Kapitel 20

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Wir kommen langsamer voran, weil der Wald zum Teil recht dicht ist. Allerdings ist es nun äußerst unwahrscheinlich, dass wir feindlichen Kriegern über den Weg laufen. Wir sind, wie die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen. Auf den Wegen wären wir deutlich ausgesetzter.

Leya hält sich recht tapfer. Sie klagt nicht, weil uns ab und zu Zweige ins Gesicht schlagen und wir uns immer wieder ducken müssen, um unter Ästen hindurchzukommen. Ich habe sie bisher eher für eine verwöhnte Göre gehalten, muss meine Meinung aber revidieren. Sie kann ganz schön taff sein.

„Wenn ich zurück im Schloss bin, will ich von euch trainiert werden. Ich will mit Waffen umgehen und mich wehren können", sagt sie einmal, als wir Rast machen.

„Wenn du nicht wegläufst, sind Wachen da, die auf dich aufpassen", kontert Vila.

„Nein, im Ernst. Ich will mich nie mehr so hilflos fühlen, wie damals, als ich von den Kriegern entführt wurde."

„Das waren zu viele. Da hättest du nie etwas ausrichten können", hält meine Freundin dagegen.

„Ich hätte mich aber nicht so dumm und hilflos gefühlt. Ich wäre vermutlich doch entführt worden, das ist mir klar. Aber ich hätte mir sagen können, ich hätte alles getan, um mich zu wehren. So konnte ich nur klein beigeben."

„Ich werde dich trainieren", antworte ich an Vilas Stelle. „Ich verstehe dich."

Meine Freundin schaut mich überrascht an. Als Antwort zucke ich aber nur mit den Schultern. Wenn die Prinzessin wirklich trainieren will, dann finde ich das gut. Kann aber auch sein, dass sie, wenn sie einmal zurück am Hof ist, diese Pläne wieder aufgibt. Hier und jetzt darüber zu streiten, ist eher sinnlos.

Wir schlagen uns weiter durch den Wald. Wenn wir Felder oder Wiesen queren müssen, dann tun wir dies so schnell es geht, um möglichst kurze Zeit ohne Deckung zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass der König inzwischen so viele Soldaten ausgeschickt hat, wie er nur zur Verfügung hat.

Ich muss an Damian denken. Was wird er in diesem Moment wohl machen. Ich habe bewusst einen Moment für die Flucht ausgewählt, in dem er mit seinem Vater zusammen ist und damit keine Schuld auf ihn fallen kann. Trotzdem mache ich mir Sorgen um ihn.

Der König weiß genau, dass wir uns nahestehen. Ich hoffe, er geht davon aus, dass ich seinem Sohn nur etwas vorgespielt habe, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Es könnte aber auch sein, dass er dem Prinzen eine Mitschuld gibt, weil sich dieser auf mich eingelassen hat. Dabei müsste sich der König diesbezüglich auch an die eigene Nase fassen. Immerhin hat er mir auch vertraut und mir freie Hand gewährt.

Mir ist aber auch klar, dass ich mit der Flucht der Prinzessin seine gesamten Pläne um Macht und Einfluss durchkreuze. Ich kenne ihn auch zu wenig, um zu wissen, ob er zu Selbstkritik fähig ist oder, ob er immer nur die Schuld bei den anderen sucht.

Wir kommen nicht schnell, aber stetig voran. Vila hat wieder die Führung übernommen. Sie hat einen untrüglichen Orientierungssinn. Sie scheint das Gebiet von Javal genau studiert zu haben. So führt sie uns an einer Stelle zielsicher auf den Eingang einer Schlucht zu, durch die wir auf ein Hochplateau gelangen. Es ist weit und breit der einzige Weg, denn ansonsten versperrt eine langgezogene Felswand ein Weiterkommen.

Da wir dieses Mal nicht zu Fuß unterwegs sind, erreichen wir bereits am späteren Nachmittag die Grenze. Vila hat uns mit einem Handzeichen zum Anhalten gebracht.

„Es sind nur noch etwa fünf Minuten bis zur Grenze", erklärt sie. „Das wird jetzt die entscheidende Strecke."

„Du glaubst, sie haben die Grenzkontrollen verschärft?", frage ich.

Die junge KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt