Haldir lief zur Tür und warf mir noch einen langen Blick zu, bevor er mich verließ. Wir beide wussten, wer er war, doch niemand hatte den Namen aussprechen wollen. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, ließ ich mich in die weichen Kissen fallen und begann zu weinen.
Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, schien Tageslicht durch die Fenster. Ein leichter Luftzug wehte durch mein Zimmer. Mich fröstelte es und ich schlang die Decke enger um meinen Körper.
„Eryniel?" zuerst dachte ich, Haldir wäre wieder da, doch dann erkannte ich Herrin Galadriel.
„Ja, hohe Herrin?" „Geht es dir besser?" Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie mich so etwas fragte und fühlte mich sofort schlecht deswegen. Warum? Sie war eine Elbin, hatte, wie jeder andere auch das Recht, mir Fragen zu meiner Gesundheit zu stellen.
„Ja, mir geht es besser.", antwortete ich, auch, wenn es nicht ganz wahrheitsgetreu gewesen war. In Echt ging es mir kein bisschen besser als gestern. In mir war immer noch diese Unruhe, dieser Durst nach Rache. Ich würde Saruman foltern, mich rächen, bis er um Gnade winseln würde, etwas, dass weder Eluréd noch ich getan hatten.
Und ich würde mit Vergnügen dabei zusehen, wie er verreckte, seine glanzvollen Augen erloschen. Ich hatte entscheidende Vorteile. Ich war schließlich eine Zauberin, eine der letzten Mittelerdes und jemand von höherem Blute, so ungewohnt dieser Gedanke auch war. Aber ... sollte ich dann nicht den Schwachen helfen, denjenigen, die sich nicht selbst helfen konnten? Sollte ich nicht wie Gandalf das Schicksal Mittelerdes mitbestimmen können? War das meine Aufgabe? War es das, weshalb ich hier war? Sollte ich Gandalf ersetzen? Gandalf, der doch so viele Jahre Zeit gehabt hatte, das zu lernen?
Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich Saruman und Sauron umbringen sollte. Nun ja, Saruman sollte ich nicht umbringen, aber ich wollte es. Ich hasste ihn mit meiner ganzen Existenz, all meiner Macht und ich würde nicht anhalten, bis er tot vor mir auf dem Boden lag.
„Eryniel?" Herrin Galadriel riss mich aus meinen Gedanken. Zu spät bemerkte ich, wie sehr ich meine Hände in die Bettdecke krallte und sie zerriss.
„Tut mir leid!", sagte ich sauer auf mich selbst. Warum hatte ich meine Gefühle nicht besser im Griff halten können? „Das muss es nicht. Es gibt genug Bettdecken." Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr. „Ich weiß nicht, was dich bedrückt, Eryniel, aber wenn du darüber reden möchtest ..." Ein wenig geschockt blickte ich sie an.
Das meinte sie doch wohl nicht ernst, oder?! Die Herrin des goldenen Waldes wollte mit mir über meine Gefühle reden? „Es ... geht. Ich ... musste erst mal die Geschehnisse der letzten Tage ... verarbeiten.", selbst ich hörte die Lüge aus meinen eigenen Worten heraus, doch Herrin Galadriel sagte nichts dazu.
„Wie ... wie kommt es, dass Ihr nicht in meine Gedanken eindringt?" stellte ich stattdessen die erste Frage, die mir in den Sinn kam. Sie schmunzelte. „Ich kann nicht in deinen Kopf eindringen, egal, was ich alles versuche. Du bist mir ein Rätsel.", meinte sie.
„Wie lange soll ich noch an dieses Bett gefesselt sein, wenn ihr mir die Frage gestattet, hohe Herrin?", richtete ich mein Wort nach einer kurzen Pause wieder an sie. „Eigentlich ... vier Wochen. Aber da ich befürchte, dass die Gefährten früher aufbrechen werden, sind es noch zwei Wochen.", erwiderte sie leise. Ich stöhnte. Zwei Wochen also noch. Zwei Wochen in diesem einsamen Raum, zwei Wochen ohne jegliche Beschäftigung. „So, ich muss weiter, ich habe noch ein wenig zu erledigen, Eryniel", riss mich die hohe Herrin aus meinen Gedanken. Ich neigte meinen Kopf zum Zeichen meines Respektes.
Sie drehte mir den Rücken zu und schritt in Richtung Tür. „Ach, Eryniel, nenn mich doch Galadriel", sagte sie noch und weg war sie. Etwas perplex blickte ich ihr nach. Hatte sie mir gerade angeboten, sie ... Ein Klopfen ließ mich aufschrecken. Aragorn stand in der Tür und blickte mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an.
„Aragorn", flüsterte ich. „Ich habe mir gedacht, dass du ziemlich allein sein musst und dachte, ich komme mal vorbei", meinte er, als er sich einen Stuhl heranzog.
„Wo sind die anderen?" „Legolas versucht, Merry und Pippin Bogenschießen beizubringen und Boromir übt mit Frodo und Sam ein wenig Fechten" „Und Gimli?" „Der ist in der Waffenkammer und lässt seine Axt schärfen, glaube ich."
Nach einem kurzen Schweigen fragte er: „Du ... siehst aus, als ob dich etwas beschäftigt, Ithil?" Ich zuckte kaum merklich zusammen. Mir war klar, dass dieses kleine Zucken seinen geübten Waldläuferaugen nicht entgangen war.
„Ich ... der Tod von Gandalf ...", brachte ich nur heraus und hoffte, dass er mir diese halbe Wahrheit abkaufen würde. Sein Blick wurde weicher. „Ich verstehe ... Auch ich habe Schwierigkeiten damit. Manchmal denke ich, er kommt gleich in den Raum ..." Meine Augen erkannten den tiefen Schmerz, der sich in Aragorns Augen spiegelte. „Ihr wart lange befreundet, oder?", fragte ich. „Ja, das waren wir" Wieder verfielen wir in ein kurzes Schweigen. „Gala ... äh die hohe Herrin meinte, ich müsste noch zwei Wochen das Bett hüten? Kann ich denn nicht ..." Hoffentlich merkte Aragorn nicht, dass ich statt hohe Herrin beinahe Galadriel gesagt hatte.
„Ach Ithil.", sagte er und ich erkannte Mitleid in seinen Augen. „Deine Wunde war schwer und niemand war sich sicher, dass du überlebst. Wenn es nach mir ginge, würde ich dich erst nach vier Wochen wieder aufstehen lassen! Aber wir müssen weiter. Jede Sekunde, die der Ring hier verweilt, ist eine Sekunde mehr, in der Sauron stärker wird!"
„Ich weiß, Aragorn. Ich würde auch schon heute aufstehen und weiterlaufen!" Ich sagte es trotzig. „Ithil, ich kenne dich seit der Wetterspitze. Wenn du dir etwas vornimmst, dann schaffst du das auch irgendwie. Aber ich will nicht, dass du dich zu sehr überanstrengst. Sonst bist du uns ein Klotz am Bein, so ungerne ich das sagen will.", hielt er dagegen.
Ich seufzte. „Ich will euch nicht aufhalten. Nun gut, in drei oder vier Wochen brechen wir auf." Aragorn nickte zustimmend. „Ja, das war der ursprüngliche Plan. Nun ja, die Elben wollen ein Begräbnis für Mithrandir abhalten und ..." „Du willst dabei sein!" beendete ich seinen Satz. Aragorn nickte zögerlich. „Wenn es dir nichts ausmacht?" „Nein. Geh, Aragorn. Verabschiede dich von ihm. Richte den anderen meine Grüße aus!", sagte ich, als Aragorn aus dem Zimmer eilte.
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Túre í maranwe - Schatten der Vergangenheit
Fanfiction„Das ist kein Feind für Euch! Flieht!", sagte er und ich hörte Verzweiflung aus seinen Worten heraus. „Ich weiß, was ich kann. Ich werde ihn besiegen. Geht nur!", erwiderte ich und blickte ihn mit meiner gesamten Entschlossenheit an. „Ich zweifle ni...