I
Es war eigentlich kein Nachteil, in Block B zu leben. Es erlaubte einem den vollen Komfort eines Hybriden, der einen Wert von mindestens fünfzig Millionen Dollar hatte, aber gleichzeitig war man weder gefährlich noch mächtig genug, um rund um die Uhr überwacht zu werden. Lexi blickte manchmal zu den kleineren Blöcken A und S hinüber und fragte sich, ob die Kinder und Teens dort jemals eine private Minute hatten.
Auf der anderen Seite war sie aber auch froh, nicht in Block C gelandet zu sein. Hybrid zu sein, aber dann praktisch keine Talente sein eigen nennen zu können, war auch bitter.
Jetzt allerdings verschwendete sie keinen einzigen Gedanken an die anderen Blöcke. Nicht einmal an ihren eigenen. Sie stand seit zehn Minuten vor dem großen Spiegel in der Mädchentoilette und gab sich allergrößte Mühe, so gut wie möglich auszusehen für das Interview, das ihr gleich bevorstand. Lidschatten, Lipgloss, Frisur – das musste alles perfekt sein. Genau wie ihre Uniform. Saß das Hemd ordentlich? Die Krawatte? Der Rock?
Zum siebten Mal ging sie alle Details durch, zum siebten Mal fand sie irgend ein kleines Detail, das ihr nicht behagte. Irgendeine kleine Haarsträhne, die falsch fiel. Ein Falz in ihrem Ärmel, der da nicht hingehörte. Ein winziger Fleck auf den glänzenden Schuhen. Wenn nicht irgendwann plötzlich ihre Armbanduhr vibriert hätte, wäre sie vermutlich noch Stunden dort gestanden.
Termin um: 14:00 – Bitte in den nächsten 5 Minuten erscheinen
Lexi wischte hastig mit dem kleinen Finger die Nachricht auf der kleinen Anzeige weg, raffte ihre Tasche an sich und stakste durch die leise zischende Automatiktür wieder auf den Gang hinaus. Das Büro war nur wenige Meter entfernt und sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Lily den Raum verließ, mit Hitze in den Wangen und etwas zerzausten, blonden Haaren. Sie erblickte Lexi, hastete auf sie zu und griff nach ihren Händen.
„Sei nicht nervös!", sagte sie im Ton einer Person, die gerade eben sehr nervös gewesen war. „Die wollen nur ein paar Sachen erklären!"
„J-ja okay, danke Lily."
Lily drückte sie kurz und hastete dann ohne ein weiteres Wort davon, also blieb nur noch, als Nächste das Büro des Aufsehers zu betreten. Nicht ohne vorher noch ihre schweißnassen Handflächen an ihrem Rock abzuwischen. Himmel, sie war selbst vor den schwierigsten Prüfungen nie so nervös, was zur Hölle war denn mit ihr los?
Der Aufseher, der sie begrüßte, war dann einer, den sie noch nie zuvor gesehen hatte – ein relativ junger Mann, vermutlich erst Mitte oder Anfang dreißig, mit Brille und Hörgerät. Er trug allerdings den bekannten Anzug: Schwarz, weißes Hemd, dunkelrote Krawatte und an der Brusttasche das Emblem, das ihn als Aufseher des Campus' kennzeichnete.
„Bitte, setz dich", fing er an und wies auf den freien Stuhl vor ihm am Schreibtisch. Lexi nickte, schluckte kräftig und setzte sich dann artig hin. Der Aufseher scrollte durch einige Dateien, die vor ihm in der Luft flimmerten – der Projektor war offenbar etwas älter.
Generell war das ganze Büro offenbar noch von der letzten Generation. Die Wände zwar steril und weiß wie alle anderen auch, aber die Aktenschränke an den Wänden schienen sogar aus echtem Holz zu sein. Ebenso wie der Schreibtisch, über den Lexi verstohlen eine Hand gleiten ließ. Immerhin waren die Topfpflanzen am Fensterbrett nur aus Kunststoff, was fast beruhigend war. Für echte Pflanzen war ein Aufseher nicht wichtig genug.
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Lexi, Jo & Freiheit
Science FictionLexi ist zwar nur ein Hybrid der Kategorie B ohne wirklich besondere Fähigkeiten, aber sie ist trotzdem guter Dinge: Sie ist Klassenbeste, hat wirklich gute Freunde und in den nächsten Ferien darf sie mit einer Gruppe ihrer Kameraden endlich den Cam...