I
Lexis zuvor so ordentliche Wohnung sah inzwischen aus, als hätte jemand kistenweise Krimskrams wahllos darin ausgeleert – und die Wahrheit war davon gar nicht so weit entfernt. Während Lexi ihre bescheidenen Einkäufe säuberlich auf den Sofatisch gestapelt hatte, bestand Joannas Taktik darin, alles auf einen großen Haufen in die Mitte des Wohnzimmers zu leeren und darin zu wühlen wie ein Kind in einer Kiste voller Spielsachen.
„Was machst du mit all den Sachen überhaupt?", fragte Lexi, halb lachend, halb besorgt. „Du kannst doch in deinem kleinen Koffer unmöglich alles nach Hause schleppen."
„Na dann muss ich eben irgendwann einen neuen Koffer kaufen!" Joanna kramte durch ihre Sachen und zog ein glitzerndes Stück Stoff hervor. „Guck mal, die Leggings glänzen echt cool in dem Licht."
„W-willst du sie anprobieren?"
„Ich überleg grade. Ich trag sowas eigentlich nie." Joanna ließ den Stoff von einer Hand in die andere gleiten, mit einer Miene, als dächte sie gerade über das Schicksal der Welt nach. Sie ließ die Leggings dann aber wieder fallen. „Ein andermal vielleicht. Sonst komm ich hier nie voran."
Lexi blinzelte einmal und wandte ihren Blick dann dem Berg zu. „Was hast du da sonst noch alles?"
„Na, hier sind zum Beispiel echt coole Schuhe und da ist ein echt cooler Roboter." Joanna hielt eine Box hoch, in der ein Plastikroboter aus irgendeinem Film lag. „Ich hab keine Ahnung, woher der ist, aber er sieht einfach so cool aus. Und er hat ein Schwert, das im Dunkeln leuchtet!"
Lexi konnte nicht widerstehen. Sie setzte sich neben Joanna und zog nun ebenfalls etwas aus dem Berg. „Da sind so viele Dinge, die ich noch nie gesehen habe", meinte sie. „Was zum Geier ist das zum Beispiel?"
„Das sind, äh, ... Ellbogen...wärmer?"
„Das gibt's?"
„Keine Ahnung, ist wohl modern?"
„Und was ist das hier?"
„Erdbeermilch!"
Lexi prustete auf. „Aber du kannst doch auch Erdbeermilch zuhause bekommen, oder nicht?"
„Möglich, aber zuhause ist immer alles gesund und bio und sogar die Süßigkeiten sind immer total zuckerarm und nur mit natürlichen Zutaten, bla bla. Irgendwie hab ich mal Lust, total ungesunden Mist in mich reinzuschaufeln. Wie ein Mensch!" Jo zog weitere Sachen hervor. „Süßigkeiten, die nur aus künstlichen Zutaten bestehen! Fettige Knabbereien! Grässliche Farbstoffe! Brausepulver, das deine Zunge blau färbt!"
„Was, das gibt's?"
„Glaub schon. Keine Ahnung. Aber eins nach dem anderen!"
Misstrauisch drehte Lexi die Kunststoffflasche in der Hand, um die Zutaten zu überprüfen – und wie sich herausstellte, enthielt besagte Erdbeermilch weder echte Erdbeeren, noch echte Milch. Entsprechend skeptisch war sie dann auch, als Jo ihr die Flasche abnahm, den Deckel knackend abschraubte und mehrere große Schlucke der inzwischen ziemlich lauwarmen Flüssigkeit nahm.
„U-und? Wie ist das?"
„Brr." Jo schüttelte sich. „Scheußlich!"
„Das ... tut mir leid?"
„Muss es nicht." Jo äugte in die Flasche. „Es ist nämlich gleichzeitig scheußlich und lecker! Kennst du das nicht, wenn du etwas gleichzeitig magst und nicht magst?
Lexi war nicht sicher, ob sie verstand, was Jo meinte – und als sie selbst einen Probeschluck nahm, fand sie, dass die Erdbeermilch etwa so schmeckte, wie sie sich den Geschmack pinker Tapetenfarbe vorstellte. Ihr verzerrtes Gesicht reizte Jo jedenfalls dazu, vor Lachen fast umzukippen. Lexis Magen fing zu kribbeln an, doch sie war nicht sicher, ob das an der Erdbeermilch oder an Joannas hellem Kichern lag.
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Lexi, Jo & Freiheit
Science FictionLexi ist zwar nur ein Hybrid der Kategorie B ohne wirklich besondere Fähigkeiten, aber sie ist trotzdem guter Dinge: Sie ist Klassenbeste, hat wirklich gute Freunde und in den nächsten Ferien darf sie mit einer Gruppe ihrer Kameraden endlich den Cam...