IX - Almost There

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I


Es war die mit Abstand unangenehmste Schulung, die Lexi jemals erlebt hatte. Sie saß allein in einem Raum mit zwei Netzwerk-Agenten im Anzug, die sie zu ihrer Beziehung zu Joanna befragten, als hätte sie einen neuen Staubsauger gekauft.


Fragen wie „Wo und wie habt ihr einander kennen gelernt?" oder „Bist du zur Zeit in einer fixen Beziehung mit jemandem?" waren vielleicht noch irgendwo nachvollziehbar, aber irgendwann kam die Frage „Hattet ihr bereits sexuellen Kontakt oder plant ihr sexuellen Kontakt in irgendeiner Form in der näheren Zukunft?" und da konnte selbst die angepasste, brave Lexi nicht anders, als mit hochrotem Kopf empört zu prusten und etwas zu stammeln, das in ihrem Kopf wie „Das geht Sie überhaupt nichts an, das ist eine viel zu persönliche Frage!" klang, aber ihren Mund als „Ähm, was ...also ... das ist nicht ... ich kann doch nicht ... wir sind erst ... persönlich ... wieso wollen Sie das wissen?" verließ. Der eine Anzug bekam Mitleid mit ihr und klopfte dem anderen Anzug kollegial auf den Unterarm.

„Überspringen wir die Frage", meinte er gönnerhaft, aber Lexi konnte sehen, dass er auf seinem Tablet das Nein anklickte. „Bitte missverstehe uns nicht, Alexandra. Wir wollen dich nicht in Verlegenheit bringen."

Ja, das habt ihr vergeigt, wollte Lexi sagen, aber brachte keinen Ton heraus. Sie verlegte sich stattdessen darauf, hektisch ihre Haare zurecht zu streichen und an ihren Fingern herumzunesteln.

„Wir müssen Vorsichtsmaßnahmen treffen", erklärte der erste Anzug weiter. „Immerhin reden wir von einem Hybriden der Kategorie S und du bist nur Kategorie B. Du solltest vermeiden, jemanden aus einer solchen Kategorie zu verletzen."

Es wurde nicht besser. „Was? Denken Sie, Joanna würde mir etwas antun?"

„Nein, das entspricht nicht ihrem Profil. Es ist allerdings im Interesse des Netzwerks, dass unsere S-Hybriden keine schweren psychischen Schläge erfahren müssen, deshalb versuchen wir festzustellen, ob potentielle Beziehungskandidaten geeignet sind oder nicht." Er räusperte sich.„Ohne dir etwas unterstellen zu wollen, natürlich. Wir wollen nur vorbereitet sein."

Lexi blieb der Mund offen stehen. Das war nicht einmal eine Schulung. Es war ein Bewerbungsgespräch.

„Wir möchten dich bitten, davon abzusehen, Phoenix VI zu betrügen, emotional zu erpressen, von anderen zu isolieren oder anderweitig zu misshandeln." Er kramte in einer Tasche. „Wir haben hier einen Infobogen für dich, der dir die Sache vielleicht besser erklären kann als wir."

Wie ferngesteuert nahm sie das gefaltete Papier an. Es war eine Art Broschüre mit dem Aufdruck Beziehungen und Dates mit Hybriden der Kategorie A oder höher – eine kurze Einführung. Sie blinzelte mehrmals und starrte dann die beiden Anzüge an. „Ich wollte doch nur zum Ball mit ihr gehen", erklärte sie schwach, aber keiner der beiden schien wirklich zu hören, was sie sagte.

„Unser Job ist es, die Interessen von Phoenix VI zu vertreten", sagte der zweite Anzug. „Wir haben dein Psych Profile bereits durchgesehen und sind zuversichtlich, dass du selbst als B-Hybrid in der Lage sein wirst, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Das ist also nur eine kleine Formalität."

„Solltest du Fragen haben oder Hilfe benötigen, kannst du uns jederzeit eine Nachricht schicken", sagte der erste wieder. „Unsere Aufzeichnungen beinhalten Vorlieben, Hobbys und Abneigungen, auf die du bei Bedarf Zugriff erhalten kannst."

„Wir freuen uns darauf, zu sehen, wie sich eure Beziehung entwickelt."


Lexi war absolut fassungslos, als sie wieder den Raum verlassen und zu ihrem Wohnbereich zurückgehen konnte. So fassungslos, dass sie sich erst einmal auf eine Sitzbank neben einem besonders buschigen Kunststoffstrauch setzen musste. Dass sie die seltsame Broschüre immer noch mit beiden Händen hielt, fiel ihr auch erst wieder ein, als sie den Blick senkte und sie dort sah.

Lexi, Jo & FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt