Kapitel 21

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Nervös schwebt mein Finger über der Türklingel. Mittlerweile ist es ziemlich herbstlich und frisch geworden und in der Stadt weht ein ziemlich kalter Wind, doch dieses Mal habe ich mir extra eine dicke Jacke angezogen. Die Weinflasche, die ich Wincent als Mitbringsel geben möchte, halte ich in meiner linken Hand, während ich mit meiner rechten Schulter die schwere Eingangstür aufdrücke, nachdem ich ein leises Summen vernommen habe. Dritter Stock hat er gesagt.

Als ich ein wenig außer Puste im dritten Stock ankomme, sehe ich Wincent schon im Türrahmen stehen. „Na, schöne Dame?" Er trägt ein schwarzes Hemd und eine schwarze lockere Hose. Und wow, er sieht so hübsch aus. Ich grinse bei dem Gedanken, dass er es einfach nicht lassen kann, mit mir zu flirten. Auch er grinst bis über beide Ohren und zieht mich zur Begrüßung in eine schnelle Umarmung. „Hey, du", begrüße ich ihn währenddessen. Oh wow, riecht dieser Typ gut. „Komm doch rein."

Nachdem ich Wincent die Flasche Wein überreicht habe und mir die Schuhe ausgezogen habe, nimmt er mir meine Jacke ab und hängt sie an die Garderobe. „Hübsch siehst du aus", sagt er, nachdem er mich nicht gerade unauffällig von oben bis unten gemustert hat. „Das kann ich nur zurückgeben", antworte ich daraufhin und schenke ihm ein verlegenes Lächeln. „Komm mit, ich zeig' dir meine Wohnung." Ich folge ihm, als er mir eine kleine Tour durch sein Zuhause gibt und bin mir sicher, dass er vorhin noch extra aufgeräumt hat, denn für einen Ordnungsfreak hätte ich Wincent jetzt nicht gerade gehalten. „Echt gemütlich hast du's hier", stelle ich fest. "Ja, danke. Ich bin vor Kurzem erst eingezogen. Davor hatte ich eine WG mit einem Kumpel auch hier in München, aber nicht sehr lange. Das hier war mein 14. Umzug." Ich staune. "Was? Du bist wirklich schon so oft umgezogen?" Wincent lacht. "Ja, ich war einfach nie richtig zufrieden, dort wo ich war. Hier in dieser Wohnung gefällt es mir jetzt ganz gut, aber ich bin eigentlich nicht so gern allein. Vielleicht hab ich ja bald wieder eine WG, wer weiß", lacht er.

Er führt mich in seine offene Küche, wo sich auch sein Essbereich und das Wohnzimmer befinden. Dort schenkt er uns beiden ein Glas Rotwein ein, während wir kurz über meine Anreise nach München sprechen. „Cheers! Schön, dass du gekommen bist und mir diese zweite Chance gibst", sagt er, als er mich anlächelt und sein Weinglas hochhält. Ich stoße mit ihm an und kann nicht anders, als schon wieder wie dämlich zu grinsen. Zweite Chance also? Er will's wohl wirklich wissen. „Danke für die Einladung. Wie könnte ich auch nein sagen, wenn mich mal jemand bekochen will", lache ich. „Apropos, ich muss mal schnell nach dem Essen schauen. Setz dich gerne schon mal hin. Es gibt übrigens Pasta, ich hoffe, du magst das. Meine Kochkünste geben leider nicht viel her", sagt er verzweifelt.

Während Wincent noch kurz am Herd steht, quatschen wir noch ein bisschen über die vergangenen Tage und seine Tourproben, bevor er auch schon das Essen serviert. Der Tisch ist wunderschön gedeckt und Wincent zündet noch schnell die Kerze an, die in der Mitte steht. „Falls es wirklich ganz schrecklich schmeckt, dann tut's mir leid. Ich hab mein Bestes gegeben." Ich muss lachen, stelle aber gleich fest, dass die Pasta echt sehr lecker ist und seine Sorgen wohl umsonst waren. Wir reden über alles mögliche und lachen, während im Hintergrund leise Musik läuft. Er erzählt mir von seinem Heimatort und dass er eine jüngere Schwester hat, für die er sogar schon einen Song geschrieben hat. „Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, aber dafür habe ich die allerbeste Mama, die man sich wünschen kann. Wenn ich ständig so viel unterwegs bin, dann vermisse ich sie schon sehr." Ich bin erstaunt aber gleichzeitig sehr dankbar darüber, dass Wincent mich so in sein Leben lässt, obwohl er mich noch kaum kennt. Er scheint mir wohl zu vertrauen.

Auch ich erzähle ihm von meiner Familie und meiner besten Freundin Emma, mit der ich groß geworden bin. Während unserer Unterhaltung stellt Wincent mir immer wieder Fragen und ich bin erstaunt darüber, wie aufmerksam er mir zuhört und Interesse zeigt. Ich glaube, ich hatte in meinem Leben noch nie so ein schönes Date. Warte, ist das hier überhaupt ein Date? Wir haben das schließlich nie definiert. „Was denkst du?", reißt er mich aus meinen Gedanken. „Ich hab gerade festgestellt, dass sowas noch nie ein Mann für mich gemacht hat", lächle ich. „Dein Ernst? Das kann ich kaum glauben bei so jemand tollem wie dir. Aber ich hab dir ja gesagt, ich bin ein wahrer Gentleman", sagt er und zwinkert mir zu. „Ja, das habe ich schon festgestellt." Wir haben beide mittlerweile zu Ende gegessen und er legt seine Hand auf meine. Alles hier ist gerade so kitschig und könnte direkt aus einem Liebesfilm stammen, aber ich mag es sehr. Wir schauen uns an und genießen beide einfach nur den Moment, bevor Wincent die Stille durchbricht. „Lass uns tanzen."

wenn ich grad nicht träum'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt