Kapitel 4

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Hi, ihr Lieben!

Ich bin aus dem Urlaub zurück und habe heute Kapitel 4 von Juri und Tess für euch. Ich freue mich auf eure Rückmeldungen. Schaut doch gern mal auf meinem Instagramkanal vorbei! melinah_writer -> Ich freue mich auch dort auf den Austausch mit euch!

LG Melinah

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David betrat das gemeinsame Zimmer und sah sich nach Juri um. Der stand draußen auf dem Balkon und stützte sich am Geländer ab. David trat neben ihn. „Ich weiß nicht so richtig, was ich sagen soll...", fing er an. „Ist sie es wirklich?" Juri nickte. „Ja, sie ist es. Und sie hat mich erkannt." „Ist das gut oder schlecht?" Juri zuckte mit den Schultern. „Willst du mir nicht mal alles erzählen?" David legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie gingen hinein und Juri setzte sich auf sein Bett, sein bester Freund ihm gegenüber auf einen Stuhl. „Ich hab Tess im Dezember kennengelernt. Eine Woche vor Weihnachten, an dem Abend, an dem wir feiern waren." „Ahhh, ich verstehe." „Wir haben uns bis Silvester ziemlich oft gesehen und auch ein paar Mal miteinander geschlafen. In der Zeit jetzt, in der wir uns nicht sehen können, wollten wir überlegen, wie es weitergeht. Wir wollten sehen, ob mehr daraus werden kann." David nickte verständnisvoll. „Wusste sie nicht, wer du bist?" Fragend sah Juri ihn an. „Ich meine, sie hat ja damals sicher schon gewusst, dass sie zum DHB kommt. Hat sie nicht gewusst, dass du Teil der Mannschaft bist?" „Nein", antwortete Juri. „Habt ihr nie darüber geredet?" „Ehrlich gesagt nicht. Sie wollte nicht, dass wir über unsere Berufe sprechen." „Warum nicht?" „Sie meinte, jeder Beruf hätte seine Vorurteile, auch ihrer und sie wollte nicht, dass irgendetwas zwischen uns steht." „Hmm..." David lehnte sich zurück. „Glaubst du ihr, dass sie es nicht wusste?" Juri überlegte. „Ja, eigentlich schon. Ich habe ihre Reaktion vorhin gesehen. Wenn sie gewusst hätte, dass sie mit mir arbeitet, hätte sie nicht so reagiert, da bin ich mir sicher." „Okay." Juri seufzte und ließ sich nach hinten fallen. Er presste die Hände auf die Augen und würde am liebsten einfach weinen. Er hatte sich in Tess verliebt und sich durchaus vorstellen können, sie als seine Freundin an der Seite zu haben, doch nun würde das schwierig werden. „Warum redest du nicht einfach nochmal mit ihr? Vielleicht ist alles nur halb so schlimm", schlug David vor. „David... Glaubst du wirklich, dass eine Beziehung zwischen einem Spieler und einer Betreuerin geduldet wird?" „Keine Ahnung, ich kenne die Vorschriften nicht. Aber ich denke, du solltest ganz dringend mit ihr sprechen." Juri atmete tief durch und setzte sich hin. Er löste den Haargummi und fuhr sich durch die Haare. Er spürte, dass er Kopfschmerzen bekam. „Wahrscheinlich hast du Recht, aber mir wird das alles gerade zu viel." „Das verstehe ich. Wir sollten jetzt zum Essen gehen und ich versuche, sie heute von dir fernzuhalten. Dann könnt ihr morgen in Ruhe sprechen." „Ich hab keinen Hunger." „Juri..." David legte den Kopf schief. „Du weißt, dass Alfred und der Doc darauf achten, dass wir alle beim Essen sind. Mach es dir jetzt nicht noch schwerer und komm mit." Juri stand auf. „Seid wann bist du der Vernünftige von uns beiden?" „Du bist einer meiner besten Freunde und ich kenne dich ziemlich gut. Ich will einfach nur für dich da sein." „Danke." Juri band die Haare wieder zusammen und folgte ihm.

Im Speisesaal war viel los, es waren fast alle direkt nach dem Meeting rüber gegangen. Tess saß an einem Tisch mit Jannik, Andreas und Rune. Sie hatten sie ein bisschen ausgefragt, womit sie grundsätzlich kein Problem hatte. Wenn sie eine Frage nicht beantworten wollte, sagte sie das, aber die Jungs wählten ihre Fragen mit Bedacht. Sie waren überrascht, dass sie vorher wirklich gar nichts über sie wissen wollte und auch ihre Namen noch nicht gekannt hatte. „Warum nicht?", wollte Jannik wissen. „Hätte ich eure Namen gekannt, wären mir früher oder später Informationen über den Weg gelaufen. Das wollte ich vermeiden. Ich möchte meine Klienten immer unvoreingenommen kennenlernen. Nachfragen kann ich dann immer noch. Aber so kann ich mir mein ganz eigenes Bild von euch machen, das automatisch ergänzt wird. Es ist viel besser, ohne eine bestehende Meinung an die Sache heranzugehen." „Und was hast du schon über uns herausgefunden?", fragte Rune interessiert. „Jannik stellt gern provozierende Fragen, also ist er wahrscheinlich auch auf dem Spielfeld so. Ich kann mir vorstellen, dass er keinen Zweikampf scheut und es dabei auch mal etwas härter zugehen kann. Andreas hat mich sofort mit seiner Größe und Ausstrahlung beeindruckt. Eine Mischung aus Ernsthaftigkeit, Ruhe und Witz. Er ist sicher dazu in der Lage, ein Spiel schnell zu überblicken. Seine Ruhe hilft ihm bei der Reaktion auf den Gegner. Und du... Tja, du bist ein Stück kleiner als die anderen, aber dennoch nicht zu unterschätzen. Ich nehme an, du spielst schon ein bisschen länger in der Nationalmannschaft, was dich einerseits zu einem Vorbild und andererseits zu einer sicheren Option in vielen Bereichen macht. Du bist bedacht und trotzdem emotional." „Wow! Du bist gut!" „Du bist RICHTIG gut", ergänzte Andreas. „Wir werden nichts vor dir verbergen können, oder?", fragte Jannik. „Wahrscheinlich nicht. Ich kann natürlich nicht jeden immer so gut einschätzen, aber bei den meisten Menschen gelingt es mir ganz gut." Während sie sich mit den andern unterhielt, spürte Tess ganz plötzlich Juris Anwesenheit im Raum. Sie drehte sich zur Seite und sah, wie er mit David durch die Tür trat und zum Buffett ging. Die Männer an ihrem Tisch waren ihrem Blick gefolgt. „Der große Blonde ist David Späth, der zweite Torhüter", erklärte Andreas. „Er ist jung und überschwänglich, aber man kann sich in den wichtigen Momenten absolut auf ihn verlassen." „Daneben mit dem Zopf, das ist Juri Knorr. Unser Spielmacher und ein absolutes Ausnahmetalent. Der kann noch richtig groß werden", sagte Rune. „Auf ihm lastet wahnsinnig viel Druck, mit dem er umgehen muss. Meistens macht er das richtig gut, aber manchmal wird es ihm einfach zu viel. Er ist sehr sensibel und muss unbedingt noch ein bisschen beschützt werden. Ich meine, er ist erst 23 und hat schon so viel Verantwortung, das ist nicht einfach", fügte Andreas hinzu. „Für ihn wirst du sicher eine große Hilfe sein." Tess atmete durch. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie riss sich zusammen und nickte. Niemand durfte bemerken, dass sie und Juri sich kannten. Wenn es rauskam, war sie ihren Job sofort wieder los und Juri lief Gefahr, aus der Mannschaft zu fliegen. Zumindest konnte Tess sich nicht vorstellen, dass Beziehungen zwischen Spielern und Betreuern erlaubt waren. Außerdem verbot es ihr das eigene Berufsethos, eine Beziehung zu einem Klienten zu führen. Juri sah für einen Moment zu ihr rüber und ihre Blicke trafen sich. Sie kannte diesen Blick, er war traurig. Auch David, der neben ihm ging, sah zu ihr herüber und lächelte sie an. Sie nickte ihnen zu und wandte sich wieder zu ihren Tischnachbarn.

Noch am gleichen Abend beschloss Tess, zu Alfred zu gehen und ihm von der Situation zu erzählen. Es war schon später, als sie bei ihm klopfte. Er öffnete die Tür. „Guten Abend, Tess." „Hi Alfred. Bitte entschuldige, dass ich dich so spät noch störe." „Ach was, komm rein." Sie setzten sich auf die kleinen Sessel, die an einem Tisch standen. Er sah sie mit schiefgelegtem Kopf an. Alfred Gislason besaß eine hervorragende Menschenkenntnis, er merkte sofort, wenn etwas nicht stimmte. „Was hast du auf dem Herzen?", fragte er und sah sie sanft an. „Es ist tatsächlich eine Herzensangelegenheit", antwortete Tess und seufzte. „Es geht um Juri." „Knorr?" Sie nickte und er wartete ab. „Wir kennen uns." „Na, das ist doch schön." „Ich weiß nicht, Alfred. Wir kennen uns seit Dezember und sind uns nähergekommen. Und bevor du jetzt fragst, wir sind uns ziemlich nahegekommen." „Oh, ich verstehe." „Hätte ich gewusst, wer er ist, hätte ich mich niemals darauf eingelassen, aber da ich vorher keine Namen haben wollte... Jetzt ist es natürlich ein Problem." „Warum?" Sie runzelte die Stirn. „Zum einen glaube ich nicht, dass der Verband es gutheißt, wenn die Teampsychologin was mit einem der Spieler hat. Oder besser hatte, denn jetzt ist es selbstverständlich vorbei. Und zum anderen ist Juri jetzt einer meiner Klienten und wenn das rauskommt, kann das für mich weitreichende Folgen haben." „Aber zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr euch kennengelernt habt, wusstest du noch nichts davon." „Das stimmt." „Dann ergibt sich dieses Problem schonmal nicht", sagte Alfred. „Ich weiß nur nicht, wie ich jetzt mit ihm umgehen soll." „Ich verstehe. Nun, es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten. Erstens: Ihr könnt ganz normal miteinander arbeiten und es ist alles gut. Allerdings hättet ihr dann vielleicht keine Zukunft. Zweitens: Nur für ihn müssten wir einen zweiten Psychologen dazuholen, da er nicht der einzige Spieler ohne Betreuung sein kann. Oder Drittens: Wir müssten für alle einen neuen Psychologen holen und du müsstest gehen. Dann wäre der Weg für euch allerdings frei. Option zwei und drei halte ich für unrealistisch." Tess nickte und sah aus dem Fenster. Sie war verzweifelt. Sie musste sich eingestehen, dass sie Juri sehr gern hatte und sich vorstellen konnte, dass aus ihnen hätte mehr werden können. „Ich will diesen Job hier wirklich gern machen, Alfred." „Ich würde vorschlagen, ihr redet mal miteinander. Wenn es für dich jetzt sowieso vorbei ist, dann findet ihr vielleicht einen Weg, für die Zeit der EM miteinander arbeiten zu können." Tess nickte. „Vielleicht solltest du die Situation auch mal aus einer anderen Perspektive betrachten." „Wie meinst du das?" „Ich weiß, du hast deine Überzeugungen, auch im Bezug auf deinen Beruf, aber sieh es mal so: Die Mannschaft ist dein Klient. Juri ist ein Teil davon, so wie jeder andere hier auch, aber auf dem Papier ist es eine ganz andere Sache. Behalte das im Hinterkopf, ich denke, das könnte euch eine Tür öffnen." Tess dachte nach. War das eine Option? Wollte sie, dass es eine Option war? Konnte sie das mit ihren eigenen Werten vereinbaren? „Darüber muss ich nachdenken, Alfred. Aber ich danke dir sehr." „Juri ist ein hochsensibler Junge, ein fantastischer Mensch. Und du bist es auch, Theresa. Ich glaube, ihr könntet euch wirklich guttun. Denk immer daran." Tess nickte und verabschiedete sich dann von Alfred. In ihrem Zimmer telefonierte sie mit Mika und erzählte ihm alles. Er schimpfte fünf Minuten lang mit ihr. „Ich hab dir gleich gesagt, frag ihn, was er macht. Dann wäre es nicht so weit gekommen!" „Ich weiß, Mika. Jetzt ist es aber so." „Was hat der Trainer nochmal gesagt?" „Die Mannschaft ist mein Klient." „Und willst du das, Tess? Willst du ihn so sehr, dass es sich lohnt, die Vorschriften so zu umgehen?" „Ich weiß es nicht..." Er wurde wieder sanfter. „Wenn du mich fragst, dann bist du verliebt und darüber freue ich mich. Denk darüber nach und entscheide es ganz in Ruhe, okay?" „Okay." „Wie war nochmal sein Nachname?", fragte er und Tess wusste, dass Mika Juri jetzt googlen würde. „Knorr." „Hmm... Du meine Güte! Er ist heiß!" „Mika!" „Nein, ganz im Ernst. Und sein Lächeln erst! Das solltest du bei deiner Entscheidung unbedingt berücksichtigen." Nun musste Tess lachen. Sie unterhielten sich noch kurz, bevor sie sich verabschiedeten. Die Gespräche mit Alfred und Mika hatten ihr Kraft gegeben. Sie nahm sich fest vor, morgen mit Juri zu sprechen.

Juri hingegen war absolut hin- und hegerissen. Einerseits wollte er Tess. Er wollte sie in seinem Bett, in seinen Armen und vor allem in seinem Leben. Andererseits war er schon jetzt, am ersten Abend, so sehr abgelenkt, dass es nicht gut ausgehen konnte. Wie sollte er sich auf den Sport und das Turnier konzentrieren, wenn die Frau, in die er verliebt war, direkt vor seiner Nase war und doch unerreichbar? Über diesem Gedanken schlief er schließlich viel zu spät ein.


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