Kapitel 25

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Um kurz nach 17:00 Uhr verlasse ich das Studio, in dem ich für die nächsten paar Tage arbeite, und mache mich schnellstmöglich auf den Weg zur U-Bahn Station. Ich kann es kaum erwarten, Wincent gleich wieder zu treffen, aber vorher muss ich mich noch kurz in meinem Hotel frisch machen. In der U-Bahn angekommen, schicke ich ihm eine kurze Nachricht, dass ich jetzt Feierabend habe und ihn anrufen würde, sobald ich fertig bin.

W: Super! Beeil dich, ich kann es kaum abwarten, dich zu sehen.

Diese Antwort von Wincent lässt mich schon wieder wie doof in mein Handy grinsen. Ich habe keine Ahnung, was er für heute Abend geplant hat, aber wenn es nur halb so schön wird wie gestern Abend, dann bin ich schon überglücklich.

Am Hotel angekommen hüpfe ich schnell unter die Dusche und ziehe mir frische Klamotten an. Da der heutige Septembertag wieder ziemlich warm war, entscheide ich mich für ein sommerliches Blumenkleid. Dann mache ich mir noch schnell die Haare, trage ein leichtes Makeup auf, schnappe mir noch meine Lederjacke und mache mich auf den Weg. Als ich Wincent anrufe, sagt er mir bloß, wo ich hinkommen soll. In den Olympiapark? Was will er denn dort? Ich frage allerdings nicht weiter nach und folge seinen Anweisungen.

Zwanzig Minuten später bin ich dort angekommen, wo er mich hingelotst hat, doch von Wincent ist keine Spur. Ich beschließe, ihn nochmal anzurufen. „Du bist schon unten? Okay, dann komm den Hügel hoch." „Dein Ernst? Da soll ich jetzt rauf gehen?" Er lacht. „Ich würde dich ja unten abholen, aber ich muss hier auf die Sachen aufpassen." Auf die Sachen aufpassen? Was denn für Sachen? Langsam habe ich echt Angst, was er mit mir vorhat. „Komm einfach rauf. Vertrau mir, es wird sich lohnen." Zum Glück ist der Weg nicht steil und ich bin innerhalb von wenigen Minuten oben. Endlich entdecke ich Wincent, der mir schon entgegen kommt. „Hier bist du ja", grinst er und nimmt mich in den Arm. „Hey, das nächste Mal kannst du mir bitte sagen, wenn ich irgendwo hochwandern muss. Dann hätte ich wenigstens andere Schuhe angezogen." Er lacht. Gott, dieses Lachen ist so schön. „Komm mit!" Wincent nimmt mich an der Hand und zieht mich hinter sich her. „Ich hoffe, du hast Hunger."

Ich kann meinen Augen nicht trauen. Vor uns liegt eine große Picknickdecke im Gras, mit ein paar Kissen und einer Kuscheldecke. Daneben steht ein großer Korb mit Brötchen, Obst, Keksen, und eine Flasche Wein mit zwei Gläsern. Bevor ich etwas sagen kann, zieht mich Wincent schon auf die Decke. „Komm, setzen wir uns." Der Ausblick hier ist wunderschön. Der Hügel befindet sich direkt an dem kleinen See mitten im Park, und die Abendsonne sorgt gerade für ein wundervolles Farbenspiel am Himmel. „Wow." Mehr bringe ich gerade noch nicht heraus. Ich kann nicht glauben, dass Wincent das hier alles für mich, für uns, vorbereitet hat. „Ich dachte mir, hier oben können wir den Sonnenuntergang ansehen und noch eine Kleinigkeit essen. Außerdem spielt dort unten auf der Bühne am See später noch eine Band, die ich echt cool finde. Das sollte man ganz gut hier rauf hören. Dann müssen wir nicht runtergehen und haben unsere Ruhe. Außerdem sind hier oben immer kaum Leute, also die Wahrscheinlichkeit, dass uns jemand sieht oder fotografiert, ist echt gering." Ich muss grinsen. Er hat wirklich an alles gedacht. Ich drehe mich zu ihm und sehe ihn an. „Es ist perfekt."

Der bisherige Abend war einfach wie im Traum. Wir haben zusammen eine Kleinigkeit gegessen, Wincent hat uns Wein eingeschenkt und der Sonnenuntergang ist von hier oben wunderschön anzusehen. Mittlerweile hat die Band, von der er mir vorher erzählt hat, schon angefangen zu spielen, und unten an der Bühne am See sammeln sich immer mehr Menschen. Ich bin froh, dass wir die Musik hier oben auch sehr gut hören können und uns nicht in die Menschenmenge da unten stürzen müssen. „Ist dir kalt?", fragt Wincent. Mittlerweile ist die Sonne schon fast weg und im Sommerkleid wird es langsam doch etwas frisch. „Ein bisschen." Wincent schnappt sich die Kuscheldecke und deckt mich zu. Dann rutscht er hinter mich, sodass ich zwischen seinen Beinen sitze, und nimmt mich von hinten in den Arm. Ich kann nicht anders, als blöd zu grinsen. „Du bist echt ein richtiger Gentleman, weißt du das?" „Natürlich weiß ich das." Daraufhin lacht er auch. „Aber bei so jemandem wie dir fällt mir das ja auch nicht schwer", flüstert er mir ins Ohr und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. „Ist es schon wärmer?" Ich kuschel mich noch enger an ihn ran. „Ja, schon viel besser."

Ich genieße das hier alles gerade sehr, auch wenn wir noch nicht wirklich darüber gesprochen haben, was das hier jetzt eigentlich ist. Für einige Minuten genießen wir einfach nur den Moment und lauschen der Musik. „Weißt du, als ich dir da im Studio in Berlin zum ersten Mal über den Weg gelaufen bin, da musste ich dich einfach ansprechen. Ich wusste, wenn ich es nicht tue, dann werde ich es sehr bereuen." Schon wieder schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. „Und als wir dann da zusammen in dieser Bar waren, das war einfach der wunderschönste Abend. Auch wenn das Pressefoto von unserem Kuss danach weniger schön war", schmunzelt er. „Es hat sich trotzdem gelohnt." Ich spüre, wie ich langsam rot werde, und weiß überhaupt nicht, was ich darauf antworten soll. Wincent rutscht ein bisschen zur Seite, sodass wir uns ansehen können. Als ich in seine Augen schaue, macht mein Herz schon wieder einen großen Hüpfer. Was hat dieser Kerl bloß mit mir gemacht? Er greift nach meinen Händen und hält sie fest. „Gestern Abend...", fährt er fort, „das war mit Abstand der glücklichste Abend, den ich je erlebt habe. Und heute morgen neben dir aufzuwachen, das war einfach wunderschön." Er wirkt fast schon ein kleines bisschen nervös, als er diese Worte ausspricht, aber es ist einfach zu süß. „Geht mir genauso", antworte ich sanft.

„Alsoooo, wir wollten ja darüber reden, was das jetzt hier ist", sagt Wincent schüchtern und kratzt sich dabei unsicher am Hinterkopf. Ich muss grinsen. „Hey, was ist so lustig?", lacht er nun auch. „Ach nichts. Ich find's nur süß, wie du plötzlich so eingeschüchtert bist. Sonst bist du auch nicht so", stelle ich amüsiert fest. „Tja naja, das liegt wohl an dir." Nun greift er wieder nach meinen Händen und streicht sanft mit seinen Daumen über meine Handrücken. „So ein Mädchen wie dich hab ich noch nie kennengelernt. Du bist echt besonders, und das war mir vom ersten Moment an klar. Und ich weiß, es ist echt noch früh und wir sind gerade erst dabei, uns so richtig kennenzulernen, aber... ." Er zögert, und ich kann nur ahnen, was jetzt kommen wird. „Aber ich würde das hier zwischen uns echt gerne fortführen. Ich möchte dich treffen und Zeit mit dir verbringen, und dann einfach schauen, wohin das führt. Ich will dich zu nichts drängen und wenn es dir zu schnell geht, dann verstehe ich das total. Normalerweise würde ich nie jemanden zwei Tage hintereinander um ein Date bitt-" „Hey", unterbreche ich ihn, bevor er sich noch weiter unnötig Sorgen macht. Er schaut mich unsicher an. „Mir geht hier nichts zu schnell. Im Gegenteil, am liebsten würde ich gerade jede freie Minute mit dir verbringen." Ich sehe, wie sich die Erleichterung in ihm breit macht. „So ging's mir noch nie mit einem Typen." Wincent grinst, und nun bin ich es, die nervös wird. Er drückt meine Hände noch etwas fester, was mich wieder ein bisschen beruhigt. Für ein paar Sekunden schauen wir uns einfach nur tief in die Augen. „Du weißt ja garnicht, was du in mir auslöst, wenn du mich so ansiehst", sage ich nun. „Und ich hoffe sehr, dass du mich noch öfter so ansiehst." Wincent grinst nun über beide Ohren. „Heißt das, du willst mich auch wiedersehen?", fragt er. Da mir ein einfaches Ja auf diese Frage nicht passend genug erscheint, lehne ich mich langsam vor und lege meine Lippen sanft auf seine. Es ist unser erster Kuss an diesem Abend, und in ihm steckt so viel Glück und Erleichterung. Wir beide grinsen wie bescheuert in den Kuss hinein und für ein paar Sekunden zählt einfach nur dieser Moment. Als wir uns langsam lösen, nimmt er mich fest in den Arm und flüstert in mein Ohr: „Das nehme ich jetzt einfach mal als ein Ja." Ich lache und kann nicht glauben, wie absurd schön mein Leben gerade ist. „Obwohl, ganz so eindeutig war der Kuss ja eigentlich nicht. Vielleicht könntest du mir nochmal einen geben, nur damit ich sicher sein ka- aua!" Gespielt habe ich ihm gegen die Schulter geboxt, doch ich kann nicht anders, als ihn wirklich nochmal zu küssen. Und auch, wenn es nicht das letzte Mal an diesem Abend ist, dieser eine Kuss fühlt sich an wie ein wunderschöner Neubeginn. 

wenn ich grad nicht träum'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt