Kapitel 64: Verpackte Lüge

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Pov. Candy

Wir waren gerade auf dem Weg zum Schokoladenmuseum und seit Herr Bergmann bei uns ist, ist Stegi auch ruhiger geworden. Es ist nicht so, als würde ich mich gar nicht für meine Klassenkameraden interessieren. Es ist nur... Ich bin lieber ein Alleingänger, ein Einzelkämpfer und eine... gute Tochter.

Es ist ja ... nur für meinen Vater, den Leiter dieses komischen Internats. Es ist irgendwie so ein Familiending geworden und wird von Generation zu Generation weitergegeben und nun ja. Ich bin die Nächste. Ein Seufzen verließ meine Lippen. Vielleicht sollte ich von vorne anfangen.

Mein Vater hat dieses Internat von meinem Opa und der wiederum von meiner Großmama bekommen. Meine Familie hat sich schon immer für Außergewöhnliches interessiert. Besonders für Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die man sich zu nutzen machen könnte. Mein Vater ist ein richtiges Biest in der Hinsicht. Er zeigt keine Scheu und... verletzt andere, ohne zu zögern, nur um am Ende Informationen herauszufinden, in der Hoffnung es bringt ihm irgendwas.

Eigentlich bin ich ein total liebes Mädchen... gewesen zumindest. Doch als ich mein zehntes Lebensjahr erreicht habe, erleuchtete mein Vater mich in seine schrecklich brutale Welt. Er zeigte mir, wie er mit Menschen umging und er trichterte mir immer ein: Allein bist du besser dran.

Ich mag ihn nicht. Er verdient es nicht in meinen Augen Papa genannt zu werden. Dennoch folgte ich seinen Fußabdrücken, nur um der Angst zu umgehen, dass er mir dasselbe antuen würde. Auch wenn ich weiß, dass er aus mir nichts herausbekommen würde. Das hat einen einfachen Grund: Ich habe keine Fähigkeit. Der einzige Grund, warum ich auf diesem Internat bin, ist, dass mein Vater es leitet und will, dass ich es weiterführe. Mein junges Ich zögerte natürlich nicht, denn man wollte ja seinem Vater gefallen und ein gutes Kind sein. Bis zum heutigen Tage konnte ich mich diesem Pfad nicht widersetzten und es ist grauenhaft. Grauenhaft zu wissen, dass sein Werk später mal in meine Hände gelegt wird.

Ich habe schon öfters versucht mich an sowas zu gewöhnen, denn ich weiß... Es gibt keinen Weg dran vorbei. Das Blut, die Nadeln, Messer, Skalpell, Seile, Peitschen und vieles mehr. Doch das Schlimmste, woran ich mich wohl nie gewöhnen werde, sind die Schreie. Die Schreie von Schmerzen und die Tränen, die den Menschen die Wangen runterrollen, lassen mein Herz jedes Mal zusammenzucken. Ich unterdrückte meine aufkommenden Tränen.

Mein Vater hat mich zu dem erzogen, der ich heute bin, auch wenn ich gerne anders wäre. Ich wünschte, ich hätte Freunde... Ich wünschte, ich wäre wenigstens gut genug für meinen Vater! Doch er findet immer was zum Meckern an mir... Man kann es nicht ändern...

Ehe ich mich versah, waren wir auch schon am Schokoladenmuseum angekommen. Nach ein paar Minuten des Erkundens, versammelten wir uns im Kreis wieder, um den nächsten roten Brief zu öffnen, den Osaft gefunden hatte. „Dann lese ich mal vor", meinte Osaft und las dann vor: „409,19m lang und 29,50m breit. Wer bin ich oder eher gesagt: Wo bin ich?" „Was soll das denn jetzt heißen?", fragte Manu verwirrt, doch da meinte ich: „Es ist offensichtlich die Hohenzollernbrücke gemeint." Ich hörte, wie Manu kurz hustete und ganz leise „Streberin" flüsterte. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass man mich so bezeichnete. Manu und ich hatten schon immer ein komisches Verhältnis. Schon die ersten Stunden auf dem Internat konnte er mich nicht leiden und ich verstand nie wieso. Zu der Zeit war ich noch voll nett und hilfsbereit, doch Manu hat es nie interessiert. Er war immer nur der Meinung ich wäre komisch und anders. Aber... irgendwie hat sich das nun geändert. Er ist zwar immer noch gemein zu mir, aber er seit diesem Schuljahr hat er sich ziemlich verbessert. Ich wüsste echt gerne, ob es dafür einen Grund gibt.

Während ich mir darüber Gedanken machte, kamen wir auch schon bei der Hohenzollernbrücke an. Der Wind wehte mir durchs Haar und ich seufzte. Ich wünschte... vom tiefsten Herzen, dass mein Vater stolz auf mich ist, doch das wird er nur sein, wenn ich in seine Fußstapfen getreten bin und das bedeutet, dass ich gemein sein muss. Dass ich Menschen verletzen muss ohne jegliches Mitleid. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe. Bis jetzt kommt mir das unmöglich vor. Ich schaute von der Brücke aufs Wasser. Als ich so in die Ferne starte, bemerkte ich eine Hand auf meiner Schulter und ich drehte mich erschrocken um. Es war Frau Good.

„Ist etwas?", fragte ich sie in einem höflichen Ton und sie meinte: „Nein, alles gut. Du schienst nur etwas... in Gedanken versunken. Ist alles gut?" Ich nickte. Wenn ich irgendwem von meinen Problemen erzählen würde, würde es im Prinzip heißen, dass ich meine Schwächen preisgebe, und das kann ich nicht. Das würde mein Vater nicht wollen.

Frau Good lehnte sich ans Geländer neben mich: „Wenn du nicht drüber reden willst, ist das vollkommen okay." Ich gab ihr ein leichtes Lächeln. Das ist eine gute Sache an diesem Internat. Die Lehrer sind immer nett und höflich, aber ich weiß, dass viele es nur vorspielen. Mein Vater hat jeden in diesem Internat an einer kurzen Leine. Er will natürlich nicht, dass die Kinder wissen, dass er sie eigentlich nur benutzt. Er lässt sie an die Lüge glauben, dass er sie heilen würde und zu normalen Menschen machen kann. Alles, was er sagt, sind eingepackte Lügen und langsam verliere auch ich den Überblick. Ein weiteres Seufzen verließ meine Lippen, bevor sich Frau Good wieder zu Wort meldete: „Na komm, Candy. Wir gehen zurück zum Bus." Sie lächelte dabei so lieblich, dass es schwer zu sagen war, ob sie es nur wegen ihrem Job tut oder es ehrlich gemeint ist. Ich tippte natürlich aufs Erste, aber wie dem auch sei, machten wir uns wieder auf dem Weg zurück zum Bus.

Ich muss aber gestehen, dass ich ziemlich froh bin, hier in Köln zu sein. Mit den Anderen... Mein Blick schweift von Manu, über Osaft hin zu Herrn Bergmann, Stegi und Frau Good. Ich schaute Stegi an, welcher lächelte. Das war es. Ein ehrliches Lächeln...

Ich kniff mir in den Arm. Zu wissen, dass man nichts dagegen tun kann, dass diese Kinder unter einer Lüge weiterleben müssen, schmerzt schon echt stark. Auch wenn ich dazu gehörte, taten die anderen mir mehr leid als mir selbst. Während wir auf den Weg zurück durch Köln waren, merkte ich wie alle von uns die Ketten trugen von Frau Good. Es ist mir schon klar, dass sie uns gebeten hatte diese zu tragen und dass es sie sehr freuen würde, aber es kam mir trotzdem komisch vor, denn als wir in den Bus eingestiegen waren, hatte sie auch stark darauf geachtet, dass alle ihre Ketten trugen. Ich schaute auf meine Kette herab mit dem Anhänger. Ein Kleeblatt mit einem pinken Edelstein in der Mitte. Ich rieb etwas auf den Stein herum, nur um festzustellen, dass der Edelstein ziemlich außergewöhnlich aussah. Vielleicht war es auch nur meine Einbildung. Somit ließ ich meine Kette los, welche weiterhin an meinem Hals baumelte, und lief den anderen hinterher auf dem direkten Weg zum Bus. Unsere Gruppe kam als erstes am Bus an und so setzten wir uns hier und redeten ein wenig über Köln und wie wir die Schnitzeljagd so fanden, während wir auf die anderen warteten.

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Sorry, dass das Kapitel erst jetzt kommt. Schule macht jetzt schon Stress :T

Hoffe ihr habt einen schönen Start in die Woche :3


Meine anderen Ichs (Zomdado/Kürbistumor)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt