Raum wurde zunehmend angespannter und düsterer.

Nach einer Weile begannen die Kopfschmerzen, die von dem ständigen Gezanke der beiden Streithähne ausgingen, unerträglich zu werden. Ich konnte einfach nicht mehr zuhören, also ließ ich sie alleine und beschloss, erneut auf eine Kontrollrunde zu gehen, obwohl die Letzte erst kurz zurücklag. Doch alles war mir lieber, als länger in diesem lauten, stickigen Raum zu bleiben, der von der Hitze ihrer Wut erfüllt war.
Schließlich stand ich wieder vor dem letzten Raum des Flurs und seufzte tief. Mit einer Mischung aus Resignation und Entschlossenheit klopfte ich an und betrat den Raum. Dieses Mal fand ich ihn so vor, wie ich es gewöhnlich kannte: Sitzend mit seinem Handy in der Hand, die Augen auf den Bildschirm gerichtet.

Mit langsamen, fast zögerlichen Schritten näherte ich mich ihm und der Mappe auf dem Tisch. Ich konnte seinen Blick auf mich spüren, während ich begann, alles aufzuzeichnen.
"Du bist wieder da", stellte er fest und unterbrach damit die bedrückende Stille. Ich hörte kurz auf zu schreiben, sah ihn an und nickte leicht. "Ja, ich war krank", antwortete ich wahrheitsgemäß. Sein Blick glitt über mein blasses Gesicht, meinen erschöpften Körper hinab, bis er mir wieder in die Augen sah. "Du siehst immer noch krank aus. Du bist dünner geworden", stellte er fest und seine Stimme klang gleichgültig.
Mit einem leichten, müden Lächeln zuckte ich mit den Schultern und sah auf den Stift in meiner Hand. "Ich konnte nicht viel essen, da ich es nicht bei mir behalten konnte. Aber es geht wieder", murmelte ich und schluckte schwer, während ich begann, die restlichen Werte abzuschreiben.

Noch immer konnte ich seinen durchdringenden Blick auf mich spüren, der mich innerlich zittern ließ und meine Nervosität ins Unermessliche steigerte. Es war fast unmöglich, seinen intensiven Augen zu begegnen, nachdem ich das gesehen hatte, was sich vielleicht für immer in mein Gedächtnis einbrennen würde. Schließlich wandte er seinen Blick mit einem gleichgültigen "Ach so" von mir ab und schaute auf sein Handy. Es schien ihn wirklich absolut nicht zu interessieren, dass ich sie erwischt hatte. Dennoch war ich erleichtert, dass er mich nicht mehr so musterte. Stattdessen ließ ich nun meinen Blick über ihn schweifen.
Aus irgendeinem Grund drängten sich Jisungs Worte in mein Bewusstsein, dass ich einfach mal meinen Kopf ausschalten sollte. Der Gedanke, den ich gefasst hatte, als ich vor Schmerzen gepeinigt in meinem Bett lag, kam auch wieder hoch: Ich wollte mich mehr trauen. Mutiger sein. Ich hatte dem Tod ins Auge geblickt und plötzlich kam in mir der Wunsch auf, dass ich nicht als Jungfrau sterben wollte. Jisung schwärmte immer so von den unbeschreiblichen Gefühlen, also wollte ich es selbst erleben.
"Würdest du... eigentlich... auch mit mir schlafen?", fragte ich plötzlich, bevor ich überhaupt zu Ende denken konnte, was ich da tat. Meine Stimme klang fast zerbrechlich in der bedrückenden Stille des Raumes, die nur von den leisen Summen der medizinischen Geräte unterbrochen wurde.

Seine Augen wandten sich langsam von seinem Handy zu mir, und ich konnte einen kurzen Moment der Überraschung in ihnen lesen. Weder er noch ich hatten damit gerechnet, dass ich so etwas jemals fragen würde. Ich war selbst überrascht von mir, weshalb mir auch plötzlich eine Röte ins Gesicht stieg, die meiner noch immer blassen Haut etwas Farbe verlieh.
Ich spürte, wie mein Herz immer schneller schlug und meine Hände feucht wurden. Die Frage war mir peinlich, doch eigentlich stellte ich sie an die richtige Person.
Was würde er antworten?
Er war zwar ein Arschloch, laut eigener Aussage, und irgendwie glaubte ich ihm das auch. Vielleicht war er gerade deshalb die richtige Wahl. Ihn würde vielleicht nur der Sex interessieren, was es für mich im Endeffekt einfacher machen würde, da ich mich an niemanden binden wollte. Doch seine Antwort machte all meine Gedanken sofort zunichte. "Nein", antwortete er und sah auf sein Handy zurück, seine Stimme kalt und distanziert.

Mein Herz pochte schnell in meiner Brust, als ich ihn etwas überrascht von der Antwort ansah. "Wieso?", fragte ich vorsichtig, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Bin ich... zu hässlich?" Meine Frage klang fast verzweifelt, doch es interessierte mich wirklich, weshalb er ablehnte.
Hyunjin schüttelte seinen Kopf, wendete seinen Blick aber nicht von seinem Handy ab. "Überhaupt nicht. Du siehst unglaublich heiß aus. Hätte ich dich in einem Club getroffen, hätte ich dich definitiv angesprochen", sagte er, seine Finger über den Bildschirm tanzten, als wäre unsere Unterhaltung nichts weiter als eine lästige Unterbrechung.
Verunsichert davon, dass es offensichtlich nicht an meinem Aussehen lag, fragte ich dennoch: "Wieso dann nicht?" Obwohl es mir eigentlich egal sein sollte, ob ein Player wie er mit mir schlief oder nicht, nagte diese Ablehnung unerbittlich an meinem Selbstwertgefühl.

Schließlich seufzte Hyunjin und sah mich nun endlich an. Seine dunklen, fast schwarzen Augen bohrten sich in meine. "Weil du auf mich nicht wie jemand wirkst, der nur eine Nacht mit jemandem schlafen könnte", begann er mit einer Stimme, die so ruhig war, dass sie mir einen Schauer über den Rücken jagte. "Außerdem bist du noch Jungfrau, wieso willst du dein erstes Mal an jemanden wie mich verschwenden?"
Er machte eine kurze Pause, in der seine Augen nicht von meinen abließen. "Ich bin ein Arschloch", fuhr er fort, und jedes Wort fühlte sich wie ein Faustschlag an. "Ich steige mit dem- oder derjenigen ins Bett, wenn nur ansatzweise Interesse gezeigt wird, und danach verschwinde ich. Ich habe kein Interesse an irgendwelchen Gefühlen oder Sonstigem, und du wirkst für mich nicht wie jemand, der mit sowas umgehen könnte."
Seine Worte hallten in meinem Kopf wider wie ein Echo in einer dunklen, leeren Höhle. "Außerdem habe ich keine Lust, als Vergewaltiger oder sonstiges dazustehen, weil du es im Nachhinein bereuen wirst und Scheiße erzählst", fuhr er fort, seine Stimme war nun kalt. "Du hast schon fast geheult wegen des Kusses, den ich dir genommen habe, und jetzt willst du, dass ich dich ficke? Vergiss es. Ich bin Vieles, aber sicherlich niemand, der jemanden zum Sex überreden muss."

Ein eiskalter Schauer durchzuckte meinen Körper, als ich den Stift in meiner Hand fest umklammerte. Ich verstand durchaus, was er versucht, mir zu sagen, und normalerweise wäre ich absolut seiner Meinung – zumindest, wenn ich nicht tot krank wäre. Ich hatte wortwörtlich nicht die Zeit, mich Hals über Kopf in jemanden zu verlieben und das Kribbeln der Verliebtheit zu genießen, um mein erstes Mal zu etwas Besonderem zu machen. Es war einfach unrealistisch. "Ich will es aber. Du würdest mich also nicht dazu zwingen", flüsterte ich, den Blick gesenkt, da ich es nicht ertrug, ihn direkt anzusehen, da es mir einfach zu unangenehm war.
Ich hörte, wie er verächtlich schnaubte. "Du kannst mich nicht einmal ansehen, während du das sagst. Also nein, ich werde nicht mit dir schlafen, such dir jemand anderes dafür", erwiderte er scharf, und als ich meinen Kopf hob, war sein Blick bereits wieder auf sein Handy gerichtet, das ihn in ein unheimliches, bläuliches Licht tauchte.

Ich beobachtete ihn eine Weile, wie er von diesem kalten Licht angestrahlt wurde und unverschämt gut aussah. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ohne vollkommen verzweifelt zu klingen oder wie jemand, der dringend Sex brauchte. "Ich habe aber keine Zeit, mir jemand anderes zu suchen", murmelte ich schließlich, und es war die Wahrheit. Eigentlich war er perfekt. Er sah atemberaubend gut aus und war ein Arschloch, das in mir keine falschen Hoffnungen wecken würde. "Felix", begann er plötzlich, seine Stimme ernster als zuvor, und seine Augen trafen meine. "Stehst du überhaupt auf Männer?", fragte er mich plötzlich und ich musste schwer schlucken.
Ich wusste es nicht.
Das war etwas, über was ich mir noch nie Gedanken gemacht hatte, da Sex für mich bisher nie infrage kam. Aber es störte mich auch nie, wenn Jisung von seinen Nächten mit Männern erzählte, weshalb ich einfach davon ausging, dass es mir also letztendlich egal wäre, ob Mann oder Frau. Deshalb zuckte ich mit den Schultern und kratzte mir beschämt am Nacken, während die Dunkelheit des Raumes um mich herum schwerer und bedrückender zu werden schien.

Seine Frage hallte in meinem Kopf wider und hinterließ eine Spur der Unsicherheit in mir. Ich spürte, wie meine Wangen vor Scham brannten. "Ich... ich weiß es nicht", stammelte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Er musterte mich einen Moment lang schweigend. Seine Augen waren so undurchdringlich wie die Nacht. Dann seufzte er und fuhr sich mit der Hand durch seine roten Haare, gefolgt von einem Schnalzen der Zunge. "Hast du dir jemals auf einen Schwulenporno einen runtergeholt? Geschweige denn, dass du davon geil wirst?", fragte er mich völlig unverblümt, und ich spürte, wie mir immer wärmer wurde, als die Röte mir immer weiter in den Kopf stieg.
Verunsichert schüttelte ich den Kopf und sah ihn weiterhin mit meinen großen, ängstlichen Augen an. "Ich... habe noch nie einen... Porno gesehen. Also... ich weiß es nicht", stammelte ich leise, meine Stimme zitterte. Dieses Gespräch war mir unfassbar peinlich. Dabei hatte ich es doch gestartet.
Ein leises Auflachen entkam der Kehle des Rothaarigen, das wie das Knurren eines Raubtieres klang, und er sah mich mit einem amüsierten Grinsen an, das mich noch mehr verunsicherte. "Unfassbar, und du willst trotzdem, dass ausgerechnet ich dich ficke?", fragte er mich. Ich konnte nicht anders, als zu nicken, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich bereit dafür war. Aber ich wollte es. Ich wollte diese Erfahrung machen, auch wenn es bedeutete, dass ich mich in die dunkle, unbekannte Tiefe stürzen musste. "Ja."

Es herrschte einen Moment Stille, indem er mich die ganze Zeit mit seinen dunklen Augen ansah. Dann durchbrach er die Stille erneut. "Dann beweise es mir, dass du es willst. Setz dich auf meinen Schoß und küss mich."

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Fractured Fates ʰʸᵘⁿˡᶦˣWo Geschichten leben. Entdecke jetzt