Kapitel 17 ☾

165 10 2
                                    


Ich wollte mich unbedingt aus Jamals Griff lösen. Weg von dieser stickigen Toilette, weg von ihm und all den unausgesprochenen Worten, die wie ein schwerer Nebel in der Luft hingen und mich schwächten.

"Lass uns gehen", flüsterte Jamal leise.
"Ich kann nicht. Ich bin mit Yara hier", entgegnete ich, während ich mich von seiner Brust wegdrückte.
"Sie kann doch bei den Jungs bleiben", erwiderte er knapp.

Als wir das Bad verließen, sah ich, dass Yara tatsächlich schon bei den Jungs war. Jamal griff nach meinem Handgelenk und zog mich auf die dunklen, kalten Straßen von Ludwigshafen. Ich war mir unsicher, ob das alles richtig war, aber bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, öffnete Jamal die Beifahrertür seines Autos und schnallte mich an.

Wir fuhren eine Weile schweigend. Es war keine unangenehme Stille, doch ich hatte keine Ahnung, wohin wir unterwegs waren.

"Wo fahren wir hin?", durchbrach ich schließlich das Schweigen.
"Irgendwohin, wo wir allein sind", antwortete er knapp.

Nach einiger Zeit erreichten wir einen See, der von einer Blumenwiese umgeben war. Ich löste den Gurt und wollte aussteigen, doch Jamal hielt mich zurück.

"Bleib hier, draußen ist es zu kalt. Du wirst krank", sagte er besorgt.

Ich nickte leicht und wandte mich ihm zu. „Warum war Alisha bei dir an dem Tag?" fragte ich ihn direkt.

Jamal seufzte tief. „Ich habe sie angeschrieben wegen dem, was sie dir gesagt hat. Sie meinte, wir sollten das persönlich klären, also kam sie vorbei. Als ich sie konfrontierte, versuchte sie, mir den Kopf zu verdrehen. Sie fing an, sich auszuziehen – und dann kamst du rein." Er hielt einen Moment inne. „Deshalb war ich auch noch angezogen, als du uns gesehen hast."

Ich sah ihn nur an, unsicher, was ich darauf erwidern sollte.

„Ich würde dich niemals bewusst verletzen", fügte er hinzu.

Unsere Blicke trafen sich, und Jamal legte sanft seine Hand auf meine Wange. Seine Augen wanderten immer wieder von meinen Augen zu meinen Lippen. Ich konnte mich nicht zurückhalten, ich hatte ihn so sehr vermisst – seine Nähe, seinen Duft, seine Art, einfach alles.

Er zog mich zu sich, und unsere Lippen berührten sich sanft.

„Ich habe dich so vermisst", flüsterte Jamal, bevor er mich wieder küsste.

Kurz darauf löste ich mich von ihm und sah auf die Uhr im Auto. Es war 2:34 Uhr.

"Ich muss nach Hause, es ist spät. Mama wird sich Sorgen machen", sagte ich leise.

Jamal lehnte sich etwas zurück, doch seine Hand ruhte immer noch auf meinem Knie. „Ich bring dich hin, kein Problem", meinte er ruhig, aber in seinen Augen lag ein Hauch von Enttäuschung, als hätte er gehofft, der Moment würde länger dauern.

Ich atmete tief ein, versuchte mich zu sammeln. „Danke", flüsterte ich und drehte mich leicht ab, blickte aus dem Fenster. Der See, umrahmt von der stillen Nacht und der Blumenwiese, wirkte fast unwirklich. Ein Ort der Ruhe, während in mir alles brodelte.

Etwas nagte an mir. Ich wusste nicht genau, was es war. Alisha war immer noch ein Schatten in meinem Kopf, und obwohl Jamals Worte aufrichtig klangen, blieb dieses seltsame Gefühl in meinem Magen. Misstrauen, Zweifel – oder einfach nur die Angst, erneut verletzt zu werden.

Die Straßen von Ludwigshafen waren fast leer, und die Laternenlichter zogen langsam an uns vorbei. Das leise Summen des Motors war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Ab und zu warf ich einen Blick zu Jamal hinüber. Er schien in Gedanken versunken, konzentriert auf die Straße, aber sein angespanntes Kinn verriet, dass ihm noch etwas auf der Zunge lag.

Kurz vor meiner Straße hielt Jamal an einer roten Ampel und wandte sich mir zu. „Soll ich mit deiner Mutter reden? Ihr erklären, warum es so spät geworden ist?", fragte er plötzlich.

Ich schüttelte schnell den Kopf. „Nein, das ist nicht nötig." Ein schwaches Lächeln überzog mein Gesicht, doch die Spannung zwischen uns war spürbar.

„Aber sie wird sich Sorgen machen", sagte er und hielt meinen Blick fest. „Sie weiss immernoch nicht von mir, oder?"

Seine Frage traf mich unerwartet. Mein Herz schlug schneller, und gleichzeitig fühlte sich mein Magen wie ein Knoten an. „Jamal...", murmelte ich, bemüht, meine Unsicherheit zu verbergen. "Es ist einfach... so viel passiert."

Die Ampel sprang auf grün, und Jamal fuhr wieder los. Keine fünf Minuten später hielt er vor meinem Block.

"Steig aus", sagte er kühl.
"Jamal, ich-" versuchte ich zu sagen, doch er unterbrach mich.

"Steig einfach aus, Jamila", wiederholte er, seine Stimme entschlossener.

Fassungslos sah ich ihn an, bis er seufzte, sich vom Sitz erhob und die Beifahrertür öffnete.

"Geh jetzt, Jamila."

Ohne ein weiteres Wort stieg ich aus dem Auto und lief ins Treppenhaus meines Blocks.

Verliebt, trotz allem. - jamal blaqWo Geschichten leben. Entdecke jetzt