XVI - Going Nowhere

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I


Joanna ging in der Wohnung hin und her. Manchmal blieb sie kurz stehen und holte Luft, um womöglich etwas zu sagen, aber bremste sich dann und ging weiter. Wortlos. Vom Eingang bis zum Schlafzimmer. Wieder zurück. Vom Fenster bis zur Kochecke – und wieder zurück. Lexi saß dabei nur stumm auf dem Sofa, hielt die Beine an den Körper gezogen und folgte ihrer Freundin mit den Augen.


Als Lexi die angespannte Stille kaum noch aushielt, blieb Jo endlich stehen und setzte sich. Direkt auf den Sofatisch. Sie blickte Lexi ernst entgegen und pustete fast wütend eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

„Ist doch Bullshit", sagte sie nur.

„Was?"

„Das ist genau das, wovon ich gestern geredet habe", sagte sie. „Ich hab endlich etwas, das sich echt anfühlt und jetzt sagst du mir, das ist mir auch einprogrammiert worden?"

„Ich weiß es nicht", schniefte Lexi. „Ich weiß es nicht. Vater sagt das."

„Vater könnte auch lügen."

„Vielleicht hat er das."

Joanna raufte sich das Haar. „Oder es war gar nicht Vater, sondern ... jemand, der ihn imitiert, um dem Netzwerk zu schaden!"

„Glaubst du das?" Lexi versuchte, nicht zu hoffnungsvoll zu klingen, als sie das fragte, aber Joannas Miene war leider nicht so enthusiastisch.

Ihr „Ich weiß nicht" klang auch nicht sehr überzeugend. „Das wäre zu einfach ... oder nicht?"

Lexi hatte keine Ahnung, wann etwas zu einfach sein sollte. Keine der Möglichkeiten gefiel ihr. Sie zog nur geräuschvoll Luft durch die Nase und wischte ihr Gesicht mit dem Unterarm ab. Jo dagegen ließ den Kopf hängen und wirkte plötzlich völlig besiegt.

„Wenn das alles stimmt", sagte sie und ihre Stimme zitterte hörbar, „heißt das, wir sind gar nicht wirklich zusammen?"

„Vater hat gemeint, ich wäre vielleicht immun gegen die Konditionierung."

„Aber ich nicht. Vielleicht glaube ich nur, dass ich dich mag. Weil das Netzwerk das so wollte."

Das schmerzte. Das war die eine Sache, die Lexi nicht mehr losließ. Dass sie sich womöglich hilflos in ein Mädchen verliebt hatte, das nur telepathisch dazu gezwungen worden war, ihre Gefühle zu erwidern. Sie wusste nicht, ob ihr Jo oder sie sich selbst mehr leid tat, aber es schnürte ihr die Kehle zu.

Joannas Schultern fingen zu zittern an. Sie senkte den Kopf weiter, bis Haare ihr Gesicht verdeckten und ihre Stimme erstarb zu einem erstickten Quieken. „Es tut mir leid, Lexi." Sie war kaum verständlich. „Aber es fühlt sich so echt für mich an."

„Für mich auch!" Lexi rutschte vom Sofa, packte Joanna an den Schultern und zog sie an sich. Diese schniefte laut und krallte sich an Lexis Rücken fest.

„Es tut mir leid, dass ich nicht so echt sein kann wie ich es wollte", heulte sie. „Es war keine Absicht. Es war keine Absicht."

„Ich weiß."

Sie blieben eine Weile genau so stehen. Lexi ließ ihre Freundin schluchzen, bis sie es irgendwann schaffte, sich von ihr zu lösen und aufzublicken. „Das ist so unfair", meinte Jo und brachte es tatsächlich fertig, ihr Weinen herunterzuschlucken. „Ich kann mich wenigstens damit trösten, dass du mich wirklich magst. Aber du?"

Lexi atmete durch, trat einen Schritt zurück und wischte ihr Gesicht ab. „Ich will die ganze Sache nicht glauben", behauptete sie trotzig und gegen ihr eigenes Gefühl. „Das ist alles ... ein Trick. Von Vater. Nein, von jemandem, der so tut, als wäre er Vater. Wie du gesagt hast, oder?"

Lexi, Jo & FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt