II - Having a Ball

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I


Lexis Zimmer war, wie das aller Hybriden in Block B, klein, aber sehr gemütlich. Ein Fenster, ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch mit Stuhl, ein gemütliches Bett, das man in ein Sofa umklappen konnte, wenn man wollte. Groß genug, um sich richtig darin ausbreiten zu können. Eine schmale Schiebetür wiederum führte in ein winziges Badezimmer, im dem nur gerade genug Platz war, um sich umdrehen zu können. Das Waschbecken und das Klo waren direkt nebeneinander, gegenüber war eine kleine Duschkabine. Für alles war Lexi selbst verantwortlich und einmal im Monat kam ein Erzieher vorbei und kontrollierte das Zimmer auf Sauberkeit. Nicht überragend streng, aber doch genau genug. Wer in einem Müllhaufen lebte, musste mit Strafen rechnen und wurde meistens zum Putzen der Gänge verdonnert.

Nicht, dass Lexi jemals auch nur in der leisesten Gefahr gewesen wäre. Sie war gründlich, genau und sehr sauber. Und stolz darauf.


An den Wänden hingen Poster von berühmten Hybriden, Filmen und menschlichen Bands, in der Wand neben dem Bett war eine kleine Nische, in der Lexi ihre wertvollsten Schätze aufgestellt hatte. Dazu gehörte das Foto von ihrem ersten Schultag, der Plastikdinosaurier, den Noah ihr in der Grundschule geschenkt hatte, und seit ihrem sechzehnten Geburtstag lag nun auch noch ein Buch dabei.

Ein richtiges Buch, kein digitales. Es war schon ein bisschen älter und trug den Titel Die Geschichte der Menschheit bis 2050 – einer der Erzieher hatte es offenbar in einem alten Lager gefunden, neu einbinden lassen und ihr zum Geburtstag geschenkt.

Inzwischen kannte Lexi es fast auswendig, aber immer noch verbrachte sie ihre Abende gern im Bett, eingerollt in ihre Decke, zwischen all ihren Plüschtieren, und las über die Menschheit und all ihre Errungenschaften sowie Probleme. Über Erfindungen und Entdeckungen, Kriege, Religionen, Krisen und Erfolge. Und obwohl sie selbst kein Mensch war, fühlte sie immer ein wenig Stolz für diese Spezies. Immerhin hatten sie es weit gebracht, mit ihrer kurzen Lebensspanne und ganz ohne mächtige Talente. Und der Geschichtsunterricht in der Schule – der beschränkte sich einzig und allein auf die negativen Aspekte der Menschheit, aktuelle Geschehnisse in der Weltpolitik und die Geschichte der Hybriden. Das war natürlich auch interessant, aber manchmal bekam man das Gefühl, das einem dabei ein Puzzleteil fehlte. Deshalb war sie dankbar für das Buch.

Und manchmal wiederum fühlte sich die Information darin so nutzlos an. Niemanden in der Schule schien zu interessieren, wer die Pyramiden gebaut hatte oder wann das Penicillin gefunden worden war – im Unterricht ging es immer nur um Krieg und Zerstörung.

„Ich weiß wirklich nicht, warum dich das so stört", hatte Jayden einmal zu ihr gesagt. „Wir sind keine Menschen. Wir müssen lernen, was sie falsch gemacht haben, damit wir die Probleme eines Tages lösen können. Darum geht es hier doch."

Dafür hatte sie kein Gegenargument gehabt, aber es hatte an ihrem Interesse nichts geändert.


Was nicht hieß, dass sie ignorierte, was sie in der Schule lernte. Als sie am nächsten Tag im Unterricht saß, war sie an der Reihe für die mündliche Kurzprüfung.

„Alexandra."

„Anwesend." Sie erhob sich und rückte ihre Krawatte zurecht.

„Kannst du mir sagen, was du über den wichtigsten Kategorie B Hybriden weißt?"

„Ava Yanssen, geboren 2015. Keine offensiv nutzbaren Talente, dafür ein nahezu übernatürliches Verständnis für Zahlen und Mustererkennung. Aktueller Aufenthaltsort unbekannt, man vermutet dass sie mit ihren Geschwistern in der Schweiz in einer deren unterirdischen Städte Asyl bekommen hat."

Lexi, Jo & FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt