wenn ich grad nicht träum'

Kapitel 32

Nachdem ich mich fertig gemacht und gefrühstückt habe, schreibe ich eine kurze Nachricht an Felix und frage ihn, ob wir gemeinsam zum Studio fahren wollen. Keine zwei Minuten später klopft es an meiner Zimmertür und Felix steht davor. „Na, gut geschlafen? Dein Nachhauseweg hat wohl die ganze Nacht gedauert, hm?" Er grinst. „Sorry, ich-" „Hey, kein Problem. Aber gib mir das nächste Mal doch einfach Bescheid, wenn du nicht hier schläfst. Ich hab mir echt Sorgen gemacht." Er hat es also doch gecheckt. Noch bevor ich etwas erwidern kann, stößt er mir mit seinem Ellenbogen in die Hüfte. „Jetzt erzähl schon. Was ist das jetzt zwischen euch? Seid ihr zusammen?" Schnell schnappe ich mir meine Jacke und trete auf den Flur hinaus. „Nein, also zumindest noch nicht. Wir wollten es langsam angehen lassen und schauen, wohin es uns führt." Felix wirft mir einen schockierten Blick zu. „Langsam angehen lassen klingt ja super, aber das läuft jetzt ja schon seit den ersten Aufzeichnungen im Herbst. Wollt ihr nicht mal den nächsten Schritt wagen?" Irgendwie hat er Recht, Wincent und ich haben in der Zwischenzeit nie mehr darüber gesprochen, was das jetzt für uns ist. Andererseits haben wir uns aber auch nicht oft gesehen in den letzten Wochen. „Ja, stimmt schon. Mal schauen, vielleicht spreche ich ihn mal darauf an." Lächelnd legt Felix im Gehen seinen Arm um meine Schulter und drückt mich kurz an sich. „Du magst ihn sehr, hm?" Und wie. Ich nicke grinsend. „Na, dann go for it, Lina. Was habt ihr schon zu verlieren? Ich kann mir zwar vorstellen, dass das nicht einfach ist, wenn er in der Öffentlichkeit steht, aber wenn ihr das wirklich wollt, dann kriegt ihr das hin. Da bin ich mir ganz sicher." Dankbar lächle ich ihm zu. „Du hast Recht. Wenn wir uns das nächste Mal in Ruhe sehen, dann werde ich mal mit ihm darüber reden."

Im Studio angekommen werden wir erstmal von allen anderen begrüßt. Nach einer ersten kurzen Besprechung über den heutigen Tagesablauf machen wir uns auch schon auf den Weg in das Produktionsstudio, in dem das große Finale heute Abend über die Bühne gehen wird. Die Coaches sitzen gerade alle auf ihren Stühlen und werden fleißig von irgendwelchen Pressefotografen abgelichtet. Ich gehe erstmal in Richtung Publikumstribüne, um dort mein Setup für die heutige Liveshow einzurichten und auszuprobieren. Ein paar Minuten später sind die Coaches fertig und Michi und Smudo kommen zu uns, um uns herzlich zu begrüßen. Die letzten Aufzeichnungen sind jetzt doch schon einige Wochen her und in der Zwischenzeit haben wir uns alle nicht mehr gesehen. Naja, fast alle. Ich finde es jedenfalls echt cool, dass hier alle so freundschaftlich miteinander umgehen. Auch Alvaro kommt zu uns rüber und begrüßt uns, gefolgt von Stefanie und Wincent. Steff nimmt mich zur Begrüßung in den Arm und tut so, als wären wir uns nicht heute morgen schon im Hotel der Coaches über den Weg gelaufen. Als sie mich wieder loslässt, wandert mein Blick zu Wincent und er schaut mich unsicher an. Dann kommt er auf mich zu und begrüßt mich mit einem knappen „Hey, wie geht's dir? Lange nicht mehr gesehen". Ich muss mir einen doofen Kommentar verkneifen und auch Stefanie, die neben uns steht, schüttelt amüsiert den Kopf. Das kann ja noch spannend werden heute.

Der restliche Tag vergeht wie im Flug und die Soundcheck-Probe mit den Talenten verlief reibungslos. Die Kids sind ganz schön aufgeregt, aber kein Wunder. Ich möchte nicht wissen, wie ich drauf wäre, wenn ich gleich vor laufender Kamera live im Fernsehen singen müsste. „Noch eine Minute!" Die Durchsage des Produktionsleiters reißt mich aus meinen Gedanken und ich mache mich schnell auf den Weg, um meinen Platz einzunehmen. Das Finale beginnt mit einem gemeinsamen Auftritt aller Talente und Coaches und ich bin ehrlich, meine Augen sind mal wieder nur bei Wincent. Auch während der anderen Performances schweift mein Blick immer wieder zu seinem Stuhl, aber auch er richtet seinen Blick ab und zu in meine Richtung und lächelt mich an. Jedes mal, wenn sich unsere Blicke treffen, spüre ich die Schmetterlinge in meinem Bauch.

In einer Werbepause will ich gerade ein Instagram Live-Video starten, als mich Steff von der Seite anstupst und besorgt ansieht. „Hey, ich will dich nicht stören, aber ich muss dir das sagen, Wincent habe ich auch gerade schon gewarnt." Oh Gott, was kommt denn jetzt? Sie tritt noch einen Schritt an mich heran und fährt leise fort: „Eure Blicke sind nicht gerade unauffällig. Wincent ist mit seinen Augen ständig bei dir. Auch, wenn man dich im Fernsehen nicht sieht, die Leute im Publikum kriegen das mit Sicherheit mit. Ich wollte euch das nur sagen. Passt ein bisschen besser auf, wenn ihr nicht wollt, dass euch jemand auf die Schliche kommt." Oh Gott, sie hat vollkommen recht. Das sind zwar nur Blicke, aber heute sind definitiv auch einige von Wincents Fans hier im Studio und denen entgeht so etwas ganz bestimmt nicht. „Danke, Steff. Wirklich. Dass du uns deckst und das für uns machst." Sie legt ihre Hand auf meine Schulter und lächelt mich an. „Ist doch klar. Ich weiß, wie es ist, verliebt zu sein. Da verliert man manchmal ein bisschen die Vernunft und wird unvorsichtig. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, sind manchmal aber einfach alle Augen auf einen gerichtet, ganz besonders an so einem Abend wie heute." Ich nicke.

Die gesamte restliche Show versuche ich, Wincents Anwesenheit zu ignorieren, auch wenn es ziemlich hart ist. Besonders bei den Auftritten aus seinem Team fällt es mir schwer, nicht die ganze Zeit vor mich hin zu grinsen, wenn er so liebevoll mit den Kids spricht. Ich bin froh, als endlich der Moment gekommen ist, in dem der Gewinner verkündet wird. Dafür platziere ich mich direkt neben der Bühne, um die Reaktionen der Coaches einzufangen. Thore und Melissa öffnen den Umschlag, den der Notar gerade ins Studio gebracht hat, und ernennen Egon aus Team Stefanie zum Gewinner der diesjährigen Staffel. Die Konfettikanonen werden ausgelöst und Steff springt freudestrahlend auf. Sie umarmt Wincent, der neben ihr steht, und auch er jubelt für Egon und sie. Alle Kids hätten es sowas von verdient, die Show hier zu gewinnen, aber Egon hat wirklich etwas ganz besonderes in seiner Stimme. Der Siegerpokal wird übergeben und die beiden Moderatoren beenden mit ihrer Abmoderation die diesjährige Staffel von The Voice Kids.

Als der Produktionsleiter das Ende der Show verkündet, fällt eine riesengroße Anspannung von mir ab. Was war das für eine verrückte Zeit in den letzten Monaten. Felix kommt angerannt und nimmt mich in den Arm. „Na, alles gut?" Bei dem Gedanken, dass das hier jetzt alles vorbei ist, werde ich fast etwas emotional. „Alles gut. Ich kann nicht glauben, dass das jetzt vorbei ist." „Geht mir genauso. Aber jetzt haben wir ja noch die Aftershowparty vor uns, heute wird gefeiert!" Ich lache. Ja, heute werde ich den Abend noch einmal so richtig genießen.