IX. Kapitel

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"We are all broken ...
That's how the light gets in."

- Ernest Hemingway

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Der Schmerz war überwältigend. Zerrend und brennend. Beißende Hitze, die über seinen Rücken wanderte. Plasma, das sich in seine Haut fraß, hungrig und unersättlich. Der Geruch von versengter Haut. Ein Schmerz, der alles in den Schatten stellte. Das Geräusch von Wirbeln, die auseinandergerissen wurden, splitternde Knochen. Sein Körper, der vornüberfiel.

Dunkelheit, die ihn umfing.

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Als er wieder zu Bewusstsein kam, drangen gedämpfte Stimmen an seine Ohren. Der Schmerz in seinem Rücken war ein wenig abgeklungen. Er lag in einer Koje, schemenhaft konnte er um sich herum die spärliche Inneneinrichtung eines alten Frachters erkennen. Die oberen Schichten seiner Robe lagen fein säuberlich zusammengelegt auf dem Boden neben ihm, sein Lichtschwert lag obendrauf.

Zwei sich noch immer streitende Gestalten betraten den Raum, eine blauhäutige Twi’lek und ein grauhäutiger Latero. Ihr Blick glitt sofort zu ihm, die Worte ihres Begleiters ignorierend. Als sie bemerkte, dass er wach war, eilte sie sofort an seine Seite.

„Was ist passiert?“  

Seine Stimme fühlte sich spröde an, als hätte er sie seit sehr langer Zeit nicht benutzt. Er versuchte, sich aufzurichten, doch die Twi‘lek legte eine Hand auf seine Brust und drückte ihn wieder nach unten. „Du solltest dich noch ausruhen. Ilan“, sie deutete auf den Latero, „und ich haben dich vor einer Woche im Wald gefunden und dich hergebracht. Dein Rücken ist soweit wieder in Ordnung, auch wenn wir uns nicht sicher waren, ob du überleben würdest. Ich bin übrigens Vex.“ Sie lächelte sanft. Falten hatten sich bereits in ihr alterndes Gesicht gegraben, doch der Wärme in ihrem Blick tat das keinen Abbruch.

„Danke, dass ihr mir geholfen habt“, murmelte er. Ilan trat nun auch näher, ihn abschätzig musternd. „Wie ist dein Name, Junge? Ich mag es nämlich überhaupt nicht, wenn ich nicht weiß, wen ich vor mir habe. Vor allem, wenn dieser Jemand offenbar ein Jedi ist.“  

„Ilan, jetzt überfall ihn doch nicht so“, zischte Vex verärgert, doch er achtete nicht darauf.

Seine Gedanken überschlugen sich. Er brauchte einen Namen. Irgendeinen. Sein Blick glitt zum Fenster, durch das blasses Licht fiel. Voll und rund stand einer der drei Monde am Himmel, eine weiße Gallone am nachtschwarzen Firmament. Seinen wahren Namen konnte er nicht sagen. Er würde ihn nie mehr benutzen können.

„Ich heiße Qimir“, sagte er. Auch wenn er nicht mehr genau sagen konnte, aus welcher Sprache es stammte, er wusste, dass das Wort Mond bedeutete.  

„Ich wurde angegriffen. Meine Kameraden hielten mich wohl für tot“, erzählte er tonlos. Wie nah es an die Wahrheit kam … seine Meisterin hatte tatsächlich gedacht, er wäre tot. Und nur dadurch hatte er überlebt.

Als er zu Ilan blickte, schien dieser sich mit seiner Erklärung erst mal zufrieden zu geben.

„Nun denn, willkommen auf der Delkar.

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Auch wenn Qimir es niemals für möglich gehalten hätte, begann ihm das Leben auf der Delkar zu gefallen. Ilan und Vex verdienten sich ihren Lebensunterhalt durch das Auffinden und Verkaufen von alten Artefakten und Relikten. Da er nicht wusste, wohin er sonst gehen sollte, begleitete er die beiden und half ihnen. Qimir merkte, dass es äußerst nützlich war, innerhalb der verlassenen Ruinen, in die sie hinabstiegen, machtsensitiv zu sein. Damit rettete er sie mehr als einmal vor installierten Fallen und anderen uralten Abwehrmechanismen und schwere Hindernisse stellten kaum mehr ein Problem dar. Sie verkauften die Artefakte auf diversen Schwarzmärkten und teilten die Credits unter sich auf. Ilan brachte Qimir bei, die Delkar zu fliegen und Vex lehrte ihn viel über die Geschichte der Galaxis und verschiedenster Zivilisationen, hoch erfreut, jemanden zu haben, dem sie ihr Wissen vermitteln konnte, da sich Ilan selten um die Hintergründe der Artefakte scherte, die sie sammelten. Dabei war es gerade Vex‘ umfangreiches Wissen, das ihnen ihre Arbeit um einiges leichter machte. Vex hatte viele Jahre an den verschiedensten Universitäten studiert, bevor sie sich durch einen dummen Fehler so heftig verschuldet hatte, dass sie untertauchen musste. Irgendwann war sie dann auf Ilan getroffen, dessen Schmugglergeschäfte ebenfalls einmal besser gelaufen waren und so hatten sie sich zusammengeschlossen, um mit deutlich wertvolleren und meist illegalen Artefakten zu handeln.

Das einzige, mit dem Qimir tatsächlich zu kämpfen hatte, waren die Albträume, waren der Schmerz über den Verrat seiner Meisterin, war das sich langsame Bewusstmachen, dass die Doktrin der Jedi nicht funktionierte und für ihn nie funktioniert hatte. Mit den Jahren schaffte er es jedoch, all das aufzuarbeiten und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Eine Routine zu haben half enorm, einen neuen Weg für sich zu finden. Vor allem, als sie irgendwann auf einige Sith-Holocrons stießen.  

Fünf Jahre begleitete Qimir Ilan und Vex, bevor er beschloss, dass es Zeit wurde, getrennte Wege zu gehen. Er konnte nicht leugnen, dass ihm der Abschied schwerfiel, waren ihm die beiden doch während der Jahre sehr gute Freunde geworden. Aber er spürte auch, dass sein Platz woanders war.

Mit den Credits, die er verdient hatte, kaufte er sich also ein eigenes Schiff und nach einiger Zeit waren es die Stimmen in seinem Kopf, die ihn zu einem nahezu unbewohnten Inselplanten in den Unbekannten Regionen führten.  

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Donner durchschlug die nächtliche Stille, ein gleißender Blitz tauchte die Höhle für einen Moment in helles Licht, bevor sie wieder in nahezu undurchdringliche Dunkelheit fiel. Das Meer tobte. Meterhohe Wellen brachen auf die Felsen. Wieder grollte Donner über den schwarzen Himmel.

Osha zuckte zusammen, machte sich klein. Die Decke verhüllte ihre Gestalt fast vollständig, als sie sich zu einer Kugel zusammenrollte und die Augen schloss. Sie versuchte, sich auf ihren Atem zu konzentrieren, ruhig zu werden. Doch sie konnte die Angst nicht aus ihren Knochen vertreiben. Sie blieb an ihr haften wie ein Parasit. Es war lächerlich, Angst vor einem Gewitter zu haben, nach allem, was sie bereits erlebt hatte. Die Wellen waren nicht hoch genug, um die Höhle zu fluten, der Regen nicht stark genug. Aber dennoch … sie konnte die Angst nicht vertreiben. Bei jedem neuerlichen Donnerschlag zuckte sie zusammen, jeder Blitz erschreckte sie. Wieder duckte sie sich weg, machte sich so klein wie möglich.

Osha hatte auch früher Angst vor Gewittern gehabt, als sie noch ein Kind gewesen war und im Schutz des Zirkels bei ihren Müttern gelebt hatte. Mae hatte sie manchmal damit aufgezogen, aber trotzdem hatte sie es immer zugelassen, dass Osha zu ihr ins Bett gekrochen war. Sie hatten sich aneinander gekuschelt, und während Mae ihr irgendwelche Geschichten erzählt hatte, hatte sie sie im Arm gehalten. Ihre Finger waren beruhigend durch ihr Haar gestrichen, ihre Stimme hatte sie abgelenkt.

Tränen traten in Oshas Augen, als sie jetzt daran dachte. Sie vermisste ihre Schwester so sehr. So viel Zeit war seitdem vergangen, so viel hatte sich seitdem verändert. Das Schlimmste war, dass sie den Faden nicht mehr spüren konnte, der sie mit Mae verband. Trotzdem Osha nun wusste, dass ihr Zwilling noch am Leben war, waren es einzig ihre Erinnerungen, die sie wissen ließen, dass sie eine Schwester hatte.

Wieder grollte der Donner ohrenbetäubend über den Himmel, wieder zuckte sie zusammen. Als ein paar Sekunden später ein gleißender Blitz die Dunkelheit zerriss, konnte sie die Silhouette von Qimirs schlafender Gestalt auf dem Boden einige Meter entfernt ausmachen. Sie schloss die Augen, versuchte erneut, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren. Es war, als würde sie noch immer Sols Anweisungen hören. Und das machte es noch schlimmer. Wieder waren da die Schuldgefühle, die sich auf ihren Brustkorb legten.

Ich hätte ihn niemals töten dürfen …

Ich habe ihn niemals töten wollen …

Zumindest einen Vorteil hatte das Gewitter. Es hielt sie davon ab, einzuschlafen.

Osha stand auf und ging zum Höhleneingang, ließ sich an die Felswand gelehnt nieder und zog die Beine vor die Brust. Sie starrte hinaus.

Der Himmel war genauso dunkel wie das Meer. Die Wellen schlugen mit aller Gewalt gegen die Felsen, als wollten sie sie zerschmettern. Unbändig und wild waren sie der Inbegriff des natürlichen Zorns. Der Regen peitschte auf die Erde.

Das Donnergrollen hatte nicht nachgelassen, doch aus irgendeinem Grund fühlte sich Osha im Moment ruhiger. Wenn sie den Sturm draußen beobachtete, konnte sie vielleicht auch irgendwann den Sturm in ihrem Inneren verstehen.

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A/N: Der Name Qimir kommt tatsächlich vom arabischen Wort "qamar", was Mond bedeutet. Ich mag den Gegensatz, der damit nochmal zu Meister Sol hergestellt wird, da Sol aus dem Lateinischen übersetzt Sonne lautet.

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