XX. Kapitel

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The Chaos of Stars

„And I’d choose you;
in a hundred lifetimes,
in a hundred worlds,
in any version of reality.
I’d find you and
I’d choose you.“

- Kiersten White

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Die Dunkelheit der Nacht glich einer Decke, die sich über die Inseln und das Meer legte. Abermillionen Sterne bedeckten das Firmament, die schmale Sichel des Mondes prangte dazwischen. Silbernes Licht floss über die sanft an den Strand heranrollenden Wellen.

Osha folgte dem leuchtenden Faden, der sie zu Qimir führte. Sie lief am Strand entlang und ging den verschlungenen Pfad hinauf auf die Anhöhe über der Höhle, ließ sich neben Qimir nieder.

Die Stille, die sich über sie legte, war angenehm. Im Jedi-Tempel und auf den Schiffen, auf denen sie gearbeitet hatte, war es immer laut gewesen. So sehr, dass Osha es manchmal kaum aushielt. Doch hier … hier war das Schweigen ein Kokon, der sie schützend einhüllte, eine Stille, in der sie sich verlieren konnte. Manchmal sprachen Osha und Qimir tagelang kein Wort miteinander, wenn es nicht nötig war. Und es fühlte sich nicht unangenehm an. Eher wie ein lautloses Verständnis dafür, wie heilsam Stille sein konnte.

Die Dunkelheit der Nacht war ihr mittlerweile unglaublich tröstlich geworden. Wie ein Freund, der sie jederzeit aufnahm. Eine angenehme Ruhe überkam sie.

Osha spürte Qimirs Finger an ihrer Hand, ließ zu, dass er sie in seine nahm. Die Wärme, die von der Berührung ausging, durchströmte ihren ganzen Körper. Als sie seinen Blick auf sich spürte, sah sie zu ihm.

„Vertraust du mir?“

Die Worte waren nur gewispert, hingen zwischen ihnen in der Luft.

„Ja“, sagte Osha ohne auch nur zu zögern. Wenn sie überhaupt jemandem vertraute, dann ihm. Auch wenn sie wusste, dass sie sich das vor so vielen Monden, als sie hier ankam, noch nicht einmal auszusprechen gewagt hätte. Doch mittlerweile wusste sie, dass sie ihm ihr Leben anvertrauen würde.  

„Schließ die Augen“, flüsterte Qimir. Sie tat, was er sagte. Spürte seine Körperwärme, als er sich zu ihr beugte und den Abstand verringerte.

„Erinnere dich an Sol. An deine Ausbildung. Was empfindest du dabei?“, fragte er.

Osha dachte an Indara, Torbin und Kelnacca, die sich in alle Winde verstreut hatten, kurze Zeit, nachdem sie wieder auf Coruscant waren. Sie dachte an Sol, der sie unterwies. An das Kampftraining. Erst mit Bacca-Schwertern. Die Wiederholungen der einzelnen Grundtechniken, Paraden, Angriffe. Das Meditieren mit blockierten Sinnen. Das Suchen ihres Kyberkristalls auf Ilum, der Bau ihres Lichtschwertes. Sol, mit dem sie im Auftrag des Ordens auf verschiedene Planeten reiste. Sol, der sie immer wieder dazu anhielt, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und zu unterdrücken, wenn sie sie überwältigten. Yord, mit dem sie eine vorsichtige Freundschaft knüpfte, die mit den Jahren stärker wurde, bevor sie den Jedi-Orden verließ. Yord, der sie nach sechs Jahren mit seiner Padawan aufsuchte, um sie zu verhaften. Wie sie sich mit Sol, Jecki und Yord auf die Suche nach Mae machte. Jecki und Yord, die auf Khofar durch Qimirs Hand starben. Sol, den sie auf Brendok ermordete.

Während sie über all das nachdachte, merkte sie, was fehlte. Da war keine Panik, die sie überkam. Nur der bittere Geschmack der Schuld. Doch die überwältigende Leere, der Selbsthass war verschwunden. Nur noch ein Schatten dessen, was sie vorher empfunden hatte.

„Ich habe noch Schuldgefühle“, sagte sie langsam, „doch die Panik ist verschwunden.“

Qimir drückte ihre Hand. „Es wird noch dauern, bis du völlig frei davon bist. Vielleicht werden dich die Schuldgefühle auch dein ganzes Leben begleiten. Aber sie reißen dich nicht mehr in einen Abgrund.“

Osha öffnete die Augen, sah Qimir an. Sein Blick war unglaublich sanft. Einige Minuten, die sich wie eine Ewigkeit in die Länge zu ziehen schienen, starrten sie sich nur an. Osha spürte den schnellen Herzschlag unter ihren Rippen, bemerkte nur am Rande die Wärme, die sich in ihrem Bauch ausbreitete.

Erneut fiel ihr auf, wie schön Qimir war. Der markante Kiefer, die scharfen Gesichtszüge. Das Dunkel seiner Augen, in denen sich das Sternenlicht spiegelte. Doch es war nicht nur das. Es war die Art und Weise, wie er sich bewegte, wie er den Kopf schief legte. Wie er beinahe unscheinbar wirkte und einen Raum dennoch vollkommen für sich einnahm. Die Ruhe in seinen Worten, in seinen Bewegungen. Die Leichtigkeit, mit der er die Macht nutzte. Seine Verletzlichkeit, die er bereits so oft vor ihr ohne Scham offenbart hatte. Seine Signatur in der Macht, die sich so vertraut anfühlte. Sein Faden, der sich mit ihrem verband.

„Vielleicht wäre es klug, den Pfad der Sith zu verlassen.“ Qimirs Worte rissen Osha abrupt aus ihren Gedanken. Ihre Brauen zogen sich zusammen.

„Wieso?“, ihre Stimme war kaum mehr als ein überraschtes Wispern.

Qimir beugte sich noch ein winziges Stück näher, sodass sich ihre Nasen fast berührten. „Weil die Dunkle Seite Schmerzen fordert. Schmerzen, die ich akzeptieren kann, aber ich habe in den letzten Monaten gemerkt, dass es für mich unerträglich ist, dich leiden zu sehen. Du kannst die Fäden wieder sehen und damit ist es nicht mehr notwendig, die Macht auf diese Weise zu nutzen, wie es der Kodex der Sith fordert. Und Liebe kann weder bei den Jedi noch bei den Sith existieren.“

Bei seinen letzten Worten atmete Osha scharf ein. Ohne es verhindern zu können, fiel ihr Blick auf seine Lippen. Sie hatte noch nie jemanden geküsst. Nicht, dass sie in den letzten sechs Jahren keine Gelegenheit dazu gehabt hätte, es auszuprobieren. Manchmal hatte sie ihre Mütter dabei erwischt. Doch abgesehen davon, dass derartige Intimität gegen alles verstieß, was Sol ihr beigebracht hatte und wozu sie sich nie überwinden konnte, hatte sie nie das Bedürfnis danach verspürt. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie merkte, wie tröstlich Nähe sein konnte. Bis jetzt.

Auch wenn Osha sich sicher war, dass ihre Gefühle noch nicht so stark waren, dass man von Liebe sprechen konnte, war sie sich bewusst, dass sie zumindest mehr für ihn empfand als Freundschaft. Dass das, was sie für ihn empfand, in diese Richtung ging.

Sie konnte an dem Funkeln in Qimirs Augen sehen, dass er sich bewusst war, was seine Worte in ihr auslösten.

Osha wusste, dass Qimir sie nie zu etwas drängen würde. Sonst hätte er die Gelegenheit bereits genutzt und seine Lippen auf ihre gelegt. Doch er überließ ihr die Entscheidung. Und diese Freiheit, die Zusicherung, nichts zu tun, womit sie nicht einverstanden war, war das letzte, was es brauchte, um sich ihrer Entscheidung sicher zu sein.

Qimir sah sie an, als wäre sie alles, was er je gesucht hatte. Derselbe Blick, den er ihr geschenkt hatte, als sie in der Apotheke vor ihm stand und er sie hatte wissen lassen, dass er ihr Schauspiel durchschaut hatte.  

„Ich habe Ozeane der Zeit durchquert, um dich zu finden“, flüsterte Qimir.

Sie waren sich mittlerweile so nah, dass Osha seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Zu nah, raunte die Stimme in ihrem Hinterkopf warnend. Nicht nah genug, antwortete sie in Gedanken.

Die Worte von Mutter Aniseya kamen ihr in den Sinn.

„Dein Schicksal wird nicht von einer anonymen Kraft für dich entschieden. Du kannst eine Wahl treffen, Osha. Wenn du an dem Faden ziehen willst, dann mach es.“

Osha überbrückte die wenigen Zentimeter Abstand zwischen ihnen und küsste ihn.

Qimir war derjenige, der ihren leuchtenden Faden teilte.

Qimir war derjenige, für den sie sich entschied.

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A/N: Damit wäre diese Geschichte beendet. Ich hoffe, ihr hattet genauso viel Spaß daran, sie zu lesen, wie mir Spaß gemacht hat, sie zu schreiben. Qimirs Satz „Ich habe Ozeane der Zeit durchquert, um dich zu finden“, stammt aus Francis Ford Coppolas Film „Bram Stokers Dracula“ aus dem Jahr 1992 und stand auch, laut Lesley Headland, ursprünglich im Skript von Staffel 1. Vermutlich hätte Qimir die Zeile in Staffel 2 gesagt.

Vielen Dank, dass ihr diese Geschichte gelesen habt.

Liebe Grüße,

Mare.

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