I
Lexi kam verblüffend weit.
Wie sie bei ihren beiden unfreiwilligen Rundgängen hier gesehen hatte, war dieses geheime Stockwerk sehr unterbevölkert – zumindest in diesem Bereich. Die meisten der grauen, gekrümmten Korridore waren leer und still. Es war eine dumpfe Stille, die auf die Ohren drückte – gleichzeitig hallten die Schritte auf dem glatten Boden erschreckend laut. Zumindest Hs Schritte, da er Schuhe hatte, während Lexi nach wie vor nicht mehr an den Füßen trug als eine einzelne Socke. Die andere hing wohl immer noch über dem Rand ihres Waschbeckens.
„Weiter!", befahl sie und stieß H mit dem Lauf der Pistole in den Rücken, wann immer er drohte, zu langsam zu werden. „Nicht stehen bleiben."
„Wo willst du überhaupt hin?" Er klang inzwischen hörbar verzweifelt. „Der Lift ist der einzige Weg nach oben und um ihn zu erreichen, musst du durch die Schleuse. Und an der Schleuse stehen immer mindestens drei bis vier Soldaten. Gepanzerte Soldaten. Die kleine Handfeuerwaffe wird nicht einmal durch die äußerste Schicht schlagen."
„An ihnen vorbei zu kommen wird dein Job sein, H."
Er fluchte, aber widersprach nicht – und seltsamerweise machte das Lexi nervöser als wenn er weiter versucht hätte, sie zu überzeugen. Dass er die Pistole in ihrer Hand weit mehr respektierte als das Mädchen, das sie hielt, war ihr klar. Er versuchte höchstwahrscheinlich nur, Zeit zu schinden. Oder sie im Kreis zu führen.
An der nächsten Wegkreuzung hielt sie ihn daher mit einem „Moment!" auf. „Was ist mit Notausgängen?"
„Notausgänge?" H klang, als müsste er ein Lachen unterdrücken. „Nicht einmal die Atemluft hier unten verlässt die Anlage unkontrolliert. Glaubst du wirklich, es gibt einfach Notausgänge?"
„Und wenn hier unten der Strom ausfällt, was dann?"
„Der Strom hier unten fällt nicht aus. Wir haben zwei separate Reaktoren, die den gesamten Campus versorgen plus sechs Notstromaggregate. Wenn der Strom hier ausfällt, hat jemand das gesamte Admingebäude in Grund und Boden bombardiert."
„Das wäre mal ein Fortschritt."
Verächtliches Grunzen. H wandte sich Lexi halb zu. „Wir halten den ganzen Planeten am Laufen, Kind", gab er zurück. „Klimaregulation, Politik, Renaturierungen, Lebensmittelversorgung bis in den letzten Winkel der verdorrten Steppen Afrikas. Es gab seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr. Du bist nicht wichtiger als das alles."
„Ich hab nicht gefragt." Lexi stieß ihn nach vorne in den nächsten Gang. „Entweder wir überleben beide, oder wir sterben beide. Das ist das Einzige, das dich interessieren sollte."
Die kurze Verzögerung hatte gereicht.
Lexi sah es gerade noch im letzten Moment. Im anderen Korridor waren zwei Männer aufgetaucht. Keine Soldaten oder Aufpasser, ihren Laborkitteln nach zu urteilen vermutlich Leute aus der Forschungsabteilung. Doch sie hatten Lexi mit ihrer Pistole eindeutig gesehen und gerade als sie ihnen den Kopf zuwandte, packte der eine den anderen am Arm und zerrte ihn wieder mit sich um eine andere Ecke.
„Shit." Lexi drängte H weiter. „Wir gehen hier entlang."
„Da hinten ist der zentrale Bereich, da sind noch mehr Leute und viel mehr Überwachungskameras, das ist anders als hier hinten in den Lager..."
„Egal. Wir ... ich weiß nicht, gehen einen Umweg!"
Sie verlor die Kontrolle. Lexi blickte sich hastig um, stolperte, vergaß für einen Moment, wo sie schon gewesen war und versuchte, sich zu erinnern, wie Block X aufgebaut war. Keine Chance. Sie hatte zu wenig davon gesehen und er war zu verwirrend angelegt. Schnell standen sie vor einer Sackgasse, die nur in einen weiteren Lagerraum führte. Sie musste umkehren, eine andere Abzweigung nehmen – und fand sich genau vor einer meterlangen Glaswand wieder, hinter der eine Kantine lag. Etwa zehn Arbeiter starrten ihr durch das Glas entgegen.
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Lexi, Jo & Freiheit
Science FictionLexi ist zwar nur ein Hybrid der Kategorie B ohne wirklich besondere Fähigkeiten, aber sie ist trotzdem guter Dinge: Sie ist Klassenbeste, hat wirklich gute Freunde und in den nächsten Ferien darf sie mit einer Gruppe ihrer Kameraden endlich den Cam...