37: Sternenhimmel

59 9 13
                                    

Annalena atmete tief durch, ließ ihren Koffer los und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Es war schlicht und doch gemütlich eingerichtet, mit einem großen Fenster, das den Blick auf den gepflegten Garten freigab. Sie schüttelte den Kopf, um den Ärger über Christian abzuschütteln, und begann, ihre Sachen auszupacken. Die Anspannung des Tages ließ allmählich nach, und ihre Gedanken wanderten zu Robert.

Als sie endlich alles verstaut hatte, warf sie sich auf das Bett und zog ihr Handy heraus. Ein neues Chatfenster mit Robert blinkte auf, und sie grinste, als sie seinen letzten Nachricht las: „Hoffe, du bist noch nicht vor Langeweile eingeschlafen. Ich zähle die Stunden bis heute Abend …” Sie schrieb schnell zurück: „Ganz bestimmt nicht. Ich freue mich auch, aber wir müssen wirklich vorsichtig sein. Olaf wohnt direkt nebenan.”

Nach einem kurzen Moment kam seine Antwort: „Keine Sorge, ich kenne ein paar Tricks. Bis später ;)”

Ein leises Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Sie erschrak kurz und legte das Handy beiseite, dann ging sie zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Es war einer der Sicherheitsleute, der sie kurz daran erinnerte, dass das Abendessen gleich beginnen würde. Sie nickte ihm zu, bedankte sich und schloss die Tür wieder.

Annalena prüfte noch kurz ihr Spiegelbild, strich ihr Haar glatt und ging dann los in Richtung Speisesaal. Als sie an Olafs Zimmer vorbeikam, hörte sie ihn telefonieren, seine tiefe Stimme hallte leicht gedämpft durch den Flur. Sie schlich sich schnell weiter und erreichte den Speisesaal, wo die meisten schon eingetroffen waren. Die Stimmung war ausgelassen, das Klirren der Gläser und das Murmeln der Gespräche erfüllten den Raum.

Sie ließ sich an einem Platz nieder, und wenig später nahm Robert gegenüber von ihr Platz. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, und Annalena erwiderte es vorsichtig. Sie beide mussten so tun, als wäre alles professionell – doch allein der Gedanke daran, ihn später heimlich zu treffen, ließ ein Kribbeln durch ihren Körper laufen.

Der Speisesaal war festlich gedeckt: lange Tafeln mit weißen Tischdecken, glänzendem Besteck und feinem Porzellan. Überall standen schwere Kerzenleuchter, deren sanftes Licht die Gesichter der Minister erhellte und eine warme, beinahe familiäre Atmosphäre schuf. Es duftete verführerisch nach frischen Kräutern und gebratenem Fleisch, und auf jedem Platz wartete ein vorsichtig eingegossenes Glas eines guten Rotweins.

Annalena setzte sich zwischen zwei ihrer Kollegen und nickte freundlich, während das Stimmengewirr um sie herum anschwoll. Gegenüber saß Robert. Er war in ein Gespräch mit einem anderen Minister vertieft, doch immer wieder huschte sein Blick verstohlen zu ihr herüber, und ein kaum merkliches Lächeln lag dabei auf seinen Lippen.

Nach einer kurzen Ansprache von Olaf, die eher kühl und präzise als herzlich ausfiel, servierten die Kellner das erste Gericht. Eine zarte Kürbiscremesuppe, mit einem Hauch von Ingwer und Orangenschale, wurde in elegant geformten Tellern gereicht. Annalena löffelte die Suppe vorsichtig und spürte, wie die Wärme ihr über den Gaumen floss. Neben ihr begann ein Kollege von seinen letzten Verhandlungen zu erzählen, doch ihre Gedanken glitten immer wieder zu Robert und ihren heimlichen Plänen.

Als der Hauptgang gebracht wurde – ein perfekt gegartes Lammkarree mit Rosmarinkartoffeln und glasierten Karotten – wechselten die Gespräche am Tisch von Politik hin zu persönlichen Anekdoten und Erlebnissen. Man lachte über die kleinen Missgeschicke, die jedem im Alltag passieren konnten, und langsam wich die steife Professionalität einer entspannten Lockerheit. Auch Olaf schien, zumindest nach außen hin, seine ernste Haltung etwas aufzugeben und begann sich in das Gespräch zu mischen, jedoch nie ohne eine gewisse Dominanz zu zeigen.

Annalena kostete ein Stück des Lammfleisches, das so zart war, dass es beinahe auf der Zunge zerging. Sie hob ihr Glas zu einem leisen Anstoßen mit ihrem Tischnachbarn und ließ den kräftigen Rotwein mit seinen leichten Beerennoten die Aromen des Essens ergänzen. Gerade in diesem Moment traf sich ihr Blick wieder mit Robert, und er hob kaum merklich die Augenbrauen, als wollte er fragen, ob sie sich ebenso auf später freute wie er. Annalena errötete leicht und erwiderte den Blick für einen kurzen, aber intensiven Moment.

Hinter verschlossenen Türen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt