15.// Das Übel, das im Dunkel lauert

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„Schnell. Jetzt aber raus hier!" Aragorn dachte gar nicht daran, mich zurück auf den Boden zu setzen. Er warf mich nicht unsanft über seine Schulter und rannte den anderen durch das Westtor hinterher.

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Es wurde eine wilde Verfolgungsjagt durch die Stollen von Moria. Ständig prasselten Pfeile auf uns nieder (sie verfehlten uns zum Glück alle). Begleitet wurden sie durch die Befehle und Flüche der Orks. Ich hing immer noch über Aragorns Schulter, auch wenn ich ihn schon mehrere Male angeschrien hatte, dass er mich gefälligst loslassen sollte. Er hatte mich immer ignoriert. Einerseits fand ich es ja süß, dass er sich Sorgen machte, andererseits wollte ich keine Schwäche vor den anderen Gefährten zeigen. Plötzlich machten wir halt. „Warum halten wir?", fragte ich, bekam aber keine Antwort. Genervt wurde mir klar, dass sich Frodo genauso fühlen musste wie ich. Er hing über Boromirs Schulter, schwach und mit geschlossenen Augen. Der Troll musste ihn schlimm erwischt haben, wenn er trotz meiner Heilkünste noch nicht wieder auf den Beinen war. „Lass. Mich. Jetzt. Endlich. Runter!", keifte ich Aragorn an. Die Worte prallten an Mr. Steinmauer, beziehungsweise Aragorn, ab. Stattdessen warf er mich ohne Vorwarnung über eine kleine und sehr tiefe Schlucht. Bevor ich schreien konnte, hatte mich Legolas, der auf der anderen Seite stand, auch schon aufgefangen. Schnell und etwas panisch befreite ich mich aus seinen Armen. Nach und nach sprangen auch die anderen Gefährten hinüber. Kaum war Aragorn drüben, wollte er mich erneut festhalten, doch ich versteckte mich zwischen Merry und Pippin. „Das lässt du bitte bleiben. Ich kann sehr wohl alleine laufen", sagte ich etwas beleidigt, auch wenn mir schon wieder schwindelig war. An den Schmerz der Wunde hatte ich mich bereits gewöhnt. Aragorn sah so aus, als wollte er protestieren, aber er riss sich zusammen und sagte nichts. Inzwischen waren alle Gefährten sicher drüben angekommen und wir konnten weiter.

Es wurde immer schwerer, sich auf den Beinen zuhalten und dabei auszusehen, als ob es mir gut ging. Ich taumelte eher, als dass ich lief und ein kleiner Teil wünschte sich, ich hinge immer noch über Aragorns Schulter. Ab und zu sah ich, dass mir gewisse Gefährten (Aragorn, Legolas, Gandalf) mir besorgte Blicke zuwarfen, die ich gekonnt ignorierte. Wehe, Mr. Steinmauer alias Mr. Ich-bin-total-besorgt-um-dich aka Aragorn alias Künftiger König hatte ihnen etwas von meiner Wunde erzählt! Dann bekam er seinen wunderbaren Thron nur noch von weitem zusehen!

Ich musste mich nun voll und ganz auf das Laufen konzentrieren, damit ich nicht aus Versehen einen der vielen Abgründe herunterfiel, die sich hier überall auftaten. Es ist nun mal eine Mine und kein Strandspaziergang, sagte ich mir. Ich lief hinter Boromir, über dessen Schulter immer noch der bewusstlose Frodo hing und somit am Ende des Zuges. Meine Schmerzen hatten sich in den letzten fünf Minuten mehr als verdoppelt. Bei jeder kleinsten Bewegung musste ich die Zähne zusammen beißen, um kein Geräusch von mir zu geben. In meiner Nähe hörte ich ein Stöhnen. Sofort schnellte mein Blick zu Frodo und ich sah erleichtert, dass er wieder langsam zu sich kam. Boromir lief einfach weiter, bis Frodo ihm sagte, er solle ihn herunterlassen. „Bist du sicher?", fragte Boromir zweifelnd. „Ja. Bitte" Frodo wurde heruntergelassen und lief nun alleine weiter.

Wir kamen in eine große Halle. Es war so dunkel, dass selbst ich kaum etwas sah. „Bitte mach Licht, Gandalf" riefen gleich mehrere Stimmen ganz in meiner Nähe. „Die Orks haben uns doch sowieso schon bemerkt!", meinte einer der Hobbits, wahrscheinlich Pippin. „Denkst du denn, die Orks sind das einzige Übel, was hier in Moria haust?", erwiderte Gandalf scharf und bellend. Alle schwiegen. „Na gut, ich sehe selbst kaum etwas, da kann ein wenig Licht nicht schaden" Eine kleine Lichtquelle, ausgehend von Gandalfs Stab, erhellte den Raum. Ich zitterte. Die Angst, wieder gefangen zu sein, hatte mich in dem plötzlichen Dunkel befallen. „Ist alles gut?", fragte mich Merry. „Ja ...", murmelte ich geistesabwesend und hoffte, dass das Zittern bald aufhörte. Wir liefen mit großen Schritten durch die Halle, als Frodo und Sam stehenblieben. Sofort drehte ich mich zu ihnen um. „Was ist los?", meine Stimme klang schwach und zittrig. „Siehst du das Licht dort auch?", fragte Frodo und deutete auf einen breiten Gang, aus dem rot-orangenes Licht strömte. „Ja", meinte ich. „Los, wir müssen weiter!", brüllte Gandalf plötzlich. „Aber was ist mit dem Licht?", wollte Merry wissen. „Ich sagte, WEITER!", schrie Gandalf noch einmal. Ich hatte nun auch einen Verdacht und trieb die Hobbits an. „Schneller!" Sie gehorchten mir und hatten mich bald überholt. „Ist es das, was ich denke?" fragte ich den Zauberer, als ich zu ihm aufgeschlossen hatte. „Es ist ein Balrog, ein Diener Morgoths", flüsterte dieser und ich zuckte zusammen. Es war ein Übel aus uralten Zeiten und selbst wir Elben fürchteten uns vor ihm. Nun lief ich schneller. Mir war meine Wunde egal, ebenso wie der Schmerz, Hauptsache, wir kamen rechtzeitig aus der Mine heraus, damit der Balrog uns nicht erwischte. 

Túre í maranwe - Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt