Kapitel 18

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Hey :)
In diesem Kapitel gibt es die letzte mentale Einheit mit Tess. Es ist ein bisschen kürzer und wir nähern uns damit dem Ende.
LG Melinah
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Tess betrat am Morgen nach dem Spiel um Platz 3 als eine der letzten den Frühstücksraum. Sie merkte deutlich, dass sie in den letzten Tag zu wenig geschlafen hatte. Juri sah auf und sein Blick traf ihren. Er lächelte und sie lächelte zurück. Nach dem Frühstück sollte es ein letztes Teammeeting mit einer kurzen mentalen Einheit geben, bevor alle individuell die Heimreise antreten würden. Die Stimmung war zwar immer noch etwas gedrückt, doch trotzdem schon besser als am Abend. Tess sah auch Julian mit Rune über einen Witz von Andreas lachen. Man sah ihm die Erschöpfung an, aber es schien ihm besser zu gehen. Das Meeting war für 10 Uhr angesetzt und kurz bevor Tess losgehen wollte, klopfte es. Juri stand vor der Tür. „Darf ich reinkommen?" „Klar, aber wir haben nur ein paar Minuten, ich muss runter." „Ein paar Minuten reichen mir." Er schloss die Tür und zog Tess an sich. Sie sah zu ihm auf. Sein Blick war erschöpft und doch liebevoll. „Ohne dich...", fing er an und Tess spürte, dass er nach den richtigen Worten suchte. „Ohne dich hätte ich das nicht ausgehalten, Tess. Und ich meine es wirklich ernst, der ganze Druck und die Erwartungen... Es war zu viel und ohne deine Unterstützung hätte ich es nicht geschafft." „Juri..." „Ich weiß, dass das auch auf andere zutrifft, aber... Ich wollte dir einfach sagen, wie dankbar ich dir bin." Sie schloss die Augen und er küsste sie liebevoll. „Ich habe es gern gemacht. Die Arbeit mit euch war wirklich angenehm. Anstrengend, aber sehr wertvoll." Er lächelte. „Fahr nicht nach Heidelberg, Tess." „Wie bitte?" Sie lehnte sich ein Stück zurück, um ihn besser ansehen zu können. „Komm mit mir nach Bad Schwartau. Ich besuche für ein paar Tage meine Eltern, bevor das Training bei den Löwen wieder losgeht." „Das geht doch nicht, Juri. Ich kann nicht einfach bei deinen Eltern auftauchen." „Ich habe sie gefragt, es ist okay." „Du hast was?" „Ich will dich nicht überreden oder unter Druck setzen, aber ich bitte dich darum. Komm mit, lass mich dir meine Heimat zeigen. Ich will mit dir am Meer spazieren gehen." Er sagte das alles ganz ruhig und Tess merkte, dass er ihr wirklich keinen Druck machen wollte. „Du musst das nicht jetzt sofort entscheiden. Der Zug fährt kurz nach 14 Uhr am Hauptbahnhof." Mehr sagte er nicht, küsste sie noch einmal und ging dann. Tess setzte sich auf ihr Bett. Wollte sie das? Juris Familie und seine Heimat kennenlernen? Ihre Entscheidung war eine Entscheidung für oder gegen sie beide als Paar. Mit einem Blick auf die Uhr entschied Tess, dass sie noch ein paar Minuten Zeit hatte, um Mika anzurufen und ihn nach seiner Meinung zu fragen. „Hmm... Er hat es nicht ausgesprochen, aber er scheint schon zu wollen, dass du dich entscheidest", sagte er, nachdem Tess ihm die Situation erklärt hatte. „Ja. Ich glaube aber, er meint es gar nicht wirklich so." „Was willst du tun?" „Ich weiß nicht, was soll ich tun?" Mika überlegte. „Fahr mit." „Meinst du?" „Ja, Tess. Du hast für euch so viel erkämpft, jetzt entscheide dich auch bewusst dafür." Tess sagte nichts. „Du hast dich längst entschieden und mich nur angerufen, damit ich deine Entscheidung unterstützen kann", stellte er fest. „Du kennst mich viel zu gut." Mika lachte leise. „Sag mir einfach Bescheid, wann du aus dem Norden wiederkommst, die paar Tage länger gießen wir deine Blumen jetzt auch noch." „Danke, Mika. Ich schreibe dir." „Ich weiß. Sag deinem hotten Juri liebe Grüße." Ohne noch eine weitere Antwort abzuwarten, legte er auf und Tess musste lachen. Er war unverbesserlich.

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Im letzten Meeting sprach Alfred über die Erwartungen, Ziele und das Ende dieser Europameisterschaft im eigenen Land. Wie Tess ihm geraten hatte, fragte er die Jungs, ob er zu viel verlangt hatte, doch das verneinten alle entschieden. Er sagte ihnen, wie stolz er war, welche positiven Erfahrungen er mitnahm und dass er sich freute, weiterhin mit ihnen zu arbeiten. Jeder, der es wollte, kam noch einmal zu Wort und auch Johannes richtete eine letzte sehr gute Ansprache an das Team. Er bewies immer wieder, wie gut er als Teamkapitän war. Sportvorstand Axel und auch Teammanager Oliver sagten etwas und zum Abschluss war Tess dran. Sie ließ die Sitzordnung, wie sie war und öffnete ihre Powerpointpräsentation. Das erste Bild war ein Mannschaftsfoto. Kein offizielles Bild, sondern eins, was bei einem Teamevent in entspannter Atmosphäre entstanden war. Alle standen oder saßen locker und gelöst da und alle lächelten echt und ungezwungen. „Ich begrüße euch zu unserer letzten gemeinsamen mentalen Einheit in diesem Turnier", sagte sie und setzte sich auf die Tischkante. „Ich würde gern mit der gleichen Übung enden, mit der wir vor vier Wochen angefangen haben. Vier Wochen, Jungs! Lasst euch das durch den Kopf gehen. Es waren harte aber auch schöne Wochen. Wir hatten viele Hochs und Tiefs, doch was am Ende überwiegen wird, kann ich euch jetzt schon sagen. Auch, wenn es euch jetzt noch schwerfällt, das zu sehen, ihr habt etwas Unglaubliches geleistet. Ich würde nur Alfreds Worte wiederholen, deswegen möchte ich mit euch direkt in die Übung gehen und bitte euch, die Augen zu schließen." Sie wartete kurz uns sah, wie viele sofort in ihre Entspannungsposition rutschten. „Erinnert euch an das Gefühl nach dem allerersten Training." Langsam ging sie durch den Raum. „Beantwortet bitte für euch die folgende Frage: Wenn ihr an dieses Turnier zurückdenkt, mit allem, was ihr erlebt habt, welches Gefühl kommt euch sofort in den Sinn?" Johannes lächelte, er kannte diese Frage schon. Tess sah auch viele andere lächeln. „Merkt euch dieses Gefühl und holt es in den Vordergrund." Sie lief weiter. „Schiebt alle anderen Gefühle weit in den Hintergrund. Sollte es jemanden geben, bei dem dieses Gefühl negativ ist, dann überlegt euch bitte, was ihr positives mitnehmt." Tess blieb in der Mitte des Raumes stehen. „Lasst dieses positive Gefühl wachsen. Macht euch bewusst, was dieses Gefühl für euch bedeutet. Nehmt es mit und verankert es ganz fest in eurem Gedächtnis. Immer, wenn ihr an diese EM zurückdenkt, wird es euch wieder in den Sinn kommen und euch so immer begleiten." Sie wartete noch ein paar Minuten, bevor sie alle bat, die Augen zu öffnen. Es folgte ein kurzes Gespräch. Da vorhin in der Runde mit Alfred schon viel gesprochen wurde, hielt Tess es wirklich kurz, damit nicht alles zerredet wurde. Sie klickte in ihrer Präsentation weiter und das Wort „Dankbarkeit" stand groß da. „Das ist mein Gefühl, das ich aus dieser Zeit mitnehme. Ich bin dankbar für jeden Moment und jedes Erlebnis, für jeden, den ich hier kennenlernen durfte und für jede neue Freundschaft. Ich habe sehr viel gelernt, nicht nur über den Sport, sondern über euch und letztendlich auch über mich. Ich würde mich freuen, mit euch in Kontakt zu bleiben und wer weiß, vielleicht sehen wir uns wieder." Die Jungs klatschten kurz und Tess lächelte. „Ich möchte euch für eure Offenheit und Ehrlichkeit danken, dafür, dass ihr euch auf unsere Gespräche und Übungen eingelassen habt. Ich hoffe, dass jeder sich etwas aus unserer gemeinsamen Arbeit mitnehmen konnte." Sie klickte auf ihre letzte Folie. „In dieser Mannschaft gibt es so viele wunderbare Menschen. Sie haben mir gezeigt, was Teamgeist ist und was Kampfgeist, Mut und Stärke bedeuten. Es erfüllt mich mit Stolz, für immer sagen zu können: Ich bin ein Teil davon." Die Jungs sahen sich um und versuchten herauszufinden, wer von ihnen diese Worte gesagt haben könnte. „Wer hat das gesagt, Tess?", fragte Andreas irgendwann. „Ich." Es wurde leise. „Bitte sucht euch den letzten Partner für die Umarmung und dann dürft ihr gehen. Mir bleibt nur noch zu sagen: Danke!" Erneut wurde kurz geklatscht, ehe sich die Jungs umarmten. Jeder suchte sich gleich mehrere Mitspieler und es wurden viele schöne Sätze zum Abschluss gesagt. Auch Tess wurde sehr oft umarmt und in ihr breitete sich ein angenehmes Gefühl aus. Sie hatte diese Jungs wirklich ins Herz geschlossen.

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Der Abschied war den meisten schwergefallen. Obwohl es eine lange Zeit ohne die Familien gewesen war, hätten sie es alle auch noch etwas länger miteinander ausgehalten. Nach und nach reisten die Spieler, Trainer und Betreuer ab. Einige hatten noch im Hotel gegessen, andere waren schon losgefahren. Im März würden sie sich wiedersehen, wenn die Olympiaqualifikation anstand. Jannik hatte Tess das Versprechen abgenommen, in Kontakt zu bleiben, Johannes wollte ihr ebenfalls bald schreiben und auch Rune, Timo, Andreas und nicht zuletzt Julian wollten sich melden. Darauf freute sie sich, denn es waren alles großartige Menschen. Tess hatte noch im Hotel ihren Abschlussbericht geschrieben und an den DHB gesendet. Sowohl Alfred als auch Axel und Oliver würden das ebenfalls tun, damit der Verband eine Rückmeldung dazu bekam, ob es sich als sinnvoll erwiesen hatte, einen Psychologen vor Ort zu haben. Nachdem Tess ihren Laptop eingepackt hatte, schnappte sie sich ihren Koffer und machte sich auf den Weg zum Bahnhof. Dort angekommen stand sie vor der großen Anzeigetafel. Der Zug in Richtung Heidelberg und auch der in Richtung Hamburg, von wo aus es nach Bad Schwartau ging, standen schon dran. Sie sah nach oben und lief dann los.

Juri stand am Gleis und wartete. Einerseits auf den Zug, andererseits auf Tess. Er war sich unsicher, ob sie kommen würde. David hatte ihm noch einmal gut zugeredet, als sie sich verabschiedet hatten. Der Besuch bei seinen Eltern war schon länger geplant, er konnte ein paar Tage Ruhe wirklich gut gebrauchen. Trotzdem freute er sich schon jetzt darauf, seine Mannschaft und die Spieler bei den Rhein-Neckar-Löwen wiederzusehen. Als sein Zug einfuhr, sah er sich ein letztes Mal um, bevor er einstieg. Tess war nicht zu sehen. In dem Moment wusste er nicht, wie er sich fühlen sollte. Es waren noch zehn Minuten bis zur Abfahrt, doch mit jeder Minute, die verging wurde er nervöser. Hatte er sie doch zu sehr gedrängt? War es vorbei, wenn sie nicht mitkommen würde? Auf diese Fragen hatte er keine Antwort. Er wusste auch nicht, wie Tess dazu stand. Tief in sich drin hegte er nach wie vor die Hoffnung, dass sie noch kommen würde. Doch pünktlich zehn Minuten später hörte er den Pfiff und der Zug fuhr ab. Er schloss kurz die Augen und lehnte sich zurück.


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