Kapitel 4: Der Unbekannte

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Die Schritte, die die steinerne Treppe hinunterhallten, ließen die Herzen der fünf Freunde schneller schlagen. Sie lagen eng an den kalten, feuchten Steinwänden gedrückt, ihre Atemzüge flach, damit sie nicht entdeckt wurden. In der Dunkelheit des Kellers erschien jede Bewegung des Fremden unheimlich, jeder Klang verstärkte ihre Nervosität.Mia, die sich hinter einem großen Fass versteckt hatte, presste ihre Hände fest gegen den Mund, um kein Geräusch von sich zu geben. Max spähte vorsichtig hinter einem Stapel alter Kisten hervor, während Ben auf der anderen Seite des Raums kauerte, die Augen auf die schmalen Treppenstufen gerichtet, die aus dem Keller führten. Lena und Tim teilten sich das Versteck hinter einer umgestürzten Kiste, wobei Lena Tim beruhigend auf den Arm klopfte. Sein Atem ging flach, und er zitterte vor Angst.
Der Fremde trat in den Raum, seine schweren Stiefel hinterließen im Staub deutliche Spuren. Er war groß, seine Gestalt dunkel und massig, sodass es schwer war, sein Gesicht im schwachen Licht ihrer Taschenlampen, die sie schnell ausgeschaltet hatten, zu erkennen. Doch seine Bewegungen waren zielstrebig, als wüsste er genau, wonach er suchte.„Wo ist die Kiste?" murmelte er leise, aber seine tiefe Stimme hallte durch den Raum. „Sie muss hier irgendwo sein."
Die Kinder tauschten angsterfüllte Blicke aus. Er suchte offensichtlich die Metallkiste, die sie bereits geöffnet hatten. Ben drückte die Dokumente fest an seine Brust, während er versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Wenn der Mann bemerkte, dass sie die Kiste gefunden hatten, würden sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.Der Fremde ging zu der Stelle, an der die Kiste gestanden hatte, und blieb abrupt stehen. Er hob den Deckel an und erstarrte.
„Was zum...?", flüsterte er und ließ den Deckel wieder zuschnappen. Dann begann er, nervös durch den Raum zu gehen, seine Stiefel hallten bei jedem Schritt laut auf dem steinernen Boden wider. „Jemand war hier."Er blieb vor einer der Säulen stehen, seine Augen suchten den Raum ab. „Wer auch immer das war, wird es bereuen", murmelte er gefährlich leise.
Mia konnte spüren, wie ihr Herz bis zum Hals schlug. Der Fremde war wütend, und er würde nicht einfach so verschwinden. Sie war sich sicher, dass er sie bald entdecken würde.
Doch dann passierte etwas Unerwartetes.Der Mann zog ein kleines, altmodisches Telefon aus seiner Tasche und drückte ein paar Tasten. Die Kinder hielten den Atem an, als er begann, in einem seltsamen Code zu sprechen – es war eine Sprache, die sie nicht verstanden. Es war, als ob er versuchte, heimlich zu kommunizieren, ohne dass jemand seine Worte verstand. Seine Stimme war rau, und der Tonfall ließ nichts Gutes erahnen.„Wir haben ein Problem", sagte er schließlich in normalem Tonfall, nachdem er mit dem Code aufgehört hatte. „Jemand hat die Karten. Das Versteck ist nicht mehr sicher. Wir müssen den Plan beschleunigen."
Die Kinder blickten sich entsetzt an. Was für ein Plan? Und was meinte er mit „beschleunigen"?
„Ja", fuhr der Fremde fort, „ich werde die anderen informieren. Wir müssen sofort handeln, bevor es zu spät ist."Er legte auf, steckte das Telefon zurück in seine Tasche und ging entschlossenen Schrittes zur Treppe. „Wenn ich herausfinde, wer das war...", knurrte er, als er langsam die Stufen wieder hinaufstieg.Es dauerte eine Ewigkeit, bis seine Schritte in der Ferne verklangen und die Kinder endlich aufatmen konnten. Sie blieben dennoch einige Minuten regungslos, um sicherzugehen, dass er wirklich fort war. Dann schob Ben vorsichtig die Kiste beiseite, hinter der er sich versteckt hatte, und kroch heraus.„Das war knapp", flüsterte er, die Augen noch immer weit vor Schreck aufgerissen.„Wirklich knapp", stimmte Lena zu, während sie Tim half, sich aus ihrem Versteck zu befreien. „Wer war das?"„Keine Ahnung", antwortete Max und stand auf, während er nervös zur Treppe blickte. „Aber er schien nicht gerade freundlich zu sein."
„Freundlich?" Mia schnaubte. „Er hat fast gesagt, dass er uns umbringen würde, wenn er uns findet!"„Wir müssen hier raus", sagte Ben entschlossen. „Aber wir dürfen nicht einfach weglaufen. Dieser Mann – und die Leute, mit denen er spricht – planen irgendetwas Großes. Und es hat mit diesen Karten zu tun."„Aber was sollen wir tun?" fragte Tim unsicher. „Wir können doch nicht einfach gegen eine Gruppe von Erwachsenen vorgehen."„Vielleicht nicht direkt", überlegte Lena, „aber wir haben die Karten. Das gibt uns einen Vorteil."„Genau", stimmte Ben zu. „Wir müssen herausfinden, was sie vorhaben. Wenn wir die Karten studieren, können wir möglicherweise ihre Pläne vereiteln."„Aber woher wissen wir, was sie vorhaben?" fragte Mia skeptisch. „Vielleicht ist es nur Schmuggel. Oder sie suchen nach einem Schatz."
„Es klang nach mehr als nur Schmuggel", sagte Ben nachdenklich. „Er sprach davon, den Plan zu beschleunigen. Das klingt, als ob sie etwas Gefährliches tun wollen, und wir müssen herausfinden, was."„Und wie?" fragte Max. „Wir haben die Karten, aber keine Ahnung, wie wir sie lesen sollen."„Wir müssen sie jemandem zeigen, der sich damit auskennt", entschied Ben. „Vielleicht einem Erwachsenen, dem wir vertrauen."„Was ist mit meinem Onkel Robert?" schlug Lena vor. „Er ist Historiker und kennt sich mit alten Karten und Geheimnissen aus. Vielleicht kann er uns helfen."„Das klingt nach einer guten Idee", stimmte Ben zu. „Aber wir müssen vorsichtig sein. Wenn der Mann herausfindet, dass wir die Karten haben, könnte er uns verfolgen."„Dann sollten wir so schnell wie möglich los", sagte Max. „Ich will hier nicht länger bleiben."Die Gruppe nickte einstimmig. Sie schnappten sich die Metallkiste und die darin enthaltenen Dokumente, dann machten sie sich eilig auf den Rückweg durch den engen Gang, den sie gekommen waren. Niemand sprach ein Wort, bis sie die Treppe der Mühle erreichten und wieder im Tageslicht standen.„Puh", seufzte Mia erleichtert. „Das war die gruseligste Nacht meines Lebens."„Und es ist noch nicht vorbei", fügte Lena hinzu. „Wir müssen noch herausfinden, was hinter all dem steckt."„Lass uns zu deinem Onkel gehen", sagte Ben entschlossen. „Je schneller wir mehr herausfinden, desto besser."Mit klopfenden Herzen machten sie sich auf den Weg durch den Wald, die alten Karten fest in Bens Händen. Sie hatten keine Ahnung, was sie noch alles erwartete – aber eines war klar: Das Abenteuer war längst noch nicht vorbei, und der Unbekannte würde nicht der Einzige sein, der ihnen auf den Fersen war.

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