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Meinen Kopf auf meine Hand gestützt, lag ich seitlich im Bett. Draußen ging langsam die Sonne auf. Feine Strahlen bahnten sich ihren Weg durch die hellen Vorhänge. Sie ermöglichten mir, jedes noch so kleine Detail in Daxtons Gesicht zu betrachten. Die kleinen Falten um seine Lippen. Die Narbe unter seinem rechten Auge. Man erkannte diese nur, wenn man genauer hinsah. Ich fixierte ihn regelrecht. Beobachtete wie in einer Trance gefangen, dass sein Brustkorb sich immer hob, um anschließend wieder zu sinken. Dabei stellte ich mir durchgehend vor, ihm ein Messer an den Hals zu halten. Dünne Haut, die leicht durchstoßen werden könnte. Mit dem richtigen Messer müsste ich nur wenig Kraft aufwenden. Weiche Butter, die wie von selbst unter der Klinge nachgeben würde.

Doch ich würde es nie tun können. Nicht aus Angst vor dem Gefängnis oder seinen Polizei-Freunden, die mich gnadenlos jagen würden. Es ging nicht, weil ich damit nicht leben könnte, jemandes Blut an den Fingern zu haben. Ganz gleich, welch Schmerzen er mir angetan hatte.

Außerdem gab es selbst nach dem Tod kein Entrinnen für mich. Sein Geist würde sich an meine Seele haften. Mich nachts mit gruseligen Geräuschen durchs Haus jagen. Er würde mich mein Leben lang begleiten, ob lebend oder tot.

“Du bist wach.” Daxtons Stimme holte mich zurück aus meinen Fantasien. Er zögerte nicht und drehte sich zu mir, um meine Taille zu umfassen. Ich atmete schwer und hasste es, Mitgefühl für ihn zu empfinden. Er drängte sich durch seine Verletzungen in die Opferrolle und kuschelte sich nach Geborgenheit suchend an meine Brust. Drei Tage war es her, seit er aus dem Krankenhaus nach Hause kam. Drei Tage, in denen er gut mit mir umging. Ich schätzte, es lag daran, dass er mit der geprellten Rippe zu kämpfen hatte. Er fühlte sich zu schwach, um mich weiterhin zu demütigen. Ein klitzekleiner naiver Teil in mir hoffte aber, dass er es ernst meinte und die Bestrafungen nun vorbei wären. Diese Vorstellung gab mir Kraft, wenn auch zu wenig, um wirklich etwas an meiner Situation zu ändern.

“Soll ich dir Schmerzmittel holen?” Ich streichelte sanft über seinen nackten Rücken, während er mich fest in seinen Armen geschlossen hielt. Ich hörte sein leises Stöhnen, immer dann, wenn er mit seinem Brustkorb an mich stieß. 

“Nein. Es geht schon.” Weiterhin lagen wir da wie ein altes Ehepaar, welches füreinander geschaffen war. Hätte ich mein Herz nicht schlagen gespürt und nicht unter meinen Fingern wahrgenommen, wie ruhig Daxton atmete, hätte ich uns für versteinert erklärt. Erst, als Daxtons Handy klingelte, bewegten wir uns wieder. 

Er drehte sich zum Nachttisch. Kehrte mir somit den Rücken zu. Neugierig spähte ich über seine Schulter. Jederzeit rechnete ich damit, dass das Revier die Wahrheit über Jace herausgefunden hätte. Ich spannte mich bereits an. Hielt den Atem fest in meiner Lunge. Daxton sah jedoch nur kurz auf den blinkenden Bildschirm und drehte das Handy so rum, dass der Display nach unten zeigte. Es vibrierte weiterhin.

“Wer-”

“Nur das Revier”, unterbrach er mich so schnell, dass ich irritiert eine Braue anhob. Ich wollte sicher keine Eifersucht empfinden, jedoch wäre das die Spitze des Eisberges, wenn er mich nach all dem Wahnsinn, den er mir zumutete, auch noch betrügen würde.

Daxton bemerkte meine innere Unruhe. Er wandte sich erneut an mich und nahm mein Kinn zwischen seine Finger. Seine Berührung war sanft. Fast so, als wolle er sich in Zurückhaltung üben. Das machte meine Gesamtsituation nur noch schlimmer. Wäre er nur dieses Arschloch, dass mir die Luft zum Atmen raubte, könnte ich ihm ohne Reue meinen gesamten Hass zuschieben. Doch in ihm lebten zwei Seiten. Zwei extrem starke Seiten, denn er konnte genauso gut, wie schlecht sein …

“Über was denkt dein hübsches Köpfchen nach?” Seine blauen Augen durchbohrten meine. Er ließ mich nicht eine Sekunde los. Starrte mir tief in meine Seele.

Sweet Home Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt