𝚝𝚠𝚎𝚗𝚝𝚢-𝚜𝚒𝚡

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Kaum in den Niederlanden angekommen kippte allerdings die Stimmung der Band. Sie waren mittlerweile seit Wochen unterwegs und hatten immer weniger Zeit sich mal auszuruhen. Das machte sich alles in der Kommunikation bemerkbar und machte einiges viel schwerer. Till und ich waren allerdings normal zu einander, doch ich merkte wie stark Richard sich abkapselte.

Gestern wollte ich mit ihm sprechen und ging deshalb zu ihm in die Umkleide vor den Proben. Was ich da aber sah, erschreckte mich. Normalerweise war es mir egal was Menschen mit ihrem Leben machen, aber gerade bei ihm und den anderen nicht. Ich erwischte ihn dabei wie er eine Line zog, allerdings bemerkte er mich gar nicht. Der Kerl war also schon total zugedröhnt. Es gibt kaum etwas was ich hasste, aber Drogen gehören bei mir definitiv zur ‚Hass-Kategorie'. Natürlich haute ich so leise wie möglich ab, wusste aber nicht wie ich damit umgehen soll. Soll ich Richard mal darauf ansprechen? Soll ich Till um Rat fragen? Ich weiß es noch nicht. Doch ich weiß, dass Richard das so schnell wie möglich sein lassen sollte.

Als ich den Umkleideraum letztendlich ohne sein Bemerken verließ, fühlte ich mich völlig durcheinander. Richard war immer der Fels in der Brandung gewesen, die treibende Kraft hinter meiner guten Laune und jemand, zu dem ich absolut aufsah. Ihn so am Boden zu sehen, erschütterte mich sehr tief.

Später am Abend, als wir uns alle zum Abendessen im Hotel eigenem Restaurant trafen, konnte ich den Vorfall nicht mehr aus meinem nachdenklichen Kopf verdrängen. Richard war stiller als sonst und vermied jeglichen Augenkontakt zu allen an unserem Tisch. Hatte er mich heute Vormittag doch bemerkt? Allerdings verhielt er sich in letzter Zeit öfter so. Till merkte die Spannung am Tisch ebenfalls und versuchte, die Stimmung mit ein paar Scherzen aufzulockern, aber es half kaum. Die Stimmung blieb gedrückt, was jeder der Gruppe zu spüren bekam.

In der Nacht lag ich wach und wälzte verschiedene Szenarien in meinem Kopf. Diese Szene von heute ging einfach nicht mehr aus meinem Kopf, welcher womöglich schon am dampfen war. Wenn ich Till einweihen würde, könnte das zu einem hitzigen Konflikt - nicht nur zwischen beiden, sondern auch der Band - führen, den wir uns gerade nicht leisten konnten. Nicht wenn wir noch wochenlang auf Europa Tour waren. Auf der anderen Seite konnte ich nicht einfach tatenlos zusehen, wie Richard sich selbst zerstörte und wieder abrutschte. Es gab genug Interviews in denen er ehrlich zugab, dass er mal ein Problem hatte. Was wenn das wieder kam? Ich wusste, dass sowas sehr schnell passieren kann, gerade wenn man psychisch nicht auf der Höhe ist. Dieses ganze Szenario habe ich schon etliche Male gesehen, bei Freunden und selbst ich hatte meine Probleme. Nicht noch einmal würde ich sowas tatenlos mit ansehen. Dafür war Richard mir viel zu wichtig.

Am nächsten Morgen entschied ich mich, zunächst mit besagtem Richard allein zu sprechen. Ich fand ihn allein in einer Ecke des Hotels, eine Zigarette rauchend - was auch sonst - und in Gedanken versunken. Ich setzte mich still neben ihn und wartete, bis er bereit war, von selbst zu reden.

"Richard," begann ich vorsichtig, als nichts von ihm kam "wir müssen mal miteinander reden."

Er sah mich langsam an, seine sonst so strahlenden Augen waren diesmal müde und leer, fast eiskalt. "Was gibt's?" knurrte er mich ein bisschen an

"Gestern... in der Umkleide... ich habe gesehen, was du gemacht hast." suchte ich vorsichtig das Gespräch. Besser konnte ich es nicht anfangen, denn mir fehlten die Worte

Er schwieg einen kurzen Moment, dann nickte er langsam. "Ich wusste, dass das irgendwann rauskommt, aber das nun du mich gerade erwischt hätte ich nicht gedacht" murmelte er bitter.

"Warum, Richard? Warum tust du dir das an? Vor allem auch noch erneut, du hast das alles schon gesehen!"

Er schüttelte den Kopf, gab ein verächtliches Geräusch ab. Als würde er sich selbst schämen, was passierte. "Es ist einfach zu viel, verstehst du? Der Druck von der ganzen Crew, die Erwartungen unserer Fans... manchmal brauche ich etwas, um das alles auszublenden. Auch wenn ich abhängig bin, von ihnen geliebt zu werde. Diese Fanliebe ist genauso eine Droge. Und wie bei jeder anderen Droge braucht man immer mehr, wenn man einmal abhängig ist"

"Das ist nicht der richtige Weg," sagte ich bestimmt. "Du weißt das. Wir brauchen dich, Richard, die Fans genauso. Die Band allgemein braucht dich, denn ohne Richard kein Rammstein. Aber wir brauchen dich gesund und bei klarem Verstand, ohne diese Scheiße."

Er nickte wieder, diesmal entschlossener. "Du hast recht. Ich weiß, dass ich aufhören muss. Aber es ist so unglaublich schwer."

"Du bist nicht allein," sagte ich. "Lass uns Till einweihen. Wir können das zusammen durchstehen. Aber du musst den ersten Schritt machen, nur wer Hilfe will, dem kann geholfen werden."

Richard zögerte für einen kurzen Augenblick, dann sah er mich an und sagte leise: "Okay. Lass uns mit Till reden."

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Wie gefällt euch die Geschichte bis jetzt? Manchmal bin ich mir noch etwas unsicher, aber ich wollte diese Story einfach schreiben. Schreibt gern ein paar Kommentare, was eure Meinung angeht. Wie ihr in diesem Kapitel sicherlich schon gemerkt habt, geht es auch in die Richtung der Schattenseiten des Rammstein-Daseins. Richard hat in der Vergangenheit offen darüber gesprochen, deshalb finde ich hat das Thema auch einen Platz in dieser Geschichte verdient.

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