Kapitel 20 ☾

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Einige Wochen waren vergangen, seit ich Jamal das letzte Mal gesehen hatte. Die Tage waren seltsam still, als wäre die Welt um mich herum in eine graue Wolke gehüllt. Ich versuchte, mich mit Arbeit und Freunden abzulenken, doch die Sehnsucht nach ihm nagte unaufhörlich an mir. Immer wieder dachte ich an unsere letzten Worte, an den Moment, in dem ich die Wohnung verlassen hatte. Die Unsicherheit, die Wut, die Enttäuschung – sie alle hatten mich begleitet, und doch blieb eines bestehen:

Ich liebte ihn, trotz allem.

An einem Samstag beschloss ich, wieder ins Café zu gehen, in dem ich früher täglich war. Vielleicht hoffte ich insgeheim, dass die Vertrautheit dieses Ortes mir irgendeine Form von Klarheit bringen würde.

Als ich das Café betrat, fiel mein Blick sofort auf eine vertraute Silhouette. Jamal saß an einem der Tische am Fenster, alleine. Mein Herz setzte für einen Moment aus, und alles um mich herum verschwand. Er schien in Gedanken versunken zu sein. Den Kaffee in der Linken und eine Zigarette in der rechten Hand.

Ich blieb wie erstarrt stehen. Der Impuls, zu ihm zu gehen, ihn anzusprechen, war überwältigend. Der Gedanke, dass vielleicht doch noch eine Chance für uns bestand, flackerte kurz auf. Doch bevor ich mich entschließen konnte, einen Schritt auf ihn zuzumachen, öffnete sich die Tür zur Toilette. Ein junges Mädchen trat heraus, ging zu Jamal und setzte sich neben ihn. Sie lächelte, als sie sich hinsetzte, und er erwiderte ihr Lächeln, wenn auch etwas zurückhaltend.

In diesem Moment schien die Welt um mich herum stillzustehen. Der Schmerz, den ich fühlte, war tief und plötzlich. Vielleicht war es dumm gewesen, zu glauben, dass er immer noch auf mich warten würde, dass es in seinem Leben noch Platz für mich gab. Ich beobachtete, wie sie miteinander sprachen, und jede Bewegung von ihr erinnerte mich daran, dass ich diesen Platz verloren hatte.

Ich wandte mich ab, das Gefühl der Enttäuschung schwer in meiner Brust. Ohne einen weiteren Blick in ihre Richtung zu werfen, verließ ich das Café. Die kühle Luft draußen schlug mir entgegen, aber es half nicht, den Knoten in meinem Inneren zu lösen.

Draußen lehnte ich mich an eine Wand und schloss die Augen. Die Tränen, die ich lange zurückgehalten hatte, brannten hinter meinen Lidern. Alles, was ich wollte, war mit ihm reden, ihm sagen, dass ich ihn immer noch liebte, dass ich bereit war, für uns zu kämpfen. Aber jetzt schien es, als wäre es zu spät.

Während ich dort stand, versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen.
Vielleicht war es das Beste, ihn loszulassen, so sehr es auch wehtat. Er hatte das Recht, weiterzugehen, genauso wie ich.

Mit einem tiefen Atemzug richtete ich mich auf und ging langsam die Straße hinunter.

                                            ☾

Es war später am Abend, und der Gedanke an Jamal ließ mich nicht los. Seit ich ihn im Café gesehen hatte, ging mir der Ausdruck in seinen Augen nicht aus dem Kopf. Hatte er mich bemerkt? Oder war ich für ihn nur noch eine flüchtige Erinnerung, etwas, das er hinter sich gelassen hatte? Während ich versuchte, diese Gedanken zu verdrängen, vibrierte plötzlich mein Handy.

Es war eine Nachricht von Alim.

Hey Jamila, kannst du mir einen Gefallen tun? Ich hänge noch im Studio fest und hab keine Zeit, was zu essen zu holen. Kannst du mir was vorbeibringen? Küss dein Herz.

Ein Teil von mir wollte ablehnen. Ich wollte nicht hin.
Aber Alim hatte mir in der Vergangenheit oft geholfen, und irgendwo tat er mir auch Leid.

Klar, kein Problem.

Ich machte ihm etwas zu Essen und nach einer halben Stunde war ich unterwegs zu ihrem Studio mit einer Tüte Essen in der Hand. Die Straßen waren ruhig, und die kühle Abendluft half mir, meine aufgewühlten Gedanken etwas zu sortieren.

Als ich schließlich vor dem Studio ankam, klopfte ich leicht an die Tür. Zu meiner Überraschung öffnete nicht Alim die Tür – es war Jamal.

Für einen Moment standen wir uns gegenüber, und die Zeit schien stillzustehen. Er sah mich an, überrascht, aber nicht unfreundlich. Sein Blick war offen, anders als bei unserer letzten Begegnung. Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug, und zwang mich, ruhig zu bleiben.

„Jamila?", fragte er, als hätte er selbst nicht damit gerechnet, mich hier zu sehen. „Was machst du hier?"

Ich hob die Tüte hoch. „Alim hat mich gebeten, ihm was zu essen zu bringen. Er meinte, er wäre im Studio beschäftigt."

Jamal nickte langsam und trat einen Schritt zur Seite. „Alim ist noch drüben, ich glaube, er wird noch eine Weile brauchen. Du kannst reinkommen, wenn du möchtest."
"Ich denke ich lege es einfach ab und geh wieder" erwiederte ich unsicher.
"Komm erstmal rein" sagte Jamal.

Unschlüssig trat ich ein, die Luft im Raum fühlte sich plötzlich schwer an. Das Studio war gross, voller Bilder und Geräte, und es roch nach Gras und Prafum. Jamal schloss die Tür hinter mir und setzte sich auf das Sofa.

„Danke, dass du das Essen vorbeigebracht hast", sagte er nach einer kurzen Stille. „Alim ist manchmal echt verplant, wenn der arbeitet."

Ich nickte nur, unsicher, was ich sagen sollte. Der Raum fühlte sich plötzlich enger an, fast erdrückend, doch ich wusste, dass das nicht nur an den Wänden lag, sondern an der unausgesprochenen Spannung zwischen uns. Schließlich entschied ich mich, das Schweigen zu brechen.

„Ich hab dich heute im Café gesehen", sagte ich leise, ohne ihn direkt anzusehen. „Ich habe überlegt dich zu Begrüssen, aber dann..." Ich zögerte, als das Bild des Mädchens, das sich zu ihm gesetzt hatte, wieder in meinen Kopf drängte.

Jamal schloss kurz die Augen, als würde er verstehen, worauf ich hinauswollte. „Ja, ich hab dich auch gesehen", antwortete er, seine Stimme ebenso leise. „Du warst aber so schnell wieder weg."

Mein Herz machte einen Sprung. Er hatte mich also bemerkt. „Du hast dir nicht viel Zeit gelassen, wa?" fragte ich, den Blick endlich zu ihm hebend. Ich versuchte meine Enttäuschung runterzuspielen doch ich konnte nicht.

Er schaute mich verwirrt an. "Was meinst du?" fragte er schliesslich.
"Das Mädchen-" fing ich an doch Jamal unterbrach mich sanft.
„Sie ist nur eine Freundin", erklärte er schnell, als hätte er geahnt, worauf ich hinauswollte. „Es ist nichts Ernstes, wirklich."

Er sah mich an, und in diesem Moment wusste ich, dass er die Wahrheit sagte. Es war, als ob wir beide, nach all den Missverständnissen, wieder auf einer Ebene waren, auf der wir einander verstehen konnten. Die Kälte, die so lange zwischen uns geherrscht hatte, begann zu schmelzen.

„Es tut mir leid, Jamila", sagte er schließlich, seine Stimme sanft und voller Bedauern. „Es tut mir leid, dass wir so weit gekommen sind."

Ich schluckte schwer und sah zu Boden. „Mir auch", flüsterte ich. „Ich wollte nie, dass es so endet. Ich wollte immer nur, dass wir... dass wir uns verstehen."

Die Stille, die folgte, war nicht unangenehm, sondern irgendwie erlösend. Es war, als würden wir beide endlich einen Moment der Klarheit erleben, in dem all die unausgesprochenen Gefühle Platz fanden.

„Wer hat gesagt, das wir geendet sind?", fragte Jamal vorsichtig, als ob er selbst nicht sicher war.
"Wie?" fragte ich.
"Ich habe Zeit gebraucht um klarzukommen, nicht um dich wegzustossen." erwiederte er ehrlich.

Ich schaute ihn einfach nur an und wusste nicht was ich antworten soll.

"Ich habe dich vermisst." war das einzige was ich rauskriegte.
"Ich dich auch Mila."

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⏰ Letzte Aktualisierung: a day ago ⏰

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Verliebt, trotz allem. - jamal blaqWo Geschichten leben. Entdecke jetzt