1.// Eine merkwürdige Reisegesellschaft

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Ich wachte aus meinen düsteren Träumen auf, die mich schon lange quälten. Es war vor etwa drei Jahren gewesen. Ich war von Orks gefangen worden. An meinen wahren Namen erinnerte ich mich nicht mehr. Da ich drei Jahre von den Menschen, Elben und jedem Geschöpf, das nicht böse war, ferngehalten wurde, hatte ich ihn vergessen und auch sonst keinen gehabt, der mir einen geben konnte. Die Orks jedenfalls hatten mich immer nur „Das kleine, widerliche Elblein" genannt. Auch meinen Bruder hatten sie gefangen. Er ... nun, ich wollte nicht darüber reden. Wahrscheinlich hatten die meisten unter ihnen nicht einmal gewusst, dass ich eine Frau war. Die Orks hatten mich und meinen Bruder in einem Wald gefangen. Ich war ihnen trotz Bogen, Kurzschwertern und Lasso nicht gewachsen gewesen. Sie hatten mich in eine düstere Festung ohne Licht gebracht, mich dort eingesperrt und gefoltert. Fünf Tage war es her, dass ich aus der Burg geflüchtet war. Zwar hatten sie mich verfolgt, doch ich hatte die widerlichen Orks abschütteln und bis zur Wetterspitze flüchten können. Ich war eine Elbe mit hüftlangem, goldenem Haar, grünen Augen und einem normalen, schlanken Körper. Für Elben konnte ich ausgesprochen gut sehen und hören. Mit dem Bogen war ich eine Meisterin und auch im Schwertkampf, sowohl mit zwei Schwertern, als auch mit einem, war ich besser, als die meisten in meinem Volk. Ich erinnerte mich zwar an mein Leben, bevor ich in Gefangenschaft geriet, doch das Meiste war fort, als hätte es der Wind verweht. Nun war ich schon seit fünf Tagen in der Wildnis, nur meine Waffen und die abgerissene Kleidung, mit der ich geflohen war, hatte ich mit. Ein Hemd, was etwas zu lang war und eine Hose, die meine Beine nur bis zu den Knöcheln bedeckte. Doch ich wusste, wie man in der Wildnis überlebte. Mein Plan war es, mich nach Imladris (Bruchtal) durchzuschlagen und dort meine Wunden zu versorgen, mir neue Kleidung zu erbitten und anschließend weiter zu reisen. Wohin, wusste ich zwar nicht, doch es war mir egal. Hauptsache, ich würde nicht mehr gefangen werden! 


Mehrere Stimmen schreckten mich auf. Schnell stand ich auf, packte Bogen, Köcher, Schwerter und Lasso und stand lauschend in der Dunkelheit. Es musste etwa zwei Stunden her sein, dass die Sonne untergegangen war. „Streicher, wann machen wir endlich eine Pause?", klang die eine Stimme zu mir. „Hier, das ist ein guter Platz, um Rast zu machen. Mit den ersten Sonnenstrahlen brechen wir morgen auf. Ich gehe mich jetzt nur ein wenig umsehen!", sagte eine zweite Stimme. Den Schritten nach mussten es fünf Leute sein. Ich schlich näher heran und kniete mich in der Nähe des kleinen Feuers, was die Wanderer inzwischen angemacht hatten, hinter einen Busch. Durch das Geäst sah ich einen Menschen und vier sogenannte Hobbits. Der Mensch schien ein Waldläufer zu sein, jedenfalls bewegte er sich so. Dann verschwand er.


Ich beobachtete die anderen Wanderer und wunderte mich indessen, was so eine merkwürdige Reisegesellschaft hier machte. Bald verstand ich ein wenig, wie sie dachten und fand sie eigentlich ein wenig interessant. Sie schienen ein Geheimnis zu haben. Die Hobbits hatten das Feuer gerade hell genug gemacht, als das man es von außen sehen konnte, da kam der eine Hobbit, der mit den dunklen Haaren und löschte es schnell. „Spinnt ihr?! Das lockt sie an ..." Sofort waren auch die anderen Hobbits leise und schauten sich ängstlich an. „Tut uns Leid", stammelten sie schließlich, wurden jedoch von einem langgezogenen Schrei unterbrochen, der ganz aus der Nähe zu kommen schien. Für mich war der Schrei laut und ohrenzerfetzend gewesen. Ich folgte den Hobbits im Schatten, als sie ihre Schwerter packten und nach oben, auf die eigentliche Wetterspitze rannten. Sie bemerkten mich nicht, aber wer bemerkt schon einen Elben, wenn er im Schatten ist und sich wie einer bewegt.

Oben angekommen, stellten sie sich Rücken an Rücken und zogen ihre Waffen. Auch ich zog Pfeil und Bogen, war bereit, jeden Moment zu schießen. Da kamen sie. Fünf Gestalten. Der Waldläufer war immer noch nicht wieder zurück, dachte ich und fluchte in Gedanken. Sie trugen lange, schwarze Umhänge, deren Kapuzen ihre Gesichter verbargen. In der Hand hielten sie lange Schwerter. Nun wusste ich, wer sie waren. Es waren die Ringgeister, die Nazgûl. Meine Schwerter und Pfeile würden denen nichts anhaben, doch ich wollte die tapferen kleinen Hobbits nicht im Stich lassen. Mein erster Pfeil flog und traf einen Nazgul am Bein. Er schaute sich suchend um, entdeckte mich aber nicht. Ich schoss noch mehr Pfeile, die alle ihr Ziel trafen. So langsam wussten auch die restlichen Ringgeister und die Hobbits, dass noch jemand da war, von dem sie nichts ahnten.

Dann, als einer der Ringgeister meinem Versteck ganz nahe war, zog ich lautlos meine zwei Kurzschwerter und flog durch die Luft auf ihn zu. Meine zwei Klingen hätten jeden anderen getötet, doch es reichte nicht ganz. Dafür stürzte der Nazgûl über den Rand des Hügels und stürzte hinab. Ich griff die restlichen Ringgeister an. Die Hobbits hatten alleine keine Chance. Nur mit mir konnten sie es vielleicht heile schaffen. Meine Schwerter sausten durch die Luft, zwangen die Nazgûl zur Umkehr. Ich hörte, wie sie in ihrer verfluchten Sprache redeten und fluchten und dann einen Schrei. Es war einer der Hobbits gewesen. Ich wirbelte herum und spürte nicht, dass ein Ringgeist mich mit seiner Klinge verletzt hatte. Schnell lief ich zu dem dunkelhaarigen Hobbit, der, mit einem Messer in der Schulter, niedergesunken war. Als ich auf zehn Schritt an ihn heran trat, wusste ich, was in seiner Schulter steckte. Eine Morgul-Klinge. Ich griff die restlichen Ringgeister an, um zu verhindern, dass sie ihr Werk zu Ende führen konnten. In diesem Moment kam der Waldläufer aus einem Busch gerannt und griff ebenfalls die Nazgûl an. Gegen uns beide hatten sie keine Chance. Sie flohen, doch ihr Werk hatten sie erfüllt. Kaum waren sie außer Sicht und Hörweite, als ich auch schon neben dem Hobbit war und mir seine Wunde ansah. Rasch zog ich an meinem sowieso schon zerfetzten Hemd, riss das etwas zu lange Ende ab und zog das Messer heraus. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien. Die Klinge brannte in meiner Hand und in meinem Kopf hörte ich eine Stimme: „Du kannst ihm nicht helfen, Elb. Du kannst dich nicht verstecken!" Ich bekam Angst, doch ich ließ das Messer fallen und kümmerte mich um die Wunde. Als ich mich nach vier Minuten umdrehte, starrten mich vier Augenpaare an. „Wer seid Ihr?", fragte der Waldläufer und wollte sein Schwert an meine Kehle legen. Doch er war zu langsam. Ich drehte mich in der Luft und landete hinter ihm und den drei Hobbits. „Ich bin nicht euer Feind, Waldläufer!", rief ich in der Gemeinsprache. „Wer seid Ihr?", wiederholte er seine Frage.

Túre í maranwe - Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt