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„Sag mal, Martin, warum sind denn alle so gestresst und aufgeregt? Es ist doch nichts Neues, dass unser Haus ausgebucht ist," fragte ich neugierig meinen Chef, der mir in den acht Monaten an der Rezeption sehr ans Herz gewachsen war. Nach drei Monaten bot er mir sogar das Du an, weshalb ich auch so freundschaftlich mit ihm spreche.

„Rammstein kommt doch nach Dresden, oder weißt du das noch gar nicht?" fragte mich Christian ganz empört, mein Kollege für die heutige Frühschicht. Christian war nicht wirklich mein Fall – viel zu überheblich und ein total falscher Mensch. „Doch, das weiß ich," antwortete ich knapp und schaute weiterhin zu Martin, der sich mit seiner Antwort Zeit ließ. „Nun ja, sagen wir es so: Unsere Gäste sind diese Woche eben etwas Besonderes," sagte er schließlich. Dennoch verstand ich nicht ganz. Natürlich hatten wir immer viele Gäste mit speziellen Wünschen. Was war daran neu?

„Hm, verstehe," nickte ich und wandte mich den neu eingetroffenen Mails zu. „Möchte noch jemand einen Kaffee?" fragte Christian, der wahrscheinlich wieder zur Bar ging, um zu plaudern. Typisch. Martin und ich lehnten ab, und Christian machte sich auf den Weg zur Hotelbar. „Ich wollte es vor ihm nicht sagen. Du weißt doch, er plaudert alles in der Küche aus," sagte Martin schließlich nach ein paar Minuten. „Rammstein wird in unserem Haus übernachten, deshalb sind alle so aufgeregt."

Ich war sprachlos. Irgendwie war es naheliegend, dass sie sich eines der noblen Hotels in unserer Stadt aussuchen würden, aber ausgerechnet unseres?

„Jetzt bist du wohl sprachlos, was?" lachte Martin und ich konnte mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. „Eventuell," antwortete ich.

Während der Mittagspause traf ich Grace in der Küche. Wenn wir gemeinsam Dienst hatten, aßen wir immer zusammen – eine Routine, die ich sehr schätze. Nach dem Essen hatten wir noch genug Zeit, um eine Zigarette zu rauchen, und so gingen wir hinaus. Als wir schließlich alleine saßen, betrachtete ich meine beste Freundin genauer. Heute sah sie wirklich erschöpft und müde aus, schlimmer als sonst. „Na, du siehst aber komplett fertig aus," stellte ich fest, und sie nickte nur kurz. „Bin ich auch. Weißt du, dass Rammstein direkt hier übernachtet?" fragte sie ruhig.

„Nein, das wusste ich noch nicht. Von wem hast du das?" log ich, da ich Angst hatte, Martin in Schwierigkeiten zu bringen, wenn ich die Wahrheit sagte.

„Von Frau Lange," erwiderte sie knapp. Ach so, die Restaurantleitung wusste also auch schon Bescheid.

„Das ist ja interessant," sagte ich und zog zum letzten Mal an meiner Zigarette. „Gehst du denn auf ein Konzert? Du mochtest doch die Band, falls ich mich nicht irre," fragte Grace.

Ich lachte. „Nein, natürlich nicht. Ich muss arbeiten, meine Liebe!" Schließlich konnte ich ihr ein Lächeln entlocken. Wir verabschiedeten uns und gingen für die restlichen zwei Stunden zurück in unsere jeweiligen Abteilungen. Als ich abends nach Hause kam, kochten wir zu dritt Spaghetti Bolognese, unser Lieblingsessen seit unserer Kindheit. Emma erzählte uns von ihrem Tag in der Notaufnahme. Seit sie im Krankenhaus arbeitet, habe ich kein Verlangen mehr nach einem Motorrad – es gibt einfach zu viele schreckliche Unfälle damit. „Und wie lief es bei euch?" fragte die Brünette nach ein paar Minuten. „Nichts Besonderes, die Gäste waren wie immer," antwortete ich knapp, denn mein Hunger war zu groß, um viel zu reden.

„Nichts Besonderes? Klar, Rammstein wird bei uns übernachten!" sagte Grace empört. Ich schüttelte nur grinsend den Kopf. „Was?! Aber du liebst doch deren Lieder, Amber!" sagte Emma daraufhin und bekam von mir nur ein Nicken. Ja, ich mochte die Band und hörte ihre Musik gerne, aber live hatte ich sie noch nie gesehen.

„Du solltest auf jeden Fall auf eines der Konzerte gehen! Wann bekommt man schon mal diese Gelegenheit? Außerdem ist es direkt in unserer Nähe, also lass dir das nicht entgehen," drängte Grace mich. Doch ich schüttelte den Kopf. Es ging einfach nicht – erstens gab es keine Karten mehr, und zweitens musste ich arbeiten.

„Ach stimmt, du musst arbeiten. Tut mir leid, das habe ich total vergessen," sagte sie schließlich etwas traurig. Nach dem Essen gingen wir alle gemeinsam mit unserer kleinen Mali spazieren. Das ist ihr neuer Spitzname, und er passt wirklich gut zu ihr. Später am Abend verabschiedete sich Emma von uns, da sie die Nacht bei ihrem Freund verbringen wollte. Die beiden sind wirklich sehr glücklich zusammen, was uns alle freut. Grace und ich beendeten unsere Abendroutine und gingen dann ins Bett, da wir beide früh aufstehen mussten.

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