28. Carola in Not

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Heute war die richtige Beisetzung von Martina. Um 12 Uhr sollten wir auf dem Friedhof in der Goethestr. sein. Dieser war montags offiziell geschlossen und wir mussten die Zufahrt von der Heinestr. benutzen. Vorher gab es aber noch etwas anderes zu klären.

Gabriella und Catharina hatten gestern Abend Carola mitgebracht. Sie war völlig fertig gewesen und wir hatten ihr Jasmins Zimmer gegeben, welche heute wieder bei Patrick schlief. Um 9 Uhr hatte Jasmin sie geweckt und mit in die Küche zum Frühstück gebracht. Sie hatte immer noch stark verweinte Augen und sah auch sonst nicht gut aus. Schweigend saß sie mit am Tisch und aß kaum etwas. Erst als Carmen ihr sagte, dass sie an ihr Kind denken sollte und etwas essen musste, aß sie ein halbes Brötchen mit Marmelade und trank einen Kakao. Nach dem Frühstück setzte sie sich mit Gabriella, Catharina und mir in mein Büro und begann zu erzählen.

„Ich bin 17 Jahre alt und habe die Schule mit der Fachoberschulreife verlassen. Mein Vater wollte das ich sofort arbeiten ging und keine Zeit mit einer Ausbildung vergeude. Das gefiel mir nicht und ich bewarb mich auf Ausbildungsstellen als Koch, Hauswirtschafterin und als Bürokauffrau. Mehrfach hatte sich mein Vater geweigert einen Ausbildungsvertrag zu unterschreiben und ich weigerte mich als ungelernte Arbeitskraft zu arbeiten. Mein Vater strich mir alle finanziellen Unterstützungen und so zwang er mich dazu arbeiten zu gehen. Mein Arbeitslohn ließ er auf sein Konto überweisen und ich bekam ein Taschengeld von 30 € in der Woche und eine Fahrkarte. Immer wieder gab es Ärger, wenn ich Geld für neue Kleidung oder einen Ausflug wollte. Auf der Arbeit lernte ich Alexander kennen. Er war einer der Auszubildenden zum Koch in einer Großküche. Immer wieder trafen wir uns und gingen miteinander aus. Ich liebe ihn sehr und er mich auch. Wir wollen zusammen eine Familie gründen und schon bei unseren ersten Versuch wurde ich schwanger. Gestern habe ich es meinen Eltern gesagt. Meine Mutter freute sich, aber mein Vater verlangt das ich das Kind abtreiben soll. Den Streit haben Catharina und Gabriella mitbekommen. Ich wusste das mein Vater so reagiert und schrieb daher dringend auf die Bewerbung für die Wohngruppe. Dass er es aber so ernst meint und mich sofort hinaus wirft, hätte ich nicht gedacht. Nun bin ich erst einmal ratlos, denn am Freitag wurde mir die Stelle in der Großküche gekündigt, weil mein Vater verlangte das ich mehr Lohn bekommen soll. Er hat sich mit dem Chefkoch angelegt und das war es dann für mich gewesen."

„Wir werden dir erst einmal helfen und dich hier unterbringen. Das Haus ist groß genug. Zuvor solltest du uns aber noch einige Fragen beantworten, Carola. Ab wann hast du in der Küche gearbeitet? Gab es noch andere Arbeitsstellen, wo dein Vater den Lohn einbehalten hat? Wieviel hattest du in der Großküche verdient? Hast du da noch Abrechnungen? Und wieviel hast du von deinem Verdienst von deinem Vater bekommen? Er kann nicht deinen gesamten Lohn einbehalten, um seine Kosten zu mindern", sagte ich zu dem Mädchen.

„Ich habe nach meinen Schulabschluss in der Großküche angefangen. Ausbezahlt bekam ich zum Schluss etwa 950 € plus Urlaubsgeld 250 € im Juli und 600 € Weihnachtsgeld im November. Taschengeld waren 30 € in der Woche und die Fahrkarte von 80 €. Das waren im Monat dann 230 €. Vom den Zusatzleistungen bekam ich nichts. Die Abrechnungen hat alle mein Vater gesammelt", erklärte uns Carola.

„Du kannst erst einmal hier bleiben, das sagten wir bereits. In der Zwischenzeit werden wir mit deinen Vater reden und sehen was dabei herauskommt. Ich werde auch noch einmal mit der Großküche reden und dem Jugendamt. Vielleicht bekommst du deinen Arbeitsplatz wieder zurück. Sollte das nicht gehen werden wir für Dich etwas anderes finden, trotzdem du schwanger bist. In welcher Schwangerschaftswoche bist du? Weiß der Vater des Kindes von deiner Schwangerschaft", erklärte ihr Gabriela.

„Der Vater Alexander war am Wochenende hier mit auf der Party. Er weiß das ich schwanger bin und freut sich auf des Kind. Auch er hat sich hier für die WG beworben. Der Test zeigte gestern die 5.Woche an. Bei einem Arzt war ich bisher noch nicht. Alexander ist bereits 18, aber wir finden keine bezahlbare Wohnung, weil er noch in der Ausbildung ist. Im Augenblick ist alles kompliziert", erklärte uns Carola.

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