XII. Kapitel

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"Crying does not indicate
that you are weak.
Since birth, it was always been
a sign that
you are alive."

- Charlotte Brontë

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Osha betrat die Höhle und blieb nach ein paar Schritten stehen, als sie Qimirs Gestalt erblickte. Er saß im Zentrum der Höhle auf dem harten Boden, hatte die Beine untergeschlagen. Damit saß er in der fast identischen Position da, wie sie vor einigen Stunden.

Die Lampen an den Felswänden waren angeschaltet, diesmal brannte kein Feuer. Das warme Licht flutete die Höhle, untermalte die kantige Struktur seines Kiefers und des Wangenknochen. Die andere Gesichtshälfte lag fast gänzlich im Schatten.

Osha schaffte es kaum, den Blick von ihm loszureißen. Qimir hatte die Augen geschlossen, die Handgelenke ruhten locker auf seinen Knien. Seine Atemzüge waren gleichmäßig und beständig, der Rücken kerzengerade. Er glich einer Statue, schien in sich selbst zu ruhen. War vollkommen im Einklang mit sich und der Macht. Es hatte fast etwas Intimes, ihn so zu sehen. Er wirkte fast … verletzlich. Auch wenn seine Miene vollkommen entspannt war und keinerlei Gefühlsregungen offenbarte, hatte Osha das Gefühl, etwas zu sehen, was sie nicht sehen durfte.

Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, als Qimir die Augen blinzelnd öffnete und sie direkt ansah. Sein rechter Mundwinkel zuckte für eine Millisekunde nach oben, als er bemerkte, dass sie ihn angestarrt hatte. Ertappt wandte sie den Blick ab.

Er erhob sich aus seiner Position, während sie endlich weiter ins Innere trat und sich auf ihr Bett setzte. Sie starrte nachdenklich auf den Boden und zählte die Rillen im Gestein, die Hände ineinander verknotet.

„Was fühlst du?“

Qimirs Frage ließ ihren Blick wieder zu ihm schnellen. Er hatte sich an die Werkbank gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Sah sie abwartend an. Osha zögerte. Dann, ganz leise, sprach sie.

„Ich fühle mich schuldig, dass ich Sol getötet habe“, gestand Osha. Qimir wusste das bereits, doch er sagte nichts dazu. „Und dann ... fühle ich mich schlecht, dass ich dafür Schuldgefühle empfinde ... Er hat Mama getötet. Hat er es da nicht verdient?“ Die letzten Worte waren nur ein Hauch, die Stimme unsicher und fragil, fast brechend.

„Ob er es verdient hat ... darüber lässt sich streiten“, antwortete Qimir nach einem Moment behutsam. „Den Schmerz, den du in dem Moment empfunden hast, als du die Wahrheit erfahren hast, als du Sol getötet und den Kristall geblutet hast ... dieser Schmerz ist absolut nachvollziehbar. Dein Hass und deine Wut sind nachvollziehbar. Und diese Gefühle haben dir Zugang zur Dunklen Seite der Macht gegeben.“

Andere hätten seinen Tonfall und die Worte, die er wählte, vielleicht für belehrend gehalten, doch Osha half es, dass er es ihr erklärte. Es half ihr, das Chaos in ihrem Inneren zu sortieren, ihre Gedanken und Gefühle besser einzuordnen.

Wenn sie wusste, wie die Dunkle Seite der Macht funktionierte, dann konnte sie einordnen, wieso passiert war was passiert war. Wie sie es geschafft hatte, Meister Sol getötet. Einen Jedi ohne Waffe zu töten war etwas, was Mae Jahre lang trainiert hatte und sie hatte es nicht gekonnt. Doch ihr war es so erschreckend leichtgefallen. Vielleicht konnte sie irgendwann verstehen, warum sie daran zerbrach.

Aber sie wusste nicht, ob ihre Gefühle tatsächlich nachvollziehbar waren. Ihr war Jahre lang beigebracht worden, dass sie weder Hass noch Zorn empfinden durfte. Dass sie ihre Gefühle unterdrücken musste. Sie hätte es nicht fühlen dürfen. Und schon gar nicht hätte sie zulassen dürfen, dass diese Emotionen, die in ihrem Inneren brodelten, sie die Dunkle Seite der Macht nutzen ließen.

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