Im Zentrum des Wirbelsturms stand Tamo, um dessen Körper tiefrote Schwarten feinster Partikel strömten. Seine ausgestreckten Arme zitterten, während er versuchte, seine Macht in Skàdis einzuweben.
Sein Blick fixierte sie, doch auch er erhielt nicht mehr als ein höhnisches Lächeln. „Komm schon, Miststück. Atme endlich ein und beruhige dich wieder."
Ihre Antwort kam schweigend in Form eines neuen Energieschwalls, der sich gegen seinen kämpfenden Leib presste. Ein raues Stöhnen entfuhr ihm, bevor er die Zähne aufeinanderpresste und den Kopf in den Nacken legte.
„Du hättest nicht kommen sollen", hauchte sie federleicht, und wieder einmal wurde Tamo bewusst, wie unterlegen er war – zumindest in dieser Version von sich.
„Nun, es war nicht so, als hätte ich eine Wahl", brachte er keuchend hervor, stemmte alles an Willenskraft in seine Magiebewegungen und schaffte es zumindest, den aufsteigenden Druck ihrer Macht anzuhalten.
„Wir haben immer eine Wahl", erwiderte sie spöttisch und beschwor eisige Kälte hervor, die sofort in jede von Tamos Zellen kroch und ihn drohte zu lähmen.
Dieser schluckte, ließ seinen Blick erneut zu ihr wandern und das erste Mal seit langer Zeit ergriff ihn Angst. Angst, die ausnahmsweise nicht von Milano gesteuert wurde.
„Skàdi, was auch immer dir heute in den Kaffee gepinkelt hat. Hör auf. Bitte."
Nichts. Keine Reaktion. Sie stand völlig starr vor ihm. Die Sicheln in ihren Augen pulsierten im Takt ihres viel zu ruhigen Atems. Ihre Haut war blass und stand in einem grausamen Kontrast zu ihren grünen Haaren, die von den, immer weiter in den Boden krachenden, Blitzen erhellt wurden.
Seine Aufmerksamkeit wanderte zu dem Orkan und den roten Schlieren, die sich versuchten, um den Sturm zu legen. Ihn zu bändigen. Ihn zu neutralisieren. Doch er wusste und spürte bereits, dass er diesen Kampf nicht gewinnen konnte. Nicht so. Nicht auf diese Art. Er hatte nur eine Möglichkeit. Nur eine Chance. Nur einen einzigen Versuch.
Würde er gelingen, könnte er sterben. Würde er fehlschlagen, wären wahrscheinlich alle anderen tot.
Er nahm sich einen kurzen Moment der Ruhe. Schloss die Augen und spürte in das schmerzende Brennen seiner Glieder. Er hatte diese Art von Energieaustausch ein einziges Mal gewirkt. Zu hoch war die Gefahr, es nicht zu überleben oder – schlimmer noch – zu ihm zu werden.
Doch er würde nicht den Tod tausender Unschuldiger auf sich nehmen.
Das Einzige, was ihm bevorstand, sollte er den Versuch überleben, war, dass sie angepisst sein würde, und das einzig auf ihn. Was wiederum zu seinem Tod führen konnte. Wenn man es genau nahm, war der Tod, egal bei welchem Ausgang, eine durchaus vorstellbare Option.
Er schüttelte den Kopf, bevor er sich weiter in den wirren Gedanken seines eindeutig schwächer werdenden Geistes verlor, und zog einen tiefen Atemzug ein. Es war ein sanftes Glimmen, tief in seinem Inneren. Verborgen und gut unter Verschluss gehalten, ruhte es und hatte aufgehört, ihn kontrollieren zu wollen, doch das würde sich in wenigen Augenblicken ändern. Es war ein kurzer Moment, in dem er die sorgsam darum errichtete Mauer fallen ließ. Ein einziger Gedanke an die Macht, die dort in ihm ruhte, und das schwache Glimmen explodierte in seiner Brust.
Mit letzter Willenskraft zog er die roten Fragmente aus Skàdis Sturm, bündelte sie im Augenblick eines Wimpernschlags und richtete sie auf Skàdi. Diese realisierte zu spät, was er vorhatte. Was er bereit war zu ertragen. Ehe sie reagieren konnte, schlug seine geballte Macht auf sie ein. Durchdrang ihre Haut, durchflutete ihre Organe und manifestierte sich dort, wo ihre Seele sein sollte.
Ein markerschütternder Schmerzensschrei entfuhr Tamo, als die roten Fragmente von weißglühender Energie ummantelt und absorbiert wurden. Machtlos sah Skàdi dabei zu, wie diese auf sie zu rauschte, über sie hereinbrach und sich um ihre tosende Schatten legte. Skadi spürte den Einfluss des Fremden in ihr. Ihr Blick suchte seinen, doch er war längst verloren in seiner Macht. Sein gesamter Körper war ein einziges Beben. Sein Gesicht zeigte die Auswirkung der Qual, die der Kampf gegen sie forderte. Die Sicheln in seinen Augen flackerten und wurden immer blasser. Er war dabei, sich auszulöschen. Für sie.
Wut stieg in ihr auf, denn er setzte nicht nur sein Leben aufs Spiel. Knurrend zog sie langsam ihre Hände zu Fäusten. Kämpfte gegen die weiße Glut, die sich immer noch in ihr Innerstes fraß, doch es war zu mächtig. Sie vernahm keine Schmerzen. Spürte nicht die Ausläufer dieser Macht, doch sie erkannte die Niederlage darin. Ihr schwarzer Sturm wurde zu einer grauen Masse und bald würde es in einem weißen Rauschen enden. So wie Tamo. So wie sie.
„Hör auf", grollte sie.
Außerstande, auch nur ein einziges Wort zu formen, schüttelte er den Kopf und fiel auf die Knie. Kalter Schweiß stand auf seiner Haut. Ein sanftes Rinnsal Blut lief aus seiner Nase. Benetzte seine Lippen und bahnte sich den Weg über sein markantes Kinn.
„Du killst dich wirklich selbst, oder?"
Ein schmerzhaftes Keuchen war seine Antwort darauf.
Skàdi wusste, dass er nicht aufgeben würde. Er schützte sie. Für immer. Doch sie war auch nicht mehr in der Lage, ihn zurückzudrängen. Es gab nur noch einen Weg, den sie beschreiten konnten. Sie presste die Lippen aufeinander. Würde wahrscheinlich abgrundtiefen Hass empfinden, wenn sie es noch könnte, und dann ließ sie los.
Sie kämpfte nicht mehr gegen seine Energie und forderte ihre eigene auf, sich mit seiner zu vereinen. Und so, wie dieser Gedanke jede Zelle ihrer Körpers durchflutet hatte ... hielt für einen winzigen Augenblick alles inne.
Die Blitze erstarrten, der Wirbelsturm blieb stehen. Kein einziger Tropfen Regen eroberte den Boden mehr. Kein Laut war zu vernehmen. Kein Rauschen der Energien. Nur stillstehende graue Masse, gemischt aus feinsten Fragmenten, bestehend aus schwarzer und weißer Farbe, und zwei schlagende Herzen. Zwei Menschen, die sich ansahen und in deren Augen keine Sicheln, sondern Kreise pulsierten.
„Nach oben"; keuchte Tamo und kaum, dass die Worte seine Lippen verließen, rissen sie gemeinsam die Arme in die Luft.
Der Stillstand explodierte in einem wilden Reißen des Sturms, während der Regen und die Blitze versiegt blieben. Mit der letzten Kraft ihres geschundenen Körpers löste Skàdi den Sturm vom Erdboden, während Tamo ihn zusammenhielt. Stück für Stück erhob er sich in die dunkle Nacht und erst als er hoch oben, geschützt in dem Himmelszelt verweilte, trafen sich ihre Blicke erneut.
„Jetzt", hauchte sie und mit einer ohrenbetäubenden Explosion entlud sich die angestaute Energie und erhellte den Himmel intensiver, als es die Sonne jemals geschafft hätte. Die Druckwelle ließ alles um sich erben, streifte die Menschheit aber nur als starken Windzug, der kaum in der Lage war, ein Blatt hinfort zu tragen.
Tamos Blick ruhte immer noch auf Skàdi, deren Iriden nun wieder ihr gewohntes, strahlendes Grün besaßen. Ein Lächeln zuckte an ihren Mundwinkeln, als sie aus den Trümmern der Ruine stieg und auf ihn zu lief. Ihr Blick wanderte einen kurzen Moment über die Trümmer und den angerichteten Schaden.
„Was zur Hölle, war hier los?", fragte er, als sie neben ihn trat.
Sie hob eine Braue. „Ghule Invasion", erwiderte sie und zuckte dabei locker mit den Schultern, als wäre sie nicht vor wenigen Sekunden noch davor gewesen, den Planeten auszulöschen.
„Ah ja." Er erhob sich, klopfte sich den Dreck aus den Jeans und begegnete abermals ihren Blick. Etwas Dunkles und Drohendes lag darin, als sie sich zu ihm lehnte. „Das nächste Mal, wenn du dich meines Körpers bemächtigst, stirbst du." Und mit diesen Worten wandte sie sich ab und verschwand allein über die Trümmer in die zurückgekehrte Dunkelheit der Nacht.
Ein fassungsloses Lächeln zuckte über seine Lippen, als er ein leichtes Kribbeln im Nacken verspürte. „Niemand hat gesagt, dass es einfach wird", raunte Milano ihm zu, legte dabei seinen Arm um Tamo und mit dem nächsten Atemzug waren sie verschwunden.
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Cemetery Story
Short StoryEs sollte nur ein entspanntes Treffen ihrer Schöpfer werden, doch nur eine Gruppennachricht später, finden sie sich in der Nacht auf einem Friedhof wieder. Die Protagonisten von CCK Schildmaid und Jen Thorn fluchen nicht schlecht, als sie aufeinande...