Geschichtsstunde

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Da die Dabus die direkten Diener der Dame der Schmerzen sind, ist ein Angriff gegen einen Dabus soviel wie ein Angriff gegen die Dame der Schmerzen selbst. Falls nicht Ihre Gelassenheit selbst den Täter in die Irrgärten verbannt oder Ihren Schatten auf ihn fallen lässt, so zieht der Angriff auf einen Dabus die Todesstrafe nach sich."

Punkt 2 unter „Die Fünf Größeren Vergehen in Sigil", so erlassen - 496 HR


Erster Leeretag von Retributus, 126 HR

Da ihr Dienst noch nicht begonnen hatte, trug Amariel noch keine Rüstung, sondern war in eine schlichte weiße Tunika und Hosen aus weichem, braunem Wildleder gekleidet. Sie trug unverschnörkelten, aber kunstfertig gearbeiteten Silberschmuck um den Hals und an den Ohren, das lange blonde Haar war offen und nur locker durch ein aus Leder geflochtenes Stirnband zurückgehalten. Sie wusste, dass ihr elfisches Erbe in dieser Gewandung deutlicher ins Auge stach als sonst und genoss es manchmal durchaus, dieser Seite von sich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im Dienst für das Harmonium - und seit Kurzem auch ihren Bundmeister ganz persönlich - hatte sie stets den Eindruck, dass ihre menschliche Seite überwog. Das war in Ordnung, doch es führte dazu, dass sie in ihrer Freizeit einen gewissen Ausgleich dazu suchte und sich mehr dem Erbe ihres elfischen Vaters zuwandte, was das Äußere, aber auch kulinarische, musikalische und literarische Vorlieben anging. Amariels Zimmer war - wie bei allen Harmoniumsoffizieren - eher schlicht eingerichtet. Ein Bett, ein Schrank, eine große Truhe, ein Waschtisch und ein Tisch mit vier Stühlen, einfach gearbeitet, aber aus gutem Holz, bildeten das Mobiliar. Die Möbel sahen denen in den Quartieren der einfachen Soldaten sehr ähnlich, es gab dahingehend keine besonderen Unterschiede zwischen ihnen und den Offizieren. Allerdings war Amariels Zimmer etwas größer und sie bewohnte es allein. Neben ihrer Rüstung, Schild und Schwert hatte sie auch einige weitere, persönliche Gegenstände mit aus Melodia hierher genommen: ein Bild der Arcadischen Auen, das eine hügelige, grüne Landschaft von bemerkenswerter Schönheit zeigte; einige Schatullen für Schmuck und kleinere Wertgegenstände; ein Spiegel, dessen hölzerner Rahmen in Form von rankendem Efeu geschnitzt war und eine Vase, in der sich im Moment frische Blumen befanden. Zudem standen auf einem kleineren Beistelltisch neben dem Schrank einige Phiolen mit verschiedenen Flüssigkeiten, kleine Leinensäckchen, verschlossene Döschen, ein Kristall und ein kleines Silberbesteck: Amariels alchemistische Ausrüstung, mit der sie die Öle und Salbungen herstellte, die sie als Gesalbte Ritterin regelmäßig nutzte. Sie sortierte gerade eben jene Zutaten, als es an ihrer Tür klopfte. Sie öffnete und erblickte Kiyoshi.

„Der Segen der Dame", grüßte sie ihn freundlich, „Ihr hattet einiges zu tun, wie ich hörte. Kommt Ihr zu mir, weil Ihr Fragen habt oder wolltet Ihr einfach so vorbeischauen? Aber das müsst Ihr mir wahrlich nicht hier auf der Türschwelle erzählen. Bitte tretet ein."

„Konninchi'wa, ehrenwerte Amariel-sensei", grüßte er sie mit einer Verneigung. „Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft."

Dann trat er ein und sah sich in dem Zimmer um. Er nickte, ließ sich aber zu sonst keiner Bemerkung hinreißen. In den Händen hielt er ein in dickes Papier eingewickeltes Objekt. Dieses reichte er Amariel mit einer weiteren Verneigung und den Worten: „Für Eure Bemühungen, mich zu erleuchten habe ich diese Kleinigkeit für Euch angefertigt. Ich hoffe, es gefällt Euch."

Überrascht und erfreut packte Amariel Kiyoshis Geschenk aus und hielt nun einen sehr hochwertig gefertigten Dolch mit platin-verziertem Griff in den Händen. Erstaunt musterte sie die schöne Waffe und lächelte dann.

„Ich danke Euch vielmals, Kiyoshi. Es wäre natürlich nicht nötig gewesen, mir etwas zu schenken, denn ich tat nur meine Pflicht. Ich freue mich jedoch trotzdem sehr und danke Euch herzlich. Ich wusste gar nicht, dass Ihr ein so talentierter Schmied seid, ich bin sehr beeindruckt."

Schatten von Sigil - Die Ewige GrenzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt