Kapitel 13

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GEGENWART | New York

***

»...Es war eine Eileiterschwangerschaft. Danach wurde ich sterilisiert. Komplett. That's it.« Ich sitze auf der Bank in meiner Galerie.
Ich bin in Sicherheit.
Ich lebe.

Ben hat es geschafft, mich aus der nächsten Panikattacke zu holen. Am Set kommt sowas öfter vor, dass jemand eine Panikattacke bekommt – da lernt man schnell, wie man helfen kann. Er erzählt es nebenbei, während ich meine Atemübungen mache und nach und nach beginne, ihm von meiner Zeit mit Owen zu erzählen.

Er schweigt.
Stellt die richtigen Fragen im richtigen Moment und schafft es, bis ich zu Ende erzählt habe, jegliche eigene Empfindung zurückzuhalten.Ich bin nicht immer ins Detail gegangen. Eher habe ich stichpunktartig die Geschehnisse zusammengefasst.

Die Anspannung in der Luft lässt sich fast zerschneiden. Ben ringt um Fassung und tritt gegen die Bank. Ich zucke zusammen und kann ihn gut verstehen.

»Dieses Arschloch!« knurrt er laut.
»Er hat dich vor dem Krankenhaus ausgesetzt?!« Seine Hand krallt sich an seiner Brust fest, und sein Gesicht verzieht sich vor Schmerz. Ich kann diesen Schmerz nicht mehr nachvollziehen. Die Fassungslosigkeit, die das Krankenhauspersonal und auch meine Therapeutin nach dieser Geschichte gezeigt haben, ist für mich in weite Ferne gerückt. Für mich war das der Weg in die Freiheit. Er hätte mich auch weiterhin in seinen Krallen halten und bis zu meinem letzten Atemzug quälen können.

Meine Arme schlingen sich um meine Knie, und ich bin einfach nur erschöpft. Die Bilder von damals rasen durch meinen Kopf, und ich verstehe noch heute nicht, wieso ich das mitgemacht habe.

Die Ärztin hat mich über die Spuren der Gewalt an meinem Körper ausgefragt und mir Mut zugesprochen, Owen wegen all dem anzuzeigen. Aber kaum war ich bereit dazu, stand Owens Vater in meinem Krankenzimmer. Er hat mir gedroht, mich wegen Verleumdung anzuzeigen, sollte ich seinen Sohn und den Namen der Familie in den Dreck ziehen. Einen solchen Prozess hätte ich nie gewinnen können. Seine Familie hat Ansehen und Geld. Und mit Geld lässt sich bekanntlich alles kaufen. Also zog ich Hals über Kopf nach New York. Ich ging in Therapie, und seit ein paar Jahren habe ich mein Leben auch ohne Medikamente im Griff. Dennoch setze ich eher auf Verdrängung – das hat Bens Auftauchen heute auf den Kopf gestellt.

Die Bank knarzt leise, als er sich neben mich setzt, seine Arme um mich legt und mich an sich zieht.
»Dieser elendige Bastard.« Ein vorsichtiger Kuss trifft meinen Scheitel, und ich versuche, mich in seiner Umarmung zu entspannen. Er zieht mich auf seinen Schoß und lässt sich mit mir von der Bank runter in unser Deckenlager auf dem Boden gleiten, seine Arme halten mich fest umschlossen.
Ich fühle seinen Herzschlag im Takt mit meinem schlagen, rieche seinen vertrauten Duft und seine Wärme umfängt mich.

Ihm müssen tausend Fragen durch den Kopf gehen. Aber er sagt nichts. Er hält mich nur, vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren, und wir lauschen dem Regen, der unermüdlich gegen die Fenster und auf die Dächer prasselt.

**

Es rumpelt und scheppert.
Als ich erschrocken die Augen öffne, liege ich noch immer in Bens Armen. Graues Licht scheint durch die Fenster, und das langsame Plätschern des Regens klingt weniger wütend.

Er hält mich fest und murrt leise, als ich mich aufsetzen will, um dem Geräusch nachzugehen.
»Bleib liegen, Füchschen.« Seine Arme umschlingen mich fester, und er zieht mich eng an seinen schlafwarmen Körper. Mir steigt Hitze in die Wangen, und ich merke, wie sich ein dämliches Grinsen auf meinen Lippen ausbreitet und mein Herz ein Salto macht. Mit meinen Händen halte ich seine Handgelenke fest und kuschle mich tief in seine Umarmung. Er schnurrt zufrieden und scheint wieder in einen sanften Schlaf zu gleiten.

Es scheppert erneut. Das Geräusch scheint von draußen zu kommen, also versuche ich, mich aus Bens Umarmung zu befreien, der seufzend nachgibt und mich freilässt.
»Aber komm wieder«, nuschelt er leise. Ich bin ja nicht du – hätte ich am liebsten geantwortet. Aber das verkneife ich mir und schleiche aus der Galerie in die Bibliothek.

Vor dem Schaufenster sehe ich nur die Spitze einer Baumkrone und Blaulicht, das durch die Blätter tanzt. Der Hurrikan scheint gestern Nacht noch glanzvolle Arbeit geleistet zu haben. Ich entsichere die alte Holztür und schlüpfe vorsichtig auf die Straße.

»Hey! Miss, was machen Sie hier?« Einer der Bergungskräfte vom NYCDOT kommt auf mich zu, sein Funkgerät gibt rauschende Töne von sich, ihm tropft der Regen vom Helm und sein Gesicht sieht angespannt aus. Bevor ich antworte, versuche ich, mir einen Überblick zu verschaffen. Äste und Blätter liegen auf der Straße verteilt, es regnet, aber inzwischen ist es heller geworden und die Wolkenschicht nicht mehr so dicht. Müll liegt überall verstreut. Die Pfützen auf den Wegen sind dunkel und schlammig, das Wasser rinnt über die Bordsteine.

»Ich arbeite hier«, sage ich still in den Regen hinein und blicke mich weiter um. »Sie arbeiten in der Bibliothek? Waren Sie die ganze Nacht hier?« Ich nicke.
»Ja, ich hab kein Taxi mehr bekommen... Was ist denn passiert?«Ich will gerade den Eingangsbereich verlassen, um auf den Gehweg zu treten, als der Mann mich aufhält. »Miss, Sie haben keine Schuhe an, das ist gefährlich. Die Straße ist aktuell gesperrt, ein Baum ist umgestürzt. Wir brauchen sicher noch eine Stunde, danach ist die Straße aber auch befahrbar.« Er murmelt etwas in sein Funkgerät, unverständliche Codes vielleicht und bedeutet mir, wieder reinzugehen. Ich bedanke mich für die Information, ziehe die Tür hinter mir zu und tapse in die Küche, um frischen Kaffee aufzusetzen.

Mein Handy lag über Nacht auf der Ablage, ich rufe Carl an, um ihm mitzuteilen, dass alles in Ordnung ist – bis auf den umgestürzten Baum, der aber anscheinend keinen Schaden hinterlassen hat.

***

» Ich bin kein Sommermensch. Die aktuelle Wetterlage und die Urlaubsvorbereitungen stellen sich meinem Schreibfluss ein bisschen in den Weg, ich hoffe ihr verzeiht.

♥️

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