Chapter 10

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Die Hitze war beinahe unerträglich, so stark brannte sie auf Lyras Haut und mit dem Gefühl wie nutzloser Wachs dahin zu schmelzen schlich sich auch leise die Verzweiflung heran. In Frauengestalt folgte sie hustend und stolpernd der Richtung, aus der der Schrei gekommen war, wobei sich die rußige Luft schwer in ihren mühevoll arbeitenden Lungen absetzte. Laub und Zweige zerbrachen unter ihren Füßen wie Glas, so heiß blies der Wind und trocknete alles in seinem Wege aus.

Gerade als die Wächterin aufgeben und umkehren wollte, keine Hoffnung mehr darauf denjenigen zu finden der so elendig geschrien hatte, klarte die Schwärze vor ihren Augen plötzlich auf und gab ein Licht frei, das den Abendhimmel stärker erleuchtete als die Sonne selbst.

Vor ihr erstreckte sich eine weite Ebene, von brennenden Bäumen umgeben, die im Wind wehleidig knarzten wenn dieser an den toten Zweigen riss. Auf dem platten, schwarzen Gras thronten dutzende Häuser, deren Fenster und Dachstühle von dem lichterloh brennenden Feuer erhellt wurden. Gierig fraßen sich die Flammen in die Häuser hinein und ließen diese grollend zusammenstürzen.

Bis auf die lauten Geräusche dieses grausamen Schauspiels war nichts zu hören und Lyra näherte sich langsam und vorsichtig einem der Häuser, dessen orangen-rote Flammenzungen ihr rußverschmiertes Gesicht erhellten.

Fragen tobten sofort in Lyras Kopf, Fragen auf die niemand eine Antwort geben konnte, das Dorf war nämlich menschenleer. Kein Leben bewegte sich auf den Straßen, versuchte sich in Sicherheit zu bringen oder noch irgendwie gegen das Feuer anzukämpfen. Da waren nur die Flammen und ihr gefundenes Fressen.

Angespannt griff die Wächterin in ihren Köcher, spannte einen Pfeil auf die Sehne und ließ den Bogen aufmerksam an ihrer Seite ruhen. So ging sie über das zersplitterte Kopfsteinpflaster, das die Hauptstraße bildete und blickte sich mit zusammengekniffenen Augen um bis etwas ihren Weg behinderte, ein unförmiges Stoffbündel wie es auf den ersten Blick aussah.

Leicht drehte sie es mit dem Fuß zur Seite und stolperte sofort ein paar Schritte zurück. Ein bleiches Gesicht, blickte ihr entgegen, ohne jede Regung, in einer Schreckensgrimasse erstarrt. Der Hals des kleinen Jungen war aufgeschlitzt und die Kleider blutdurchtränkt, seine Hand umklammerte ein kleines, noch vollkommen blankes Messer.

Langsam steckte Lyra Pfeil und Bogen wieder weg und biss knirschend die Zähne zusammen, versuchte die Tränen die in ihre Augen stiegen zu unterdrücken.

Höchstwahrscheinlich hatte kein einziger Bewohner dieses Dorfes überlebt. Ihnen allen musste es ergangen sein wie dem Jungen, meist entkam niemand einem so grausamen Schicksal.

Und als sie sich die Straße vor sich näher besah, entdeckte sie tatsächlich wahllos verteilte Gestalten auf der Erde, regungslos und still, von ihrer Seele verlassen.

Doch schon bald lenkte Lyra etwas von dem Grauen vor ihren Augen ab. Ein Pfeil. Nutzlos lag er auf dem Boden, die Spitze blutverschmiert, jemand musste ihn sich aus dem Leib gezogen haben, bevor er endgültig niedergestreckt worden war.

"Orks", flüsterte sie wütend sobald sie das spröde, schwarze Holz in der Hand hielt. Eine Pest waren diese Wesen, nicht einmal wehrlose Kinder verschonten sie, ermordeten sie wie nutzloses Vieh und steckten Hab und Gut in Brand. Das alles nur zu ihrem Spaß.

Voller Gram und Zorn schleuderte die Wächterin den blutbefleckten Pfeil von sich und schüttelte den Kopf, hier gab es keine Hoffnung mehr auf Leben. Solch aggressive Orks waren meist gründlich.

Nun stand die Wächterin mitten auf der Hauptstraße des kleinen Örtchens und sah den Häusern traurig beim Abbrennen zu. Zu spät war sie gekommen. Rachelust erwachte in dem milden Herzen der Wächterin und der Griff um ihren Bogen verstärkte sich.

Next Guardian (Hobbit ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt