„Gesalzene Fledermaus mit Koboldspfeffer, dazu Käfigbier; ein Schälchen frittierte Rattenschwänze für nur 3 Grüne Aufpreis."
Speisekarte des Schlummernden Lamms
Erster Gildentag von Retributus, 126 HR
Als Terrance das Schlummernde Lamm erreichte, war es kurz nach Zenit und der Himmel fahlgrau und verhangen, wie so oft in Sigil. Er trug den langen, dunklen Mantel und den schwarzen, breitkrempigen Hut, wie immer, wenn er inkognito im Stock unterwegs war. Keiner der Vorbeigehenden erkannte ihn, und er genoss trotz der unerfreulichen Umgebung die Freiheiten, die dies mit sich brachte. Als Bundmeister Sigils war er so gut wie immer ein Fokus für das öffentliche Interesse, für Intrigen und Machtspiele inner- wie außerhalb des Bundes, für Anliegen wie auch Angriffe - meist zum Glück nur verbal - und für ehrlich gemeinte ebenso wie geheuchelte Ehrenbezeugungen. Sich als ganz gewöhnlicher Mann durch die Straßen bewegen zu können, an dem niemand Interesse hatte und von dem niemand etwas wollte, war ein kleiner persönlicher Luxus, den gerade diese am wenigsten luxuriöse Ecke Sigils ihm erlaubte. Meist kam er her, um sich um Kranke und Verletzte zu kümmern, folgend dem einen Prinzip seiner einstigen Göttin, dem er sich nach wie vor zutiefst verpflichtet fühlte: der Heilkunst. Doch ab und an hatte es auch andere Gründe, traf er sich mit Informanten des Bundes, die im Zerschmetterten Tempel lieber nicht gesehen werden sollten. So auch heute, wenngleich in diesem Fall er selber der Informant war. Er hatte wichtige Neuigkeiten für die Erwählten, die sich gerade auf der Suche nach Eliath im Stock befanden, und hoffte, dass Askorion sie rechtzeitig für das von ihm angestrebte Treffen hatte auftreiben können. Im Grunde hegte er daran jedoch keine Zweifel. Sein junger Sekretär war ein Meister darin, sich schnell und unauffällig an alle möglichen Orte begeben zu können. Zudem besaß er die wertvolle Fähigkeit, durch jemand anderes Augen zu blicken: durch die einer kleinen grauen Katze, deren Augen den seinen genau glichen: eines golden und eines türkis. Dies war eine eher ungewöhnliche Aasimar-Gabe - wie er selber sagte, ein Geschenk der Katzenherrin an einen ihrer Abkömmlinge in dritter Generation. Dies hatte den Effekt, dass viele Personen den Eindruck gewannen, Askorion könne sich an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten - ein Talent, das jeder Bundmeister zu schätzen wissen würde. Die Taverne Zum Schlummernden Lamm befand sich in einem nur zweistöckigen, mit Schiefer gedeckten Steinhaus, das für Stock-Verhältnisse in recht gutem Zustand war. Er nutzte sie regelmäßig für seine Treffen im Stock, die Wirtin kannte ihn daher und wusste auch, wer er war. Als er eintrat, konnte er sie jedoch nicht hinter dem Tresen erblicken, sie war also wahrscheinlich hinten in der Küche. So ging er in den Gastraum, wo er auch tatsächlich Askorion und die Erwählten erblickte - wenngleich nicht ganz in der Gestalt oder Verfassung, wie er es erwartet oder erhofft hatte. Während Sgillin überwiegend denselben Anblick bot wie bei dem Treffen im Berronar's, erkannte er den Tiefling nur an dem roten Haar und den Hörnern wieder, da er statt seiner edlen Kleidung von vor wenigen Tagen nun eine raue, dunkelgraue Kutte trug. Was für verdeckte Ermittlungen im Stock sicher sinnvoll, jedoch für einen Sinnsaten ein eher ungewöhnlicher Anblick war. Noch ungewöhnlicher aber war der große, weiße Tiger, der neben den beiden Männern stand. Terrance stutzte kurz, erinnerte sich dann aber an Ambars begeisterte Erzählungen darüber, dass Lereia eine Wertigerin war. Es musste sich also um die junge Frau in verwandelter Form handeln. Neben ihr stand Sarins neuer Rekrut Kiyoshi, ebenfalls in einer dunklen Robe. Doch wo war Jana? Er musste seinen Blick ein zweites Mal durch den Raum schweifen lassen, ehe er sie entdeckte: Sie lag ausgestreckt auf einer der Holzbänke, blass, scheinbar schlafend ... oder bewusstlos? Nun, das war ja ein interessanter Einstieg in das Treffen mit den Erwählten der neuen, kleinen Allianz, die das Schicksal ihm mit einer gehörigen Portion Ironie aufgedrückt hatte. Er trat nun ganz in den Raum und nahm dabei seinen Hut ab, damit die Anwesenden ihn besser erkennen konnten. Naghûl und Sgillin grüßten ihn höflich und verbeugten sich, und die weiße Tigerin neigte den Kopf in seine Richtung. Während er zurückgrüßte und gerade noch interessiert die verwandelte Lereia musterte, warf Kiyoshi sich vor ihm auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden. Terrance erinnerte sich natürlich sofort an die nämliche Szene, die ihn und Erin im Berronar's so amüsiert hatte. Aber weshalb bedachte der junge Soldat auch ihn mit diesem in Sigil unüblichen Gruß? Terrance seufzte innerlich. Er tat das doch wohl nicht am Ende bei allen Bundmeistern? Askorions Blick verriet Verwirrung, während Sgillin und Naghûl weniger erstaunt und leicht erheitert wirkten. Lereias Gefühle ließen sich in ihrer verwandelten Form schlecht deuten.
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Schatten von Sigil - Die Ewige Grenze
FantasyDie Abenteuer eines Tieflings, eines Halb-Elfen, einer Wertigerin, einer Hexe und eines jungen Kriegers aus Kamigawa in Sigil, der Stadt der Türen, basiernd auf dem Planescape-Abenteuer Die Ewige Grenze. Find the english version here: https://www.wa...