Kapitel 5

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Auch am Wochenende kreisen meine Gedanken, weshalb ich mich für den Abend mit meinen Freunden in der Bar verabredet habe und somit zumindest für einige Stunden meine Grübelei ausschalten kann. Zumindest war das anfangs der Plan gewesen. „Lasst uns die Gläser auf das baldige Ende der Schulzeit heben.", kommt es von Luke, der sein Shot bereits in die Höhe hält und wir daraufhin alle gemeinsam anstoßen, wodurch wir die erste Runde bereits hinter uns haben. Die drei weiteren enden ähnlich, anschließend bestellen wir uns etwas größere Mischen, die nicht gleich jeden umfallen lassen und auch noch einzelne Gespräche zulassen. Allerdings merkt wohl schon jeder ein wenig was von dem Alkohol, doch bis dato verspüre ich nichts und begebe mich daher schweigend zur Bar, um noch ein paar Shots Flimm hinterher zu schütten und setze mich anschließend wieder zu meinen Freunden, die sich angeregt am unterhalten sind. Worüber, weiß ich nicht, da meine Gedanken automatisch wieder zu Frau Smith gewandert sind und der Frau buchstäblich nachhängen. Was macht sie so besonders, dass ich sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen möchte? Das schafft ja kein Kerl... „Ich muss euch unbedingt etwas erzählen.", kommt es nun ohne Vorwarnung von Olivia, wodurch ich augenblicklich zurück in der Realität ankomme und sie aufmerksam anschaue. Sie erwidert meinen Blick und formt ein leises „Es tut mir leid", was ich erstmal nicht verstehe. Wie auch? Jedoch fährt sie auch schon fort und versetzt mir damit einen Stich ins Herz, weil sie es mir nicht schon zuvor erzählt hat. „Ich habe einen Mann kennengelernt, den ich jetzt schon ein paar Wochen date und es scheint so, als würde daraus tatsächlich etwas ernstes werden." Die Worte meiner vermeintlich besten Freundin treffen mich mitten ins Herz und sorgen für einen kleinen Ansturm an Wut, der aber bisher noch klein und eher unterbewusst wahrgenommen werden kann. „Ach, das ist ja eine Überraschung.", sage ich und schenke ihr einen entsprechenden Blick, den sie aber zu ignorieren versucht. Aber mein Blick zeigt Wirkung; sie fühlt sich schuldig. „Das freut mich wahnsinnig! Wie heißt er denn?", mischt sich nun Jessy ein und zieht damit Olivias Aufmerksamkeit auf sich. „Sein Name ist Steve und da ihr ihn ja irgendwann kennenlernen werdet; er ist dreiundzwanzig und arbeitet aktuell mit einem Manager zusammen, möchte aber im Laufe seiner beruflichen Zukunft selbstständig werden." „Ohje, das hört sich doch nach einem tollen Mann an! Ihr braucht natürlich noch Zeit alleine, aber ich freue mich riesig darauf ihn kennenzulernen und hoffe sehr, dass er dich glücklich macht.", erwidert Jessy. Doch ehe Olivia darauf eingehen kann, unterbreche ich sie: „Ob er dich verletzt oder nicht ist jetzt wohl deine Verantwortung." Meine beste Freundin merkt, wie mich die Tatsache verletzt, dass sie mir nicht schon früher von ihm erzählt hat. Macht man das nicht in solch einer Freundschaft? Hat sie mir nicht auch von ihrem ehemaligen Freund erzählt, ehe es zu einer festen Beziehung kam? „Komm schon Amelia. Die Hauptsache ist doch, dass sie glücklich ist.", pflichtet mir nun Mia bei, wofür sie einen abgeneigten Blick kassiert: „Ja, für euch ist das keine wilde Sache. Aber ich bin ihre beste Freundin und kann schon erwarten, dass sie mir früher von einem neuen Lover erzählt." Mia verdreht ihre Augen und wendet sich von mir ab, was mir die anderen gleichtun. Lediglich Olivia schenkt mir erneut einen entschuldigenden Blick und schaut anschließend wieder zu Jessy, die sich weiter über Steve informiert. Ich dagegen merke nun verstärkt die aufkommende Wut, weshalb ich nun erneut den Weg zur Bar einschlage und noch die ein oder anderen Shots trinke, bis ich von einem Typen angequatscht werde: „Hey du, darf ich dir einen Drink ausgeben?" Ich schaue von meinem Glas auf und den unbekannten Mann an, um ihn kurz zu mustern; er hat braune Locken, braune Augen und ein Lächeln auf den Lippen. Mehr muss und möchte ich garnicht sehen. „Ne, ich kann mir selbst welche leisten." „Kann schon sein, aber ich würde solch einer hübschen jungen Frau dennoch gerne etwas ausgeben und vielleicht kommen wir ja in ein nettes Gespräch.", folgt daraufhin, was mich tief einatmen lässt. „Ich habe nein gesagt." Anstatt meinen Worten Folge zu leisten, legt er seine Hand nun auf mein Oberschenken, was die Wut nur noch mehr steigert: „Sag mal, bist du taub oder so?" Automatisch schlage ich seine Hand weg, was ihn jedoch nicht zu interessieren scheint. „Ach, komm schon. Willst du nicht einfach direkt mit mir auf die Toilette kommen?" „Hast du nicht mehr alle Latten am Zaun?!", werde ich nun noch lauter und schaue ihn dabei weiterhin an, doch das provozierende Grinsen verschwindet auch jetzt nicht. Stattdessen streicht er mir eine Strähne hinters Ohr und kommt mir gefährlich nahe, doch ehe ich etwas darauf erwidern kann, kommt mir eine junge Frau zuvor, die sich kurzerhand zwischen uns stellt. „Für wen hältst du dich, dass du meinst, du müsstest nicht auf ein einfaches Nein hören?", höre ich Frau Smith sagen und würde ich jetzt nicht mit der Wut ringen, dann würde sich wahrscheinlich mein Herzschlag beschleunigen. „Was wollen Sie denn jetzt? Ich war mich doch bloß nett am unterhalten." „Nett? Hat sie nicht gerade mehrmals deutlich abgelehnt?", fragt sie nun und ich würde alles dafür tun, um nun ihren Blick zu sehen. „Jetzt geh, bevor ich mich hier vergesse.", fährt sie weiterhin wütend fort und tatsächlich steht dieser nun auf, um zu gehen. Daraufhin dreht sich nun meine Lehrerin zu mir um und schaut mich besorgt an: „Alles okay?" Ich bringe lediglich ein Nicken zustande, was nicht nur an der immensen Wut liegt, sondern gleichermaßen an ihrer plötzlichen Anwesenheit und dem Alkohol, der nun endlich die gewünschte Wirkung zeigt. Frau Smith schaut mir geradewegs in die Augen und scheint darüber zu grübeln, ob sie mir glauben sollte oder nicht. Doch anstatt irgendwas zu sagen, zieht sie mich am Arm auf die Beine und danach vor die Tür.

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